Der Palastgarten ist Triers grünste Sehenswürdigkeit. Doch seine Geheimnisse gibt der Volkspark erst auf den zweiten Blick preis. Wissenswertes und Kurioses.
Trier, Augusta Treverorum, einst schillernde Kaiserresidenz. Vor 2000 Jahren schufen Römer diese Metropole mit allem Komfort. Sie nannten sie roma secunda, zweites Rom. Doch das ist lange her. Aber der Palastgarten beweist, das auch nach dem Untergang des Imperiums in der Stadt an der Mosel noch einiges ging.
Triers grüne Sehenswürdigkeit liegt wie ein floraler Teppich zwischen zwei von der UNESCO geadelten Römerbauten: Auf der einen Seite bröckeln attraktiv die Ruinen der Kaiserthermen, und auf der anderen hat Kaiser Konstantins wuchtige Basilika ihr Platz.
Direkt an den rostroten Koloss lehnt sich das Kurfürstliche Palais, vor dem weiße Statuen stoisch Wache stehen. Beziehungsweise: liegen. Man beachte die Sphinx. Diese Gebäude ist kein Haus, nein, die Fassade ist ein barockes Statement in vornehmem Pastellrosa: Putten balancieren auf Simsen, viele verschnörkelte weiße Ornamente, vergoldete Details. Für Bescheidenheit bleibt wenig Platz. Wer hier einst wohnte, der wollte auch gesehen werden.
Der Renaissance- und Rokokobau wurde im 17. und 18. Jahrhundert als Sitz für die Herrscher ihren Zeit gebaut. Die Erzbischöfe und Kurfürsten wünschten es sich so. Von hier aus regierten sie in Personalunion über das Bistum und den Kurstaat Trier. Bis dann im Jahr 1794 Napoleons Truppen kamen.
Fürstlicher Park wird Exerzierplatz
Mit der weltlichen Macht von Triers Oberhirten war es von nun an vorbei. Und ihr schönes Schloss hat einiges über sich ergehen lassen müssen: Enteignung, Plünderung, rund 140 Jahre lang Zweckentfremdung mal als Lazarett und lange als Kaserne, Bomben im Krieg. Und trotzdem steht der Prachtbau noch immer. Oder besser gesagt: wieder. 1956 zog die Bezirksregierung ein. Heute ist in dem historischen Gebäude die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) untergebracht.
Quasi als Vorgarten in XXL breitet sich vor dem Palais der Palastgarten aus. Akkurat gestutzte Hecken, mehrere Brunnen, Merkur und Saturn posieren als mannshohe Statuen auf ihren Sockeln. Zwar wirken Park und Palais wie aus einem Guss, aber das täuscht. Denn die Gartenanlage ist 150 Jahre jünger als das Gebäude. Zwar gab es schon in Zeiten der Kurfürsten einen Schlosspark, doch kaum angelegt, haben die Franzosen den Garten zerstört und in einen Exerzierplatz umgewandelt. Dabei wurden die Statuen bei Schießübungen ramponiert.
Gut 140 Jahre lang demonstrierten auf dem Areal verschiedene Herrscher ihre militärische Macht. Erst ab 1936 Jahren entstand – von den barocken Gartenanlagen des 18. Jahrhunderts inspiriert – der Volkspark, der bis heute den Namen Palastgarten trägt.
Sehenswertes im Palastgarten
Palasgarten nennen die Trierer und Triererinnen die grüne Lunge ihrer Altstadt. Viele Stadtführungen enden dort, Jogger drehen ihre Runden auf den schnurgeraden Schotterwegen. Bei schönem Wetter treffen sich dort Einheimische, Touristen und gelegentlich verirrte Passanten, die eigentlich auf dem Weg zum Bahnhof waren, sich aber von der Opernkulisse zum Bleiben haben verführen lassen.
Tatsächlich gibt es erstaunlich viel zu entdecken: Geschichte, Geschichten und Fotomotive für Instagram. Wohl nirgendwo sonst in Trier wird so oft auf den Auslöser gedrückt wie im Palastgarten. Doch längst nicht alles ist echt. Gucken Sie mal ganz genau hin.
Die Fassade vom Kurfürstlichen Palais
Blickfang Nummer 1 ist der Südflügel des Kurfürstlichen Palais. Opulent, verspielt und vielleicht sogar ein bisschen überkandidelt – so präsentiert sich die barocke Fassade. Geschaffenen von Balthasar Neumann-Schüler Johannes Seiz, Hofbaumeister aus Trier, und Bildhauer Ferdinand Tietz (1707 – 1777). Den Auftrag dazu gab Kurfürst Johann Philipp von Walderdorff (1756 – 1768); er lautete vermutlich: „Setzt das Blühen des Trierer Landes unter meiner Regierung in Szene!”
Wer genau hinguckt, kann am Balkon die Initialen des Bauherrn entziffern, bekrönt von einem Kurhut. Auch die Puttenfiguren sind nicht einfach Deko, sondern stellen die vier Jahreszeiten nach. Und ganz oben im Rundgiebel erzählen Venus, ein musizierender Apollo und die Fruchtbarkeitsgöttin Pomona von Ovids Metamorphosen. Links und rechts stehen vier Allegorien der Tageszeiten.
Auch im Inneren wurde nicht gekleckert, sondern mit Schnörkeln und Ornamenten geklotzt – die Rokoko-Treppe mit ihrem verzierten Steingeländer ist eine Augenweide. Oben angekommen, weht im Rokokosaal ein Hauch des Geistes von Versailles. Eine herrliche Bühne für Kammerkonzerte.
Doch dieser Raum lebt von der Illusion, denn in Wahrheit wurde er erst in den 1970er Jahren ausgemalt. Nur das Treppenhaus ist noch aus der Bauzeit erhalten. Besichtigungen sind nur mit Termin oder bei gelegentlichen Veranstaltungen möglich. Zum Beispiel am Tag des offenes Denkmals oder bei Empfängen. Regelmäßig gastiert das Mosel-Musikfestival in den wie dafür gemachten Räumlichkeiten.
Bei der Sekt-Gala Trier stellen rund ein Dutzend Hersteller ihre prickelnden Tropfen im Palastgarten vor. Die Veranstaltung geht jeweils am zweiten Augustwochenende vor der prominenten Kulisse des Kurfürstlichen Palais über die Bühne.
Götter im Palastgarten
Die Stars im Garten sind die weißen Skulpturen, die augenscheinlich aus dem 18. Jahrhundert grüßen. Auch sie stammen aus der Werkstatt von Ferdinand Tietz, dem vielbeschäftigten Künstler mit einem Faible für Mythologie. Rokokogärten mit antiken Göttern, Allegorien oder Tierdarstellungen zu bevölkern, war sein Markenzeichen. Da stehen zum Beispiel Jupiters Gattin Juno, der Kriegsgott Mars und Venus, die Göttin der Liebe. Ein paar Meter weiter posiert der Neptun mit einem Delphin, der eher an einen Karpfen erinnert.
Allerdings entpuppt sich das Best-of der römischen Götterwelt bei genauerem Hinsehen als Fake: Die Figuren sind nur Kopien. Der Grund ist rein irdischer Natur: Weil die barocken Schönheiten im Palastgarten unter Wetter, Wind und gelegentlichen Vogelattacken leiden, wurden die empfindlichen Sandstein-Originale durch Repliken ersetzt. Wer die echten Skulpturen besuchen will, findet sie im Stadtmuseum Simeonstift an der Porta.
Tietz-Brunnen war verschollen
Viele von Tietz‘ Werken stehen heute in den Trierer Museen, im Dom, im Kurfürstlichen Palais oder in Sankt Paulin. Doch ein Original aus kurtrierischer Zeit verblieb unter freiem Himmel: Der Spiegelbrunnen, der viele Jahre als verschollen galt. In alten Gartenplänen, die das Landeshauptarchiv in Koblenz verwahrt, findet das barocke Kleinod im Jahr 1761 Erwähnung. Erst Anfang der 1940er Jahre wurde er wieder im Palastgarten an seinem angestammten Platz aufgestellt.
Auch hier lohnt es sich, genauer hinzusehen: Eine Nettigkeit ist das filigrane Wasserspiel, das durch die Rotation der speienden Düsen einen Tulpenkelch erzeugt.
Barock im Herrengärtchen
Wer durch den Palastgarten schlendert, spaziert an Brunnen, Bänken und Bogenöffnungen vorbei. Ein spezielles Bild eröffnet sich im von hohen Hecken umschlossenen Herrengärtchen: Feiner Kies, ornamentale Broderien aus niedrigen Hecken und Blumen, die wie Stickereien aus Pflanzen aussehen – in solchen Gärten wandelte der Adel.
Jeder Quadratzentimeter war geplant, vermessen, symmetrisch, jedes Gänseblümchen hatte seinen Platz. Die geometrischen Pracht ist ein typisches Beispiel für die Gartenkunst des Barock: Herrscher demonstrierten damit ihre Kontrolle über die Natur. Sogar die Buchsbäume standen stramm. Es wäre zu teuer gewesen, den gesamten Palastgarten in diesem Stil zu gestalten. Trier ist ja nicht Potsdam und das Kurfürstliche Palais nicht Schloss Sanssouci.
Franz Weißebach spendete den Park
Apropos Geld. Hinter dem gepflegten Idyll steckt nicht nur gärtnerisches Talent, sondern vor allem ein Mann mit Sinn für Humor: Aus der alten Stadtmauer hinten an den Kaisertermen schmunzelt Passanten das Konterfei von Franz Weißebach entgegen. Er ist weder eine literarische Figur noch Ex-Bürgermeister, sondern der 1925 verstorbene Mitbesitzer des erfolgreichen Kanzemer Weinguts, das heute seinem Ur-Urgroßneffen Günther Jauch gehört.
Seinen größten Spaß erlaubte er sich in seinem Testament, wofür man ihn posthum mit einem Relief gewürdigt hat. Schon zu dessen Lebzeiten gab es die Idee, den ehemaligen Exerzierplatz am Kurfürstlichen Palais in eine Gartenanlage umzuwandeln, den heutigen Palastgarten. Doch die Stadt war klamm. Also setzte Weißebach seine Heimatstadt als Erbin ein – allerdings an die Bedingung geknüpft, dass mit dem Vermögen ein Krematorium gebaut werden solle. Undenkbar im erzkatholisch Trier!
Als Ausweg aus dem Dilemma hatte Jauchs Vorfahr einen Passus zugefügt: Würde der Stadtrat den Bau fünf Jahre lang ablehnen, dürfe sein Erbe für einen Volksgarten verwendet werden. Folglich wurde die Krematoriumsdebatte Jahr für Jahr auf die Tagesordnung gesetzt. Nach der fünften Abstimmung gegen den Bau war die Stadt dann flüssig, um den Palastgarten zu gestalten: Im Nachlass Weißebachs befanden sich drei Fuder (jeweils rund 1.000 Liter) Saarwein des kostbaren Jahrhundertjahrgangs 1921. Es heißt, hinter der Gedenktafel sei auch eine Flasche Krematoriumswein eingemauert.
Triers schönstes Portal
Wie der Name Palastgarten sagt, steht das Schloss im Fokus. Der Gartenflügel im Süden ist die Hauptattraktion. Doch auch der Nordflügel des Kurfürstlichen Palais bietet einiges zum Gucken: Dort befindet sich nicht nur der sogenannte Rote Turm, Baujahr 1647, der heute das Hochbauamt und die Glocken der Konstantinbasilika beherbergt. Sondern auch Triers wohl schönstes Portal: Es führt vom Willy-Brandt-Platz in den Caspar-Olevian-Saal, den evangelischen Gemeindesaal dient. Dort werden im Winter oft die Gottesdienste abgehalten, um Heizkosten für die riesige Basilika nebenan zu sparen.
Palastgarten – Infos für den Besuch
Adresse: Seizstraße 6, 54290 Trier
Parken: An beiden Enden der Anlage gibt es kostenpflichtige Parkplätze.
ÖPNV: Von den Bushaltestellen Konstantinbasilika und Stadtbibliothek ist der Palastgarten in wenigen Gehminuten zu erreichen.
Barrierefreiheit: Die Schotterwege im Palastgarten sind gut befahrbar. Als Einstieg eignet sich die Rampen am Parkplatz vor der Basilika. Dort am Kiosk befinden sich barrierefreie Toiletten.
Restaurant: Das rundum verglaste Café Zeitsprung bietet einen schönen Blick auf den Palastgarten. Es befindet sich in einem Anbau des Rheinischen Landesmuseums in der Weimarer Allee 1.
Kinder: Zum Palastgarten gehört der wohl schönste Spielplatz in der Trierer Altstadt. Zweigeteilt für Klein und (fast) Groß, mit vielen Spielgeräten und geräumiger Spiel- und Kletterburg.