Seifenkisten in Klüsserath: Das große Rennen

Wenn flotte Seifenkisten in Klüsserath fast geräuschlos bergabwärts flitzen, dann ist der dritte Sonntag im Mai. Die Moselflitzer rufen und alle kommen. Denn dieses Rennen hat Tradition an der Mosel.

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Renn-Chef Norbert Friedrich (Mitte) mit seinen Piloten und vielen Helfern. Fotos: Jörg Haubrich

Aufgeregtes Gewusel im Fahrerlager, aus den Lautsprechern schallt Musik. Auf Bänken sitzt das sachverständige Publikum bei einem Glas Rennfahrerbowle und isst Burger vom Föhrener Foodtruck. 

Stehtische, Pommes mit Grillgut und Kuchen … Die Männer und Frauen rund um Brigitta Friedrich vom Seifenkisten-Klub Moselflitzer haben ganze Arbeit geleistet. Am Renntag ist für alle bestens gesorgt.

Weiter oben am Berg gehen die ersten Piloten und Pilotinnen in Startposition. Ihre Helfer schieben die Seifenkisten auf die Rampe. Dann wird es ernst. „Bitte die Rennstrecke nicht mehr betreten”, tönt es über Mikro aus dem Sprecherwagen. 

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Der erste Pilot steht auf der Startrampe.

Nun kommt Bewegung in die Menge. Das Publikum drängelt sich am Straßenrand. Alle recken die Hälse. Dann das Startsignal. Die Halter vor den Spitzen der Seifenkisten klappen herunter. Die bunten Flitzer schießen los und donnern über die Piste. 

Um den Luftwiderstand zu verringern, machen sich die Fahrer und Fahrerinnen ganz klein. Denn jetzt zählt jede Hundertstel-Sekunde. Immerhin geht es um Urkunden, Sachpreise und einen Pokal. Die Formel 1 ist nichts im Vergleich mit diesem Seifenkisten-Rennen.

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Die Seifenkisten flitzen den Berg hinunter.

Seifenkiste. Allein das Wort. Das klingt nach Sommer, spektakulären Fahrgestellen und ganz viel Spaß! Nach einem Kindertraum auf vier Rädern. Tatsächlich hat dieses Vergnügen in Klüsserath eine lange Tradition.

„Schon in den 70er Jahren wurden hier Seifenkisten gebaut”, erzählt Rennleiter Norbert Friedrich. „Und seit 1983 gibt’s den Seifenkistenklub Moselflitzer Klüsserath, kurz SKK.”

Faszination Seifenkisten

Heute gehören über 40 Familien zu dem liebenswerten Verein. Natürlich ist der Höhepunkt der Saison das Seifenkistenrennen vor der eigenen Haustür. Immer am dritten Sonntag im Mai wird Klüsserath zum Mekka der Seifenkisten.

Dann legen sich Jungen und Mädchen für den Pokal der Römischen Weinstraße ins Zeug. Zudem geht es für die Kinder aus Norbert Friedrichs Rennstall um nichts Geringeres als die Qualifikation zur Deutschen Meisterschaft.

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Mühsam ziehen Piloten und Helfer die Seifenkisten den Berg hinauf.

Dabei werden Eltern und Geschwister zur Boxencrew. Und Freunde und Besucher zu jubelnden Fans an der Strecke. Immerhin werden Spitzengeschwindigkeiten bis zu 50 Stundenkilometer erwartet. Ganz ohne Antrieb, nur dank der Fahrkünste der jungen Fahrerinnen und Fahrer.

Doch wer runter flitzen will, muss natürlich zunächst mal rauf. Aber die Strecke ist 300 Meter lang, zudem mit rund fünf Prozent Gefälle. Mütter, Väter und große Brüder ziehen die rund 60 Kilo schweren Geschosse bis zur Startrampe hoch. Manche stöhnen.

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Die Rennstrecke liegt am Weinberg

Denn anders als früher werden die Seifenkisten nicht mehr aus leichten Brettern und Kinderwagenrädern gebastelt, erklärt Norbert Friedrich. Heute gibt es genormte Bauteile und ganze Mechaniksätze zu kaufen.

Dabei heraus kommen richtige High-Tech-Gefährte. Was die Jungs und Mädchen da fahren, macht mächtig ’was her.

Schicke Seifenkisten Marke Eigenbau

Beim Schrauben waren echte Hobby-Ingenieure am Werk. Dort ein rosa Flitzer mit Blumen oder ein nostalgischer Bus. Hier ein leuchtend orangefarbenes Geschoss oder eines, dass an eine Rakete erinnert. Die schicksten Modelle sind in Klüsserath vertreten.

Voller Stolz präsentieren die Piloten im Alter von ab 8 Jahren ihre glitzernden Boliden. Norbert Friedrichs: „Bevor die Rennstrecke eröffnet wird, müssen die Seifenkisten eine Sicherheitsabnahme wie beim TÜV bestehen.” 

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Eine Pilotin zeigt ihre selbstgebaute Seifenkiste.

Norbert Friedrich weiß alles über die bunten Flitzer. Schon mit 13 Jahren ist der Moselaner selber mit anderen um die Wette gefahren. Das war 1961. Damals stand der Seifenkisten-Rennsport auf seinem Zenit.

Denn nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Amerikaner dafür gesorgt, dass die ‚soap boxes’ hierzulande so populär wurden wie in den Staaten. Norbert Friedrichs weiß: „Seifenkistenrennen statt marschieren – so war der Plan.”

Klüsserath im Rennfieber

Tatsächlich verbreiteten sich die Kisten schneller als sie rollen konnten. Denn schon 1949 nahmen rund 15.000 Kinder an Wettkämpfen teil. Immerhin 5000 Mark konnte der Gewinner einer Meisterschaft damals kassieren. Bis zu 20.000 Zuschauer kamen, um die Fahrer lautstark zu unterstützen.

In Amerika sponserte General Motors die Rennen, hierzulande die Adam Opel AG. Auch der ADAC engagierte sich. Doch 1972 zog sich der Autohersteller zurück. Heute organisiert der Deutsche Seifenkisten Derby e.V. mit Sitz in Klüsserath die Rennen. 

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Ein Pilot wartet geduldig auf den Start. Er heißt Nils.

Einmal vom Rennfieber gepackt, ist Norbert Friedrich bis heute an vorderster Front dabei geblieben. Denn der Klüsserather ist nicht nur Deutschland-Chef. Sondern auch Vorsitzender der Europäischen Seifenkistenvereinigung.

Deutschlandweit pilgern tausende Kinder von Rennen zu Rennen, um sich, ähnlich dem Punktesystem in der Formel 1, für Meisterschaften zu qualifizieren.

Neben dem Abenteuer in der Seifenkiste stehe aber auch noch ein anderer Gedanke, sagt Norbert Friedrich. „Es geht darum, dass die Familie als Team einen ganzen Tag lang zusammen verbringt.” Spaß beim Mitmachen oder Zuschauen. Einfach mal raus, um gemeinsam etwas Außergewöhnliches erleben.

 

Info Seifenkistenrennen

Klüsserather Seifenkistenrennen

Termin: Immer am dritten Mai-Sonntag, ab 10.30 Uhr. Adresse: Auf der Krainstraße am Ortsausgang in Klüsserath Eintritt: frei

Mehr Infos: www.DSKD.org

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