Metz: Tour de France

Kennen Sie Metz an der französischen Mosel? Von Bernkastel-Kues sind es nur knapp zwei Autostunden bis zum Geheimtipp unter Frankreichs schönen Städten. Man trifft auf opulente Architektur, den Drachen Graoully und einen großen Europäer.

Metz, Kathedrale, französische Mosel

Metz mit seiner Kathedrale.

Bonjour, Moselle! Im Dreiländereck liegt die letzte Station der Mosel auf deutschem Boden. Wer von Perl oder Schengen weiter flussaufwärts reist, landet in Frankreichs einstigem Kohle- und Stahlrevier Lorraine. Doch das ist eine Weile her. Schon 2004 knipste der letzte Bergmann hinter sich das Licht aus und dort wo Hochöfen brannten, ist es inzwischen oft still. Auch ein Lothringen als eigene Region mit der Hauptstadt Metz gibt es längst nicht mehr: Seit 2015 gehört das Gebiet zum Département Grand-Est.

Früher stellte sich Reisenden ein Grenzhäuschen in Apach in den Weg. Heute erinnert am Ortseingang nur noch der Mini-Eiffelturm daran, dass man sich jetzt im Heimatland der Mosel befindet.

Nach Apach folgt Sierck-les-Bains – neben Schengen und Perl eines der Haupt-Dörfer der Dreiländerregion. Der Moselort im Schatten einer mächtigen Festung hat offensichtlich schon bessere Zeiten gesehen, doch allein die Aussicht von der Ruine lohnt den Abstecher zu unseren französischen Nachbarn. Oder wie wäre es zur Abwechslung mit einer Reise ins Mittelalter? Dieses Gefühl kriegt, wer in Rodemack, dem „kleinen Carcassonne” herum spaziert.

Umkämpfte Region im Dreiländereck

Fort Michelsberg, Maginot-Linie, Frankreich

Festung unter der Erde: Fort Michelsberg, Anlage der Maginot-Linie

Im Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Luxemburg erscheinen Ausflüge diesseits und jenseits der Grenzen selbstverständlich zu sein. Das sind sie aber ganz und gar nicht. Denn über Jahrhunderte hinweg bestimmten deutsch-französische Konflikte das Schicksal der Menschen in der umkämpften Region.

Im Zweiten Weltkrieg zog sich hier auf der einen Seite der Mosel der Westwall der Deutschen entlang und auf der anderen Seite die Maginot-Linie der Franzosen. Einige der Festungsanlagen wurden zu Museen umfunktioniert. Etwa das Fort Michelsberg (französisch: Ouvrage Michelsberg), gut 20 Autominuten von Perl entfernt, wo Gänge 30 Meter unter der Erde Hallen, Kasernen und Lagerräume zu einer Stadt verbinden. Gezeigt werden das Kraftwerk mit den Dieselmotoren, die Küchenräume und der Kampfblock 5 mit einem 265 Tonnen schweren Drehturm.

Geheimtipp französische Mosel mit Metz

Inzwischen ist fast vergessen, dass Deutsche und Franzosen sich lange als Erzfeinde gegenüber standen. Hierzulande gehört Frankreich zu den beliebtesten Ferienländern. Dennoch zählt die französische Mosel im Nordosten des Landes immer noch zu den großen Unbekannten. Terra incognita – mitten in Europa.

Alle Welt reist nach Paris oder Straßburg, aber kaum jemand fährt nach Metz. Dabei sind es von Bernkastel-Kues keine zwei Autostunden bis zum Geheimtipp unter den schönen französischen Städten. Denn von wegen graue Maus in einer Gegend mit niedergegangener Schwerindustrie! Metz ist ein sehenswertes Sammelsurium aus Bürgerhäusern, Gärten, alten Brücken und Kirchen, das von Mosel und Seille umflossen wird. Eine attraktive Stadt mit mittelalterlichem Flair und moderner Umtriebigkeit.

Vom Bahnhof Metz ins Kaiserviertel

Allein wegen des Bahnhofs in wilhelminischen Pracht lohnt die Anreise mit dem Zug. 1908 wurde er eröffnet, erbaut unter Kaiser Wilhelm zwo. Zweimal war er deutsch (1871 bis 1918 und 1940 bis 1944), zweimal – und bis heute – französisch.

Die Fassade mit ihren vielen Reliefs und Skulpturen gleicht einem Wimmelbild: Szenen aus der germanischen Mythologie sind zu sehen, aber auch Transportmittel, Abbildungen von Reisenden oder Bahnhofspersonal. Mittendrin hat sich der Architekt Jürgen Kröger verewigt. Am Bau der Turmuhr soll der Kaiser persönlich beteiligt gewesen sein.

Das gesamte Quartier Impérial, das Kaiserviertel, ist von dem opulenten Baustil geprägt – doch auch heute noch entstehen in Metz architektonische Meisterwerke: Etwa der Tempel der zeitgenössischen Kunst Centre Pompidou-Metz, dessen Dachkonstruktion an ein Zelt, vielleicht aber auch an einen großen, weißen Pilz erinnert. Der Kontrast zum nur ein paar Flanierminuten entfernten Kaiserviertel ist genial.

Doch kaum ein anderes Bauwerk in Metz wird so häufig fotografiert wie der Temple Neuf, denn die pittoreske Kirche steht an der Spitze der Insel Petit-Saulcy in der Mosel. Dahinter versteckt sich ein kleiner Garten namens Jardin D’Amour. Und mit der Opéra-Théâtre de Metz, dem älteste Opernhaus in Frankreich, trägt die Insel ein weiteres prominentes Gebäude. Tipp: Den schönsten Blick auf das Ensemble bietet die Brücke Moyen Pont.

Sehenswertes in der Altstadt von Metz

Kathedrale St. Etienne, Stephansdom, Metz

Die Kathedrale St. Etienne, der Stephansdom

Trutzig wie eine kleine Burg liegt das Deutsche Tor, (Porte des Allemands) am ehemaligen östlichen Stadteingang. Das Überbleibsel aus der fränkischen Zeit hat als einziges von 17 Stadttoren in Metz die Jahrhunderte überstanden.

Über allem thront die über 800 Jahre alte Kathedrale St. Etienne, die zu den größten gotischen Kirchengebäuden Europas zählt. 1220 wurde der Grundstein gelegt. An sich wäre schon das 42 Meter hohe Gewölbe Sensation genug, wären da nicht diese Fenster, die es auf stolze 6500 Quadratmeter Glasfläche bringen – „Laterne Gottes” wird die Bischofskirche deshalb genannt.

Chagall, Fenster, St. Etienne

Die Chagall-Fenster in der Kathedrale St. Etienne

Bedeutender Künstler aus dem 13. bis zum 20. Jahrhundert haben sich an deren Gestaltung gewagt. Der berühmteste von ihnen war Marc Chagall. Auch Herman de Munster, Théobald de Lixheim und Valentin Bousch verewigten sich mit leuchtenden Farben und jüngst mit der südkoreanischen Künstlerin Kimsooja erstmals eine Frau.

Die Kathedrale, auch Stephansdom genannt, steht auf dem Hügel Sainte Croix, dem Zentrum und ältesten Teil von Metz. Die mittelalterliche Altstadt ist durchzogen von charmanten Gassen, die meisten Straßen sind Fußgängerzonen. Weinläden, nostalgische Fachgeschäfte und Boutiquen reihen sich aneinander.

Museum Cour d’Or überrascht

Halb Metz trifft sich ab mittags auf dem Place St. Jacques, bevölkert von Restaurants und Cafés mit Terrassen. Ein weiterer Magnet in der Altstadt ist der Place Saint-Louis, der im 13. Jahrhundert noch Place de Change hieß. Denn wo man heute Euros gegen Kaffee tauscht, wechselte man damals französische, deutsche oder österreichische Währungen, um bei den Händlern kaufen zu können.

Metz, Altstadt, Geschäft

Ein kleines Geschäft in der Altstadt.

Auch das Museum Cour d’Or mit Ausstellungsstücken zur Stadtgeschichte befindet sich auf dem Hügel. Wer dabei an an ödes Heimatmuseum denkt, liegt falsch. Denn gezeigt werden Exponate von der Römerzeit bis zur Renaissance – dazu gehören die Reste einer ehemaligen römischen Therme, die man in der Nähe fand. Allein das Museumsgebäude, ein ehemaliges Kloster, ist eine Sehenswürdigkeit. Der Eintritt ist frei.

Über die Rue des Jardins geht es von der Mosel in sanfter Steigung zur Kathedrale hinauf. Rund 50 Geschäfte säumen die nur 200 Meter langen Straße. Darunter keine einzige Kette stattdessen originelle Läden, die man so nicht überall findet. Noch eine Besonderheit: In der rue Taison, der quirlige Fußgängerzone, trifft man auf den Drachen Graoully, den der heilige Clemens, der erste Bischof von Metz, im 3. Jahrhundert erfolgreich aus der Stadt vertrieben haben soll.

Metz, Mosel, Drache Graoully

Der Drache Graoully über der rue Taison.

Mirabellen im Bauch der Stadt

Pflichtetappe einer Metz-Tour ist natürlich auch die historische Markthalle, der Marché Couvert, direkt neben der Kathedrale. Im Bauch der Stadt gibt es ein Füllhorn regionaler Köstlichkeiten. Die Stände erfüllen fast jeden Wunsch in Bezug auf französischen Käse, Pasteten oder Wurst wie die luftgetrocknete Fuseau lorrain.

Und überall diese kleinen gelben Früchten! Die Mirabelle ist die lothringischen Spezialität schlechthin – rund 70 Prozent der weltweiten Ernte stammen aus den Gärten rund um Metz. Jedes Jahr im August feiert Metz das Mirabellenfest. Man begegnet ihr als Saft und Likör, in Torten und Plätzchen, als Bonbons und Konfitüren oder destilliert zu Eau de Mirabelle, Mirabellenbrand. 

Marche couvert, Markthalle, Metz

Der Marché couvert, die Markthalle, neben der Kathedrale.

Die berühmte Quiche Lorraine schmeckt in ihrem Heimatland wohl immer noch am besten – zum Beispiel bei Chez Mauricette, etwa in der Mitte der U-förmigen Halle. Den Wein kann man sich gleich dazu besorgen.

Etwa den Gris de Toul, ein sehr heller Rosé. Ein schönes Souvenir, denn das Weinbaugebiet der französische Mosel ist deutlich weniger bekannt als die deutschen Mosel. Das liegt vielleicht auch daran, dass man die Reben bei Metz und Sierck-les-Bains oder in der Côtes de Toul regelrecht suchen muss.

Bei Schuman in Scy-Chazelles

Schuman-Haus, Scy-Chazelles

Das Schuman-Haus in Scy-Chazelles.

Es wäre schade, wieder nach Hause zu fahren, ohne zuvor im nahen Scy-Chazelles das lothringische Zuhause von Robert Schuman besucht zu haben.

Auf dessen Namen stößt man in der Region immer wieder. Gemeint ist natürlich nicht der Komponist, den man mit zwei M schreibt, sondern der 1886 geborene Staatsmann, der mit Konrad Adenauer Deutschland und Frankreich zu versöhnen half und zusammen mit Alcide de Gaspari an der Gründung Europas beteiligt war.

Schuman-Haus, Scy-Chazelles, Schuman-Plan, Arbeitszimmer

In diesem Zimmer schrieb Robert Schuman vermutlich seine berühmte Rede.

Die Woche über lebte der ehemalige französische Außenminister in Paris, aber jede freie Minute verbrachte er in seinem Haus bei Metz auf dem Land. Dort entwickelte er den Schuman-Plan, sozusagen die Geburtsurkunde der EU. Denn mit seiner Rede am 9. Mai 1950 proklamierte Schuman die Schaffung einer Union von Kohle und Stahl, um Deutschland und Frankreich durch wirtschaftliche Zusammenarbeit zu befrieden – und hatte damit Erfolg. 

Gründerväter Europas, Schuman-Plan, Skulpturen

Die Gründerväter Europas: Alcide de Gasperi, Robert Schuman, Jean Monnet, Konrad Adenauer (l. n. r.)

In seinem Refugium, wo Robert Schumann 1963 starb, lernt man den Politiker von seiner persönlichen Seite kennen. Das benachbarte Museum informiert über sein Friedensprojekt.

Sehenswert sind auch der Garten und die benachbarte Wehrkirche Saint-Quentin aus dem 12. Jahrhundert, in dem der maßgebliche Gründervater der Europäischen Gemeinschaft seine letzte Ruhe fand.