Sie meckern von morgens bis abends, doch ihrem Chef ist das egal. Denn Joachim Wiese aus Ensch weiß das Talent seiner Ziegen zu schätzen. Er hat an der Mosel schon viele Böcke zum Gärtner gemacht.
Hat da etwa jemand blöde Ziege gesagt? Von wegen. Anders als so mancher Hund wissen diese Tiere nämlich ganz genau, wie sie testen, ob der Elektrozaun scharf ist.
Flink klettern sie über den Hang, hier auf dem Kirschenberg zwischen Ensch und Schleich, und umkurven meckernd ihren Ziehvater Joachim Wiese. Die Ziegen führen vor wie man elegant die Steillage an der Mosel erklimmt.
Die schwarz-weiße Fellzeichnung fällt sofort ins Auge. „Das sind Schweizer Pfauenziegen, ihre ursprüngliche Heimat ist der Kanton Graubünden”, erklärt der Besitzer stolz.
Sie können aus dem Stand einen Meter hoch springen und die Hörner der Böcke werden bis zu 1,50 Meter lange. Vor allem sind die Gebirgsziegen aus der Schweiz bemerkenswerte schöne Tiere.
Doch nur dank einiger Liebhaberzüchter hat die im Bestand gefährdete Rasse bis heute überlebt. Einer davon ist Joachim Wiese. Er hat als der einzige Pfauenziegen-Züchter in Rheinland-Pfalz für Furore gesorgt.
Schweizer Ziegen an die Mosel?
Angefangen hat alles vor gut acht Jahren. Gepachtet hat den Weinberg Joachim Wieses Schwiegersohn Herbert Kuhnen. Allerdings sah es dort noch aus wie Kraut und Rüben. „Das war ein undurchdringlicher Urwald, kein Hund traute sich mehr rein”, beschreibt der Bio-Winzer aus Bekond den Zustand der Brache.
Doch wo Ginster und Sträucher durcheinander wachsen, fühlen sich Schädlinge sehr wohl. Das ist ein Problem. Denn die Kirschessigfliege zum Beispiel, die in Brombeerhecken lebt, macht sich gern an den Rebstöcken im Nachbarweinberg zu schaffen.
Deshalb beschloss Herbert Kuhnen neue Mitarbeiter zu engagieren: Und zwar Ziegen. Eine kleine Herde sollte für freie Sicht im knapp sechs Hektar großen Wingert sorgen. Denn dort wo Maschinen und andere Nutztiere schlapp machen, sind die Kletterkünstler ganz in ihrem Element.
Ziegen stoppen Wildwuchs im Wingert
Ihre kulinarischen Vorlieben: Brennnesseln und wuchernde Hecken. Sie knabbern liebend gern Gehölze kurz und klein, turnen dabei über Mauern, machen selbst vor dornigem Gestrüpp nicht Halt und ernten auf den Hinterbeinen stehend Blättern von Bäumen.
Sanfte Landwirtschaftspflege dank des guten Appetits der gefräßigen Ziegen. Ökologischer geht’s kaum.
Damit die cleveren Tiere keine Dummheiten machen, sollte Joachim Wiese im bevorstehenden Ruhestand im Wingert nach dem Rechten sehen. So war der Plan. „Doch als der Schwiegervater einmal Lunte gerochen hatte, war er nicht mehr zu bremsen”, erzählt Herbert Kuhnen.
Tatsächlich verkündete Joachim Wiese, er wolle nicht nur Ziegen füttern – sondern auch züchten. Kollegen und Bekannte fassten sich an den Kopf. „Sie fragten, ob ich noch alle Tassen im Schrank hätte”, lacht Joachim Wiese.
Doch aus der unkonventionellen Idee ist eine passionierte Mission geworden. Heute kennt man den Enscher weit über die Mosel hinaus als Experten. Der Züchter spricht fachmännisch von Flankenstrichen, Pseudo-Tb-Monitoring und Körung.
Joachim Wiese wird Ziegenbeauftragter
Natürlich hat er auch den Tiertransportführerschein in der Tasche, sogar Preise für seinen Nachwuchs gewonnen und kennt sich bestens aus mit den Eigenarten von Merlin, Sam und den Damen.
„Ziegen sind nicht gerade zimperlich im Umgang miteinander und haben einen eigenen Kopf”, sagt der Züchter. „Wenn sie keinen Bock auf Klauen schneiden haben, werden sie sehr zickig.”
Weit über 20 Ziegen und Böcke hat der Enscher bislang erfolgreich zum Gärtner gemacht.
Zwar züchtet Joachim Wiese seit 2018 nicht mehr. Aber noch immer ist er mit seinen 16 Ziegen in der ökologischen Landschaftspflege unterwegs.
„Die fressen alles weg, was ihnen in die Quere kommt”, attestiert Winzer Herbert Kuhnen den Ziegen ihre speziellen Qualitäten. Sich die Hufe in den Bauch zu stehen ist der Herde eben zu öde, die ganze Mannschaft will klettern und fressen.
Hauptsache kauen, den lieben langen Tag. Dafür ist ihr Tisch reich gedeckt, hier an der Mosel.
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