Schengen: Sehenswürdigkeiten im berühmtesten Dorf der Welt

Schengen ist den meisten Menschen ein Begriff, denn mit dem Abkommen wurde der Grundstein für ein grenzenloses Europa gelegt. Aber wie sieht es dort aus? Ein Besuch im berühmtesten unbekannten Dorf der Welt an der Mosel.

Schengen, Luxemburg, Abkommen, Brücke

„Die Wiege des grenzenlosen Europas“ steht in Schengen

Von Schengen hat eigentlich jeder schon gehört. Steht es doch seit mehr als drei Jahrzehnten für Reisen ohne Schlagbäume und Grenzkontrollen kreuz und quer durch Europa.

Allerdings kennen viele Reisende Schengen nur als Namen des Visums, das sie für die Einreise in europäische Staaten beantragen müssen. Doch es soll auch hierzulande nicht wenige Menschen geben, die „Schengen” tatsächlich für eine Abkürzung halten. Für was auch immer.
Und nicht wenige von denen, die zumindest wissen, dass es sich bei Schengen um eine Ortschaft handelt, haben nicht den geringsten Schimmer, wo sie eigentlich liegt. Vielleicht irgendwo in Belgien oder gar in Deutschland? Falsch.

Doch keine Sorge. Wer die Wiege des grenzenlosen Europas geografisch nicht verorten kann, befindet sich mit seiner Ahnungslosigkeit in bester Gesellschaft. Denn der ehemalige französische Staatspräsident François Mitterrand hat Schengen einst als „charmantes Dörfchen in den Niederlanden” verortet. Woraufhin er reichlich Post mit Luxemburger Stempel bekam. 

Schengen liegt in Luxemburg

Denn das berühmte und zugleich unbekannte Schengen liegt am südlichsten Zipfel der 42 Kilometer langen Weinstraße am Ufer der Luxemburger Mosel. Vis-à-vis der deutschen Winzergemeinde Perl und dem französischen Dörfchen Apach. Genau dort, wo das Saarland, Lothringen und Luxemburg das Dreiländereck bilden.

Damit jeder die Stelle erkennt, wo Deutschland, Frankreich und das Großherzogtum aufeinander treffen, wurde am Dreiländerpunkt eine Boje in die Mosel gelassen. 

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Heute pendeln um die 228.000 Menschen aus Deutschland, Frankreich und Belgien täglich unbehelligt von Grenzkontrollen zur Arbeit ins Großherzogtum. Andere kommen zum billigen Tanken oder um günstig besteuerte Zigaretten und Kaffee in den Kofferraum zu stapeln. Viele Luxemburger und Franzosen wiederum steuern Deutschland an, um sich beim Lebensmittel-Discounter oder mit Drogerieartikeln einzudecken. Allein in Perl stehen vier dm-Filialen, darunter die größte in ganz Europa.

Von den rund 9.300 Einwohnerinnen und Einwohner der saarländischen Gemeinde haben 2.800 einen Luxemburger Pass. Der fränkische Dialekt verbindet die Menschen, Familien leben über die drei Länder verstreut. Im Dreiländereck um Schengen ist das vereinte Europa gelebte Realität. 

Abkommen auf der Marie-Astrid

Historisches Foto, Schengener Abkommen

Historisches Foto am Moselufer: Die Vertragsunterzeichnung.

Dabei mussten Bauern früher sogar ihre Mistfuhre verzollen, wenn sie über die Brücke von Perl nach Luxemburg rollten. Spaziergänger verließen nicht ohne Ausweis das Haus, weil an der grünen Grenze zwischen Frankreich und Deutschland Zöllner mit Schäferhunden patrouillierten.

Doch am 14. Juni 1985 wurde das Schengener Abkommen unterzeichnet, mit dem der Abbau der Zoll- und Personenkontrollen an den gemeinsamen Grenzen besiegelt wurde. Dabei verzichtete jedes Land im gegenseitigen Vertrauen auf ein Teil seiner Souveränität. Zehn Jahre später trat es in Kraft und machte Schmuggler über Nacht arbeitslos. 

Schengener Abkommen, 1985, Faksimile

Ein Faksimile des Schengener Abkommens von 1985.

Da Luxemburg 1985 den Vorsitz des Benelux-Rates hatte, wählte Staatssekretär Robert Goebbels als Gastgeber das kleine Schengen als Ort der Vertragsunterzeichnung. Schauplatz des historischen Akts war ein Fahrgastschiff der Luxemburger Moselflotte: Die elegante „MS Princesse Marie-Astrid”, die erst wenige Wochen zuvor vom Stapel gelaufen war.

An Bord trafen sich die Staatssekretäre der fünf Gründungsländer, um ihre Namen unter die Verträge zu setzen und darauf mit Moselwein vom Schengener Markusberg anzustoßen. Für Frankreich unterzeichnete Catherine Lalumière, für Deutschland Waldemar Schreckenberger, Paul de Keersmaeker für Belgien, Wim F. van Eekelen für die Niederlande und für Luxemburg Robert Goebbels.

Maria Astrid Europa, Schengen

Die rundum erneuerte Maria Astrid Europa.

Wer gehört zum Schengen-Raum?

Inzwischen sind 29 Nationen dem Abkommen beigetreten. Darunter alle Mitgliedsländer der Europäischen Union – mit Ausnahme von Zypern und Irland. Auch die vier Nicht-EU-Staaten Liechtenstein, Norwegen, Island und die Schweiz gehören zu den Schengener Staaten. Insgesamt leben heute rund 423 Millionen Menschen im Schengenraum. Ein riesiges Gebiet zwischen Nordkap und Südspanien, einschließlich der Kanarischen Inseln, Madeira, Malta und den fernen Azoren. 

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Schengen – das muss doch eine ganz große Nummer sein! Unter sich sind die Bewohner des Dörfchens tatsächlich nicht mehr: Im Schnitt  kommen jährlich rund 100.000 Touristen und Touristinnen aus aller Welt, um jene Ortschaft zu sehen, in der der Grundstein für ein grenzenloses Europa gelegt wurde.
Und dann wundern sie sich, dass dieses Schengen an der Mosel so winzig ist. Denn eine Einkaufsmeile, Glamour und Wolkenkratzer suchen sie vergebens. Dafür gibt es reichlich Tankstellen, gepflegte Weinberge, eine Kirche und ein Schloss. Zudem rund 550 Einwohner, regen Durchgangsverkehr und in alle Richtungen weisende Straßenschilder.

Schengen als Wiege des grenzenlosen Europas

An der Moselpromenade bilden verschiedene Monumente und Symbole eine Art Gedächtnismeile. Passanten begegnen zum Beispiel einem Gedenkstein, der an den Aufbau des Hauses Europa erinnert. Zu den Hauptattraktionen zählen das Europäische Museum (Centre European Schengen) und das Europadenkmal „Accord de Schengen“. 

Schengen, Luxemburg, Abkommen, Flaggen und Nationalsäulen

Der Platz vor dem Europäischen Museum

Die drei 3,50 Meter hohe Stelen aus Stahl symbolisieren die Ursprünge der Europäischen Union mit Gründung der EGKS (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl). Die sogenannte Montanunion ging auf eine Idee des französischen Außenministers Robert Schuman zurück, mit dem Ziel, den Frieden unter den Mitgliedstaaten zu sichern. Die insgesamt drei eingestanzten Messingsterne stehen für die ersten Unterzeichner des Schengener Vertragswerk: Frankreich, Deutschland und den Wirtschaftsverband Benelux. Im Boden vor dem Denkmal wurden neun weitere Sterne eingelassen.

Dabei hat die Zahl 12 nichts mit der Anzahl der Mitgliedsländer zu tun, sondern steht als Symbol für Vollständigkeit. Deshalb schmücken auch zwölf goldene Sterne auf blauem Grund die Europaflagge. Die Sterne stehen für Solidarität und Harmonie zwischen den Völkern, der Kreis für die Einheit. 

Vom Europa-Denkmal zum Europa-Museum 

Europamuseum, Fahnen

Fahnen der Mitgliedsstaaten im Europamuseum.

Das Europa-Museum wurde am 13. Juni 2010 eingeweiht, zur Feier des 25-jährigen Bestehens des Schengener Abkommens. Doch seither hat die Europäische Union markante Veränderungen erlebt: Etwa den Brexit, mehr Beitrittskandidaten aus Südosteuropa und geschlossene Grenzen während der Pandemie. Deshalb wurde die Ausstellung auf Vordermann gebracht und am 14. Juni 2025 wiedereröffnet – pünktlich zum 40-jährigen Jubiläum der Vertragsunterzeichnung.

Die interaktive Ausstellung beschäftigt sich mit der Geschichte des Abkommens und bezieht aktuelle politische Entwicklungen wie Grenzkontrollen und Krisen ein. Im Mittelpunkt steht ein Raum, der mit Hunderten Fahnen der Mitgliedsstaaten dekoriert ist. Besucher und Besucherinnen erhalten eine Chipkarte und können Inhalte auf Deutsch, Englisch oder Französisch abrufen. Auch Kurzfilme mit persönlichen Geschichten von Menschen, die von offenen Grenzen profitieren, finden ihren Platz.

Schengen, Luxemburg, Abkommen, Nationalsäulen

Ein Stern für jedes Land

Schon mal darüber nachgedacht, wie einfach das Vertragswerk das Reisen durch Europa macht? Für eine Autofahrt nach Portugal zum Beispiel, benötigte man in den 1950er Jahren sogar noch Visa, um Belgien, Frankreich und Spanien zu durchqueren. Manche Länder verlangten den internationalen Führerschein, andere für Wohnwagen das Carnet oder ein Zollformular. Zudem war Europa vom Eisernen Vorhang geteilt. Und es ist noch gar nicht lange her, dass in Spanien und Portugal Diktatoren herrschten.

Inzwischen gehören kilometerlange Staus an den Grenzen und Passkontrollen der Vergangenheit an. Denn alle Länder auf der Strecke haben 1995 die Schlagbäume abgebaut. Menschen können nun ohne auch nur ein Mal den Ausweis zu zeigen vom Nordkap in Norwegen bis an die Atlantikküste in Portugal reisen.

Schengen, Luxemburg, Abkommen, Berliner Mauer

Segmente der Berliner Mauer

Auf dem Place des Étoiles (Platz der Sterne) vor dem Museum stehen die vom Architekten François Valentiny entworfenen drei Säulen der Nationen, die höchste ist fast neun Meter hoch. Alle tragen Bronzesterne, welche die einzelnen Schengenstaaten symbolisieren.

Erkennbar sind die Länder an ihren eingemeißelten Markenzeichen: Da stehen etwa die Olympischen Ringe für Griechenland oder die Basilika Sagrada Família für Spanien. Da sind auch die Christus-Statue aus Lissabon, ebenso Elche aus Schweden und die schwarze Katze auf dem Dach aus Riga zu sehen. Den deutschen Stern schmückt das Brandenburger Tor, der Kölner Dom und ein Gartenzwerg. Für neue Mitglieder stehen bereits freie Sterne parat.

Deutscher Stern, Nationalsäule, Schengen

Der Stern mit Gartenzwerg steht für Deutschland.

Neben den Säulen flattern die Flaggen der EU-Schengen-Länder. Auf einem Friedenspfahl steht „Möge Frieden auf Erden sein” auf zwölf Sprachen.

Berliner Mauer in Schengen 

Ein paar Meter davon entfernt begegnet man zwei Teilen der Berliner Mauer: Als Mahnmal und Erinnerung an die Öffnung und den Wegfall der Grenzen. Eines der Segmente ist mit dem Portrait des ehemaligen sowjetischen Staatschefs Michail Gorbatschow versehen.

An die Skulptur  „E Schlass fir Schengen” (Ein Vorhängeschloss für Schengen) haben Botschafter personalisierte Vorhängeschlösser bei ihren Ländern angebracht. Nur ausgerechnet von der „Princesse Marie-Astrid” fehlt jede Spur.

Schengen, Luxemburg, Abkommen, Ein Vorhängeschloss für Schengen

Die Skulptur „Ein Vorhängeschloss für Schengen“

 „Als ich am Ende meiner Begrüßungsansprache sagte, dieser Vertrag wird als Schengen-Vertrag in die Weltgeschichte eingehen, haben alle nur gelacht”, erinnert sich der ehemalige Luxemburger Europaabgeordnete Robert Goebbels im Deutschlandfunk an die Unterzeichnung im Jahr 1985. Nach ihm ist übrigens die Straße benannt, an der das Europamuseum liegt. 

Und so hat in der historischen Stunde wohl keiner der Beteiligten auch nur im Traum dran gedacht, welche Bedeutung dieses Schiff in Zukunft einmal haben könnte. Denn tatsächlich wurde dieses Stück Geschichte 1992 zu Gunsten einer Neuanschaffung verkauft. Bis 2003 ist der legendäre Mosel-Dampfer unter dem Namen „Sankt Nikolaus” unerkannt über den Rhein gefahren, danach hat er als „MS Regensburg“ auf der Donau seine Runden gedreht.

Die Prinzessin kehrt nach Schengen zurück

Marie Astrid Europa, Raum der Vertragsunterzeichnung

Der Raum der Vertragsunterzeichnung auf der Marie Astrid Europa.

Doch immer wieder wurden Stimmen laut, die Prinzessin wieder nach Schengen zu holen. Im August 2021 war es soweit: Die Luxemburger Regierung und die Gemeinde Schengen haben das berühmte Schiff zurückgekauft und auf der Lux-Werft in Niederkassel-Mondorf nahe Bonn für 10 Millionen Euro rundum erneuern lassen. Genau dort wurde die Marie Astrid 1985 gebaut. Kurz vor dem 40sten Jahrestag der Verträge fuhr sie dann unter Luxemburger Flagge über Rhein und Mosel nach Schengen zurück.

Unter dem neuen Namen Prinzessin Marie-Astrid Europa liegt sie nun seit Juli 2025 als schwimmender Teil des Europamuseums am Kai. Das Herzstück ist der originalgetreu eingerichtete Raum der Vertragsunterzeichnung auf dem Oberdeck. Interessierte können nun den historischen Moment genau dort nacherleben, wo im Juni 1985 alles begann.

 

Und wenn man schonmal da ist …

Sehenswürdigkeiten in Schengen

Schloss, Schengen

Das Schloss in Schengen. Mit Café und Terrasse.

Wahrzeichen von Schengen sind die Kirche und das Schloss von 1812. Es wurde auf den Fundamenten einer Wasserburg aus dem 13. Jahrhundert errichtet. Von dem dem ursprünglichen Bau blieb ein Festungsturm erhalten. Der berühmteste Besucher war der Schriftsteller Victor Hugo,  dessen Zeichnung von dem Turm noch heute das Etikett der Weine „Château de Schengen” schmückt.

Das Schloss ist von einem schönen Barockgarten umringt und gehört zum Tourismus-Projekt „Grenzenlose Gärten”. Auf der deutschen Seite empfiehlt sich ein Besuch der Römischen Gärten der Villa Borg in Perl.

Luxemburg, Mosel, Biodiversum

Das Biodiversum im Remicher Haff

Probieren: Im Anbaugebiet wird von den Luxemburger Winzern edler Crémant produziert. Im Weinort Schengen kann bei einem der 16 Winzer oder der Genossenschaft auch Pinot Gris, Pinot Blanc, Auxerrois und Pinot Blanc probieren.

Wer sich zudem für Architektur interessiert, wird vom Weingut Henri Ruppert mitten im Markusberg begeistert sein. Das futuristische Gebäude in Form einer Welle stammt ebenso aus der Feder des Luxemburger Architekten Valentiny wie auch Luxemburger Turm in Trier.

Zum Weiterlesen: Das Großherzogtum schäumt»  

Geheimtipp für die Fans von lost places: Mitten in Schengen versteckt sich ein verwunschener, verlassener Ort. Im Café Oudill nach der Kegelbahn fragen! 

Sehenswert ist auch das nahe gelegenen „Haff Réimech” mit dem Umweltbildungszentrum Biodiversum. Das stille Naturschutzgebiet in den Moselauen ist zu einer guten Adresse für Birdwatcher geworden.

Nettes Fotomotiv in Apach: Direkt neben der Grenze – an der B419 zwischen den Orten Perl-Maimühle und Apach – steht der Apacher Eiffelturm. Er sieht dem Pariser Original zwar sehr ähnlich, ist aber nur zehn Meter hoch. d

Grenzenlos wandern mit Aussicht

Über den WanderwegTraumschleife Schengen grenzenlos” kann man sich den Geist Europas erwandern. Aussichten ins Moseltal, in Richtung Luxemburg und Lothringen gibt es inklusive. Und am Ufer der Mosel führt der Rundweg „Dreiländerweg” durch die drei Staaten.

Zwar war das Schiff, auf dem die Verträge besiegelt wurden, nur bis 1992 als Ausflugsschiff auf der Mosel unterwegs. Allerdings verkehrt heute der elegante Nach-Nach-Nachfolger der „Princesse Marie-Astrid” zwischen Remich, Grevemacher und Trier. Auch Touren nach Neumagen-Dhron und Bernkastel-Kues stehen auf dem Fahrplan.

Eine der kaum bekannten Sehenswürdigkeiten in Schengen ist der Markusturm. Schon zu Zeiten Napoleons stand der quadratische Wachtturm mit leuchtend rotem Ziegeldach im Markusberg. Er beherbergt eine Ausstellung mit historischen Bildern von Schengen, bietet einen schönen Blick übers Dreiländereck, auch Weinproben sind möglich.

Der Syndicat d’Initiative Schengen öffnet ihn auf Anfrage und bietet auch geführte Wanderungen durch die Weinberge zum Markusturm, mehr Infos unter www.si-schengen.lu