Durch das Gondorfer Schloss von der Leyen führen eine Eisenbahntrasse und eine Bundesstraße. Wie kann das sein und was hat die Politikerin Ursula von der Leyen mit der Anlage an der Mosel zu tun?
In Kobern-Gondorf steht das wohl eigenwilligste Schloss der Bundesrepublik. Stolz erhebt sich die Festung mit der außergewöhnlichen Architektur am Moselufer. „Verkehrstechnisch bestens angebunden”, würde Schloss von der Leyen in Maklerprosa vermutlich angepriesen, denn Autos, Sattelschlepper und Lkw fahren mitten durch das Gebäude. Im Schloss von der Leyen herrscht im Wortsinn 24/7 Durchgangsverkehr. Wie kann das sein?
Die 800 Jahre alte Immobilie, die auch Schloss Gondorf heißt, ist zugleich Prunkstück, Bausünde und die wohl kuriose Touristenattraktion an der Terrassenmosel. Als Gondorfer Oberburg findet sie 1272 erstmals urkundlich Erwähnung. Noch ein Superlativ: Ehemals von Wassergraben umgeben, war sie die erste und einzige Wasserburg an der Mosel.
Burgen sorgten damals für Sicherheit und Macht ihrer Bauherren. Doch als die Wehranlagen wegen der Feuerwaffen an Bedeutung verloren, wurden viele von ihren Besitzern zu repräsentativen Schlössern ausgebaut. So bekam Mitte des 16. Jahrhunderts auch der Stammsitz der Fürsten von der Leyen ein neues Gesicht.
Aus Wasserburg wird Schloss von der Leyen
Die von der Leyens waren damals das mächtigste Adelsgeschlecht in der Region: Sie besaßen reichlich Land und hunderttausende Rebstöcke an der Mosel, gleich mehrere Mitglieder der Familie bestiegen die Erzbischofsstühle zu Trier und Mainz. Nicht dazu zählt übrigens die aktuelle Frau an der Spitze der EU-Kommission. Denn der Ehemann von Ursula von der Leyen hat mit den Moselanern nichts zu tun, er ist ein Nachfahre der Krefelder Seidenweberfamilie Leyen.
Nun bilden Denkmäler oder historische Gebäude immer mal wieder Hindernisse beim Ausbau der Infrastruktur. Tatsächlich lag die Schlossanlage genau auf der Route der 1876 geplanten Eisenbahnlinie durchs Moseltal. Doch die Planer haben nicht lange gefackelt, die Gleise quer über das Gelände gelegt und somit die Schlossanlage in zwei Teile zerschnitten.
Allerdings stand Schloss von der Leyen 1971 schon wieder im Weg. Diesmal bei Bau der Bundesstraße 416 am Ufer entlang. Für eine Ausweichstraße war im engen Moseltal kein Platz, die Straße auf die andere Seite zu legen stellte sich als zu teuer heraus. Um den Abriss dennoch zu verhindern, wurde das Erdgeschoss in zwei Tunneln umfunktioniert. Seitdem können der Autofahrer bequem durch Schloss Gondorf fahren, ohne auf die Bremse treten zu müssen.
Immer wieder fahren Autolenker rechts an, um das Kuriosum abzulichten. Doch das Schloss von der Leyen ist nicht nur ein beliebtes Fotomotiv: Der Gebäudeflügel mit den beiden Tunneln beherbergt heute eine Außenstelle des rheinland-pfälzischen Landeshauptarchivs. Im Gebäudeteil auf der anderen Seite ist ein Weinmuseum voller historischer Gerätschaften untergebracht.
Samstag und sonntags erklären Mitglieder des Kultur und Heimatvereins Gondorf Interessierten, wie der Weinbau an der Mosel funktioniert – eine Probe der Tropfen ortsansässiger Winzer gibt es auf Wunsch inklusive.