Zylinderhaus: Wunderland für Oldtimer-Fans

Im Zylinderhaus in Bernkastel-Kues posieren mehr als 150 Oldtimer und Motorräder in Retro-Kulissen. Auch wer schon immer mal wieder flippern wollte, ist dem Museum richtig. Es ist eine Reise rückwärts durch die Zeit.

Zylinderhaus, Bernkastel-Kues, Museum

Ein Borgward Hansa 1100 Coupe, gebaut um 1958.

Heilig’s Blechle! Im Zylinderhaus braucht man keinen gepimpten DeLorean, um wie im Kultfilm „Zurück in die Zukunft″ durch die vergangenen Jahrzehnte zu reisen.

Wie aus dem Ei gepellt steht dort ein mächtiger Horch 930 V, hier strahlt ein zum Niederknien schöner Karmann Ghia, ein Schlager im Wirtschaftswunder. Ein paar Schritte weiter grüßt ein ziegelroter Manta. Boah ey! Anfang der Siebziger war der schnittige Flitzer ein Traum, doch am Ende ein Witz auf Rädern. Mehr als eine Million brachte Opel unters Volks. Wer sich nach dem Kinofilm noch traute, einen Manta zu fahren, kannte seine wahren Freunde.

Motorräder, Oldtimer, Museum

Zweiräder stehen in einem separaten Bereich.

Alte Autos sind ein faszinierendes Stück Zeitgeschichte. Im Zylinderhaus stehen auf 5.000 Quadratmetern Fläche über 150 Oldtimer zur Schau: Historische Karossen, Traumschlitten, hochglanzpolierte Klassiker aller Größen und Pferdestärken. Gezeigt werden bis auf wenige Ausnahmen Fahrzeuge deutscher Fabrikate aus den 1930er bis 1980er-Jahren. Freunde des rollenden Kulturguts geht das Herz auf, denn Reproduktionen gibt es hier nicht, alle Exponate sind Originale.

Oldtimertreffen im Zylinderhaus

Achtung, Nostalgie-Alarm! In der Adolf-Kolpingstraße 2 wird die gute alte Zeit heraufbeschworen. Zwar erinnert die Backsteinfassade an eine Fabrikhalle aus der kaiserlichen Zeit. Doch tatsächlich ist das Zylinderhaus nagelneu. Denn die Leidenschaft von Besitzer und Auto-Narr Bernd Benninghoven reichte soweit, ein eigenes Gebäude für seine Sammlung der Sonderklasse ans Kueser Moselufer zu setzen. Es ist eine gigantische, schicke Garage und Pilgerort für Menschen mit Benzin im Blut.

Borgward Isabella Cabriolet, Zylinderhaus, Bernkastel-Kues

Traumauto aus Bremen: Das Borgward Isabella Cabriolet.

Schon auf dem Parkplatz gehen Oldtimer-Fans die Augen über, wenn Porsche oder VW-Käfer Seite an Seite mit kultigen Karren der 1970er-Jahre stehen. Die Liebe zum Blech auf vier Rädern zieht stolze Besitzer alter Schätzchen in Scharen an.

Seit der Eröffnung 2017 hat sich das Zylinderhaus zur Begegnungsstätte für Gleichgesinnte entwickelt. Als Treffpunkt für Fachsimpelei oder die gemeinsame Ausfahrt von Autoclubs. Auf dem Veranstaltungskalender stehen Events wie die Oldtimer-Rallye oder Internationale Monza-Treffen. Der erste Freitag im Monat ist ein Sahne-Tag für Fans von Benzin-Gesprächen: Zur markenoffenen Kues Cruise Night rollen über 100 Fahrzeuge auf den Hof.

Falcos Käfer im Zylinderhaus

Zylinderhaus, Eingangshalle

Oldtimer im Eingangsbereich.

Betritt man das Zylinderhaus, rasen die Jahre vorbei. Das Nostalgie & Oldtimer Erlebnismuseum dreht den Tacho weit zurück in die Zeit, als es weder Anschnallgurte noch Einpark-Piepser gab. Als man beim Motorstart den Choke zog und „Drück das Knöpfchen″ ein ganz normaler Satz war. Anlasser wurden mit Hammer repariert, ums Tanken kümmerte sich ein freundlicher Tankwart.

So trifft man zum Beispiel auf den Mercedes 170 H von 1936, den ersten Käfer noch vor VW. Auch das Wiedersehen mit dem Mercedes-Benz 300 macht Freude. Weil der erste Bundeskanzler die noble Limousine als Dienstwagen wählte, ging sie als Adenauer-Mercedes ins automobile Geschichtsbuch ein. 1951 feierte er auf der IAA in Frankfurt/Main seine Premiere.

Der gezeigte Porsche 356 B lief nur von Herbst 1959 bis zum Sommer 1961 vom Band und ist bis heute von allen Seiten eine echte Schau. Das Cabriolet gehört zu den beliebtesten Sportwagen-Klassikern überhaupt. Der Feuerwehrwagen, Baujahr 1958, bringt Lokalkolorit in Sammlung. Denn bevor er seinen Platz im Zylinderhaus fand, war der Opel Blitz in Kues im Einsatz. 

Zylinderhaus, Bernkastel, Steyer

Ein Steyer

Den schwarzen VW Käfer hat der Museumsgründer für stolze 55.000 Euro aus Österreich an die Mosel geholt. Innen mit beigefarbenem Leder, Baujahr 1977, 44 PS. Viele Fans von Popstar Falco (1957 – 1989) haben das Cabrio schon gesehen, ohne es zu wissen: Es hatte einen Auftritt im Videoclip „Coming Home – Jeanny Part 2″. Dieses Detail macht den Oldtimer so interessant und wertvoll.

Oldtimer mit Seltenheitswert

Unternehmer Bernd Benninghoven, der schon als Schöpfer des Benarrow PB 5-Sportcoupés aufhorchen ließ, präsentiert in seinem Zylinderhaus einige Raritäten, die man zuvor wohl noch nirgendwo zu sehen bekam. Schmuckstücke wie der DKW Monza sind darunter – immerhin wurden von dem ersten Kunststoffcoupé in den 50ern-Jahren nur rund 200 Exemplare gebaut.

Schon im Erdgeschoss empfängt ein Audi Typ M 18 von 1928 die Besucher und Besucherinnen. Einer von nur noch drei existierenden, wohlgemerkt. Von dem gezeigten Audi 225 Front Luxus Cabriolet mit einer bildschönen Karosserie von Gläser (1937) sind noch sechs Stück bekannt.

Zylinderhaus, Bernkastel, Museum, Horch

Prachtexemplare unter der Marke Auto Union.

Die Klassiker können aus nächster Nähe unter die Lupe genommen werden. Lästige Absperrungen gibt es nicht. Neben den großen sind im Zylinderhaus aber auch eine Reihe von Marken vertreten, die kaum noch jemand kennt. Wem aus der jüngeren Generation sagen noch Namen wie Zündapp oder Juno etwas? Oder wer weiß etwas mit dem Gutbrod Superior 600 anzufangen? Auch Liebhaber längst untergegangener oder in anderen Konzernen aufgegangene Marken werden im Zylinderhaus werden fündig.

August Horch im Zylinderhaus

Das älteste Fahrzeug im Museum ist ein DIXI 3/15 PS Typ DA 1 von 1928 – schon ein gutes Jahr später wurde die Eisenacher Firma von BMW übernommen. Und wie war das noch mit den Gründermarken, an die vier ineinander verschlungenen Ringe erinnern? Mit dem luxuriösen Horch 8-Zylinder zeigt das Zylinderhaus ein Spitzenprodukt der Auto Union der 1930er-Jahre.

Wanderer W 24, Zylinderhaus, Oldtimer, Museum

Der Wanderer W 24 wurde von 1937 bis1940 gebaut.

Viele wissen nicht, dass der Maschinenbauingenieur August Horch (1868–1951) in Winningen an der Mosel geboren ist, da er seine Autos in Zwickau baute. 1909 gründete der Auto-Pionier, der selbst nie einen Führerschein besaß, ein neues Automobilbauunternehmen. Da er seinen eigenen Namen aus rechtlichen Gründen nicht verwenden durfte, wählte man als Alternative die Lateinische Übersetzung: Aus „horch, höre” wurde Audi.

Dass die Automarke DeLorean heute Kult ist, liegt vor allem an dem Streifen „Zurück in die Zukunft”. Doch filmreife Automobilgeschichte wird auch im Zylinderhaus erzählt. Zum Beispiel den Weg der Auto-Union zur Marke Audi. Spannend wie ein Krimi ist das.

DKW-Roadster, Zylinderhaus, Automuseum

Ein DKW F4 Ihle Roadster. Man beachte die Nieren am Kühlergrill. Ihle baute auch für BMW.

Mindestens ebenso interessant: Das Wirken von Carl Borgward, dem Automobil-Mogul, der in seinem Firmen-Imperium an der Weser die Marken Hansa, Goliath, Borgward und Lloyd unter seinen Fittichen hatte.

Zwischenstopp im Restaurant

Nach gut zwei Stunden hat man längst noch nicht alles entdeckt. Sogar im Fahrstuhl findet sich mit einer optischen Täuschung und einer Zitatesammlung rund ums Automobil Originelles.

Zylinderhaus, Bernkastel, Aufzug

Optische Täuschung im Aufzug

Dem Museum angeschlossen ist ein Restaurant – mit Biergarten und original Wiener Schnitzel auf der Speisekarte. Es bietet sich an für einen Zwischenstopp, um danach eine weitere Runde durch die Ausstellung zu drehen. Fotografieren ist erlaubt.

Ein beliebtes Motiv ist die attraktiv in Szene gesetzte Schrottplatz-Idylle. Hinter Absperrband parkt ein alter Dienstwagen der bayerischen Polizei – dem Originalen mit Folie nachempfunden. Ein solcher 5er BMW mit dem gleichen Kennzeichen erschien im Krimi Derrick, in dem nie der Satz „Harry, hol schon mal den Wagen” fiel.

Oldtimer-Museum, Bernkastel, Schrottplatz

Schrottplatz-Idylle

Im Bereich nebenan erinnert ein Campingplatz daran, wie es war, in den Ferien durch die Lande zu sausen. Zumindest, wenn man alt genug dafür ist, sich an die Zeit der BMW Isettas mit Wohnanhängern oder VW Bullis oder zu erinnern.

Italien wurde Ende der 50er-Jahre zum beliebten Urlaubsland. Mit bescheidenen 25 PS tuckerte man über den Brenner, du lieber Himmel. Hauptsache war, sicher und trocken an sein Ziel zu kommen. Und nicht wann.

Zylinderhaus zeigt den Zeitgeist

Zwischen polierten Karossen und spiegelndem Chrom gibt es die volle Dröhnung Lebensgefühl, denn das Zylinderhaus versteht sich nicht als eine reine Auto-Sammlung. Die Macher wollen auch den Zeitgeist und Alltag der Menschen zu zeigen, als die ausgestellten Oldtimer und Motorräder über die Straßen rollten.

So begegnen Kinder der 60er, 70er und 80er-Jahre auch ein paar alten Bekannten, mit den sie aufgewachsen sind. Zum Beispiel Karin Sommer, die der Hausfrau verkündet, dass ihr Kaffee nichts taugt. Oder der patenten Klementine, die selbst Buntes strahlend weiß wusch. Man hört immer wieder ein überraschtes „Das kenne ich noch von früher!“

Von hohem Wiedererkennungswert ist auch die Stimme von Egon Hoegens, die aus einem Röhrenfernseher tönt. Der Verkehrserzieher der Nation in den 70er-Jahren warnt vor den Gefahren durch Frauen, die sich lieber schminken, anstatt auf den Verkehr zu achten. Ach du liebes bisschen. Der Der 7. Sinn war keine Satire-Sendung.

Flipper und Ladenzeile wie Anno dazumal

Ein Highlight ist für viele die kleine Spielhalle mit Flipper-Automaten. Einst waren sie allgegenwärtig. Wer in den Siebzigern das nötige Kleingeld hatte, stellte sich sogar eine der Spaßmaschinen in die Kellerbar. Dann wurden die Flipper von Asteroids oder Pac-Man verdrängt und nach und nach aus den Kneipen, Cafés oder Waschsalons verbannt.

Im Zylinderhaus rasen die Kugeln noch über die Tische – selbst spielen ist ausdrücklich erlaubt. Es ist ein einziges Geblinke und Gepinge und großer Spaß, auch für die, die nicht mit dem lärmenden Klassikern aufgewachsenen sind.

Prinz, Oldtimer

Ein feuerroter Prinz.

Doch in unserem Alltag ist noch viel mehr verschwunden, das im Zylinderhaus nun wieder auftaucht. Etwa der gute alte Tante Emma Laden, in dem noch eine Waage auf dem Verkaufstresen steht oder das Elektro-Radiogeschäft, dessen Eingangstür vom ehemaligen Haushaltswarengeschäft Dümmler in Wittlich stammt: Ein Bummel durch die nachgebaute Ladenzeile im Erdgeschoss ist eine Reise rückwärts in der Zeit.

Fahrradwerkstatt, Dorfapotheke, Kaffeerösterei. Alles garniert mit originalen Requisiten. Da erinnert etwa die Auslage der Fahrschule an das Freiheitsversprechen in Form eines grauen Lappen. Unvergessen: Mechanische Schreibmaschinen, die keinen Fehler verzeihen. Kaum ist man an der Aral-Tankstelle vorbei geschlendert, trifft man auf den gelben VW Fridolin der Deutschen Bundespost.

Am Straßenrand parken die Kleinwagen des Wirtschaftswunders, Goggomobile und Prinz. Man kann sich wie Marty McFly in „Zurück in die Zukunft” verlieren in Raum und Zeit. Nur diesen Schwebezustand, wie der DeLorean hat keines dieser Autos je geschafft. 

 

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Zylinderhaus: Eintrittspreise, Öffnungszeiten

Adresse: Zylinderhaus, Adolf-Kolping-Straße 2, 54470 Bernkastel-Kues. 
Öffnungszeiten: Di – Sa 10 – 18 Uhr, So 10 – 17 Uhr. 
Eintritt: 15 €. Kinder von 6 bis 12 Jahren: 8 €, unter 6 Jahren frei. Hunde sind nicht erlaubt.
Barrierefreiheit: Auch für Rollstuhlfahrer sind alle Etagen uneingeschränkt erreichbar. Behindertenparkplätze direkt vor dem Eingang.
Hunde sind nicht erlaubt.
Restaurant: geöffnet Dienstag – Sonntag,  11.30 – 22.30 Uhr. Tel.: 06531 9721910.