Wer lüftet das Geheimnis der Matthiaskapelle?

Einst ließ ein Ritter zwei stolze Burgen über Kobern-Gondorf errichten. Die Ruinen sind heute ein schönes Ausflugsziel. Doch das Glanzlicht des Ensembles ist die magische Matthiaskapelle – eine der originellsten Sehenswürdigkeiten an der Mosel.

Matthiaskapelle, Kobern-Gondorf

Die Matthiaskapelle neben der Oberburg

Man kommt gemütlich mit dem Auto hoch. Viel schöner aber ist der etwa halbstündige Aufstieg über einen Serpentinenpfad. Denn ein uralter Kreuzweg schlängelt sich durch den Koberner Schlossberg hinauf zur Oberburg mit der benachbarten Matthiaskapelle.

Man muss nicht gläubig sein, um dieses kleine Gotteshaus über Kobern als einen inspirierenden Ort zu empfinden. Denn der ungewöhnliche Bau tanzt in vielerlei Hinsicht aus der Reihe: Mit seiner Geschichte, der ungewöhnlichen Architektur und einem Innenleben, das weit und breit seinesgleichen sucht. Wer den sechseckigen Raum betritt, lässt einfach ganz in Ruhe die Ausstattung des gut 800 Jahre alten Sakralbaus auf sich wirken. Denn dieses spätromanische Juwel hat ein nahezu mystisches Flair.

Geheimnis in der Matthiaskapelle

Im Laufe der Jahrhunderte immer wieder erneuert und behutsam restauriert, leuchtet der Raum in kräftigen Farben. Erfüllt von stimmungsvollem Licht, das durch den 14 Meter hohen Turm einfällt. Da ist der bunte Mosaikboden, in dem manche sogar ein mysteriöses Zahlengeheimnis vermuten. 

Matthiaskapelle, Kobern-Gondorf

Das reiche Innenleben der Matthiaskapelle

Elegante Fenster mit Kleeblattbogenarkaden, ein Sandsteinrelief und meisterliche frühgotischen Säulen sind zu sehen. Und überall Verzierungen vom Feinsten. Beim achtsamen Betrachten fällt auf, dass die Konsolen der schwarzen Säulen die Symbole der vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes tragen.

Auffällig ist, dass einige Kapitelle seltsame Fratzen zeigen. Sollen sie die sakrale Stimmung konterkarieren? Man weiß es nicht. Aber auch Ornamente und Knospenkapitelle, Tiere oder ein Medusenhaupt sind zu erkennen. Kein Motiv wiederholt sich.

Feine Architektur neben der Oberburg

Eine solche orientalisch anmutende und zugleich rätselhafte Architektur ist weit mehr als nur ein Stein auf dem anderen. Die Schönheit der Matthiaskapelle ist purer Genuss.

Aber warum gibt es ein derart ungewöhnliches Kleinod in Kobern-Gondorf überhaupt?

Die Geschichte des winzigen Gotteshauses reicht bis in die Jahre um 1220 bis 1240 zurück. Man sagt, der Kreuzritter Heinrich II. von Isenburg-Kobern habe das Haupt des Apostels Matthias aus der ägyptischen Hafenstadt Damiette mit zurück nach Hause an die Mosel gebracht.

Matthiaskapelle, Kobern

Blick von der Niederburg auf die Matthiaskapelle

Es heißt, deshalb sei auf dem Areal der Vater-Burg die Kapelle als standesgemäßer Aufbewahrungsort für die kostbare Reliquie errichtet worden. Dabei wurde vermutlich der Chor von einem nicht vollendeten Vorgängerbau übernommen.

Vielleicht hat der Bauherr die Reliquien- und spätere Wallfahrtskapelle nach dem Vorbild der Grabeskirche in Jerusalem gestalten lassen. Oder hatte er vielleicht die portugiesische Kapelle von Tomar im Sinn? Auch das bleibt im Vagen. Optisch erinnert das Bauwerk jedenfalls daran. Tatsächlich lässt sich der hierzulande untypische Baustil mit Kirchen in Spanien, Portugal oder dem Heiligen Land vergleichen.

Reliquie kommt nach Trier

Allerdings blieb die Reliquie ohnehin nur etwa 130 Jahre lang in der Kapelle in Kobern. Kirchengeschichtlich ein Wimperschlag. Dann wurde sie zur Burg Sayn und später nach Hachenburg gebracht. Von dort kam sie zur Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz und gelangte um 1420 in den Trierer Domschatz. 

Nach einer langen Odyssee wurde der Kopf im Jahr 1927 in die Benediktinerabtei St. Matthias in Trier überführt, wo er bis heute im einzigen Apostelgrab auf deutschem Boden ruht. Wer die nahezu unglaubliche Geschichte nicht kennt: Tatsächlich war die Abtei schon lange zuvor im Besitz der restlichen Gebeine von Matthias, hatte sie aber vorübergehend „verlegt” (mehr dazu steht hier). 

Niederburg, Kobern-Gondorf, Mosel

Blick auf die Ruine der Niederburg.

Und so wäre die Matthiaskapelle nach dem Tod des Eremiten, der sie jahrelang bewachte, vermutlich zur Ruine verfallen. Doch ihre wundervolle Architektur blieb erhalten – Dank der Preußen. Tatsächlich hat sich Friedrich Wilhelm IV. persönlich im 19. Jahrhundert bei einem Besuch an der Mosel ihrer angenommen. Wahrscheinlich erkannte er die Kostbarkeit gleich auf den ersten Blick.

Jedenfalls beauftragte der spätere König den Koblenzer Architekten und Denkmalpfleger Johann Claudius Lassaulx, den wohl interessantesten Sakralbau weit und breit zu restaurieren.

Heute kümmert sich die Matthias-Bruderschaft um den Erhalt des kleinen Gotteshauses. Es zählt zu den kunsthistorisch bedeutendsten spätromanischen Kapellen in Rheinland-Pfalz. Kein Wunder, verbindet es doch die Architektur aus dem 13. Jahrhundert mit den Bemühungen 600 Jahre später, mittelalterliche Bauwerke in der Rheinprovinz zu erhalten. 

Heiraten in der Matthiaskapelle

Kenner schwärmen von der Matthiaskapelle, die leider nur zwischen Ostern und Allerheiligen an Sonn- und Feiertagen besichtigt werden kann. Doch neben Gottesdiensten wird die Matthiaskapelle für kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte oder kirchliche Trauungen genutzt.

Und auch die schöne Umgebung lohnt den Besuch. Denn als einziger vollständig erhaltener Teil eines Ensembles steht die Matthiaskapelle dennoch nicht allein auf dem Plateau.

Niederburg, Kobern-Gondorf, Matthiaskapelle

Die Ruine der Niederburg in Kobern-Gondorf

Gleich nebenan streckt sich der restaurierte Bergfried der ehemaligen Oberburg in die Höhe. Doch das Interessante daran ist vor allem das angrenzende Restaurant, wo man schön im Biergarten sitzen kann. Sehr viel ist von der Oberburg nicht übriggeblieben.

Wohnburg der Ritter von Kobern

Einst lebte und herrschte dort Gerlach I. von Kobern-Isenburg, Heinrichs Opa, der mächtigste Mann weit und breit. Immerhin hatte seine Frau, die Erb-Tochter eines alten Koberner Rittergeschlechts, nicht nur Geld, Prestige und das Gemäuer mit in die Ehe gebracht. Als Burgherr unterstand er fortan nur noch dem König. Sein Erkennungszeichen war der Reichsadler im Wappenschild, das heute noch das Wappen der Gemeinde ziert. 

Natürlich war seine Herrschaft über Kobern dem Kurfürsten von Trier ein Dorn im Auge, denn Kobern lag mitten in dessen Territorium zwischen Koblenz und Trier. Deshalb rechnete der Ritter damit, dass dessen Truppen ihn früher oder später wohl angreifen würden. Deshalb rüstete er zunächst er die Oberburg auf.

Niederburg, Kobern, Kreuzweg

Der Kreuzweg zur Niederburg

Weil sie ihm aber wohl zu mickrig und für die Verteidigung veraltet erschien, ließ er etwa hundert Meter tiefer im Weinberg um 1190 die Niederburg auf dem neusten Stand der Burgentechnik errichten. Uneinnehmbar sollte sie sein. Und tatsächlich – gut zwei Jahre lang belagerten die Männer von Erzbischof Johann I. die Niederburg vergeblich. Immer wieder nahmen sie Anlauf, jedoch ohne den entscheiden Treffer zu landen. 

Kurfürst trickst Gerlach aus

Aber schließlich gelang es dem Konkurrenten doch mit einem Trick, Gerlach I. aus seiner verrammelten Burg zu locken. Das war das Ende seiner Macht. Denn eingekerkert bei Wasser und Brot im düsteren Turm, gab der gedemütigte Ritter klein bei. 

Zwar bekam er die Ober- und die Niederburg im Jahr 1195 tatsächlich zurück. Doch nun war der Kurfürst der Chef der Koberner Ritter. Aus dem stolzen Herrscher wurde ab sofort der Lehensmann der Burgen. So lief das damals. Bis zu Aussterben der Linie im 14. Jh. hat sich der Status nicht mehr verändert.

Die Erben verkauften beide Burgen an den Trierer Erzbischof Balduin von Luxemburg. Ein paar hundert Jahre später, im Pfälzischen Erbfolgekrieg, sprengten französische Truppen dann sowieso alles in die Luft.

Niederburg, Kobern-Gondorf

Blick vom Kreuzweg auf die Niederburg

Kreuzweg zur Niederburg

Über einen alten Pfad mit Kreuzweg-Stationen sind die Reste der Oberburg und die Matthiaskapelle bis heute mit der Ruine der tiefer liegenden Niederburg verbunden. Gut zehn Minuten braucht man von einem Ort zum anderen und etwa zwanzig Minuten wieder bergauf zurück. 

Gelegentlich wird dieser lauschige Pfad tatsächlich noch von Besuchern und Besucherinnen im ursprünglichen Sinne genutzt. Doch die meisten beschreiten ihn, um in den Resten der Niederburg herumzuturnen. Geblieben sind zwar nur der Bergfried, einige Mauerreste und Nischen, durch die man raus gucken kann.

Doch von hier aus bietet sich eine nette Aussicht auf die Mosel und Weinberge im Tal. Und natürlich auf die schöne Matthiaskapelle oben auf dem Berg.

Niederburg, Kobern-Gondorf

Aussicht von der Niederburg aufs Tal

Infos für den Besuch

Adresse: Matthiaskapelle, 56330 Kobern-Gondorf. Betreuung durch die St. Matthias-Bruderschaft Kobern-Gondorf, www.smb-kobern-gondorf.com

Öffnungszeiten: An Sonn- und Feiertagen zwischen Ostern und 1. November, 11 bis 17 Uhr. Führungen: April bis Oktober, ca. 45 Minuten, jeweils am letzten Sonntag im Monat um 15 Uhr oder nach Absprache.
Kontakt: Generaldirektion Kulturelles Erbe RLP, Tel. 0261/6675-40 00 oder Tourist-Information, Tel. 02607/1055.

Anfahrt: Matthiaskapelle und Oberburg können von der Mosel aus mit dem Auto durch das Mühlental (an der Alten Mühle Höreth vorbei) angefahren werden. Der Weg ist ausgeschildert. Als Zufahrt dient allerdings ein recht steiles und schmales Sträßchen.

Parkplätze: Unterhalb der Kapelle.

Sehenswertes bei der Matthiaskapelle

Interesse an einer echten Rittergeschichte? Bei Führungen durch Kobern-Gondorf geht’s auch zum sogenannten Rittersaal. Dabei handelt es sich um ein gotisches, fast 600 Jahre altes Gebäude, verziert mit Wandgemälden aus der hochmittelalterlichen Geschichte Koberns.

Dort wird auch vom Aufstieg und Fall der Koberner Ritter, der Bauherren der Matthiaskapelle, und ihren Burgen erzählt. Info: Tourist-Büro Kobern-Gondorf, Tel. 02607/1055

Wandern. Zwei schöne Wandertouren führen entlang der Matthiaskapelle. Zum einen der 17 Kilometer lange Traumpfad „Koberner Burgpfad”, dessen Startpunkt am Pfarrhaus am Mühlengraben 27 in Kobern liegt. Zum anderen der 7,4 Kilometer lange Tatzelwurmweg. Er nimmt am Brunnen am Marktplatz seinen Lauf. Parkmöglichkeit ab Lennigstraße 45, Kreuzung Lennigstr. / Lubentiusstr. oder am Moselvorgelände.

Interessante Kirche in der Nähe: Mit immerhin über 1000 Jahren gehört die Alte St. Michaelskirche in Alken zu den ältesten Kirchen an der Mosel. Zwar kann das Innere mit seinen mittelalterlichen Malereien nur an Sonntagen während der Saison (wie auch die Matthiaskapelle) besichtigt werden. Doch schon das jederzeit zugängliche Drumherum lohnt der Besuch. Etwa der angrenzende Friedhof mit den jahrhundertealten Basaltgrabkreuzen. Und durch ein Eisengitter erhält man Einblick in das Gebeinhaus unter der Kirchen.

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