Diese Trümpfe hält Piesport in der Hand

Piesport punktet mit der Moselloreley, Aussicht und einem 3 Sterne-Restaurant. Beim Pferdefestival schießt der Ort outfitmäßig aus allen Wunderlichkeitenkanonen. Was gibt es noch?

Thomas Schanz, Restaurant, drei Sterne

Thomas Schanz grüßt an allen Ortseingängen.

Er vergibt Sterne und lässt sie verglühen – seit über 100 Jahren weist der französische Reifenhersteller Michelin den Weg zu den besten Hotels und Restaurants. Denn nur wer viel fährt, braucht auch öfter neue Reifen. Kochvirtuose Thomas Schanz macht Gourmets die Reise nach Piesport schmackhaft.

Wer schon einen einzigen Michelin-Stern bekommt, gehört zu den besten seiner Zunft. Doch der Küchenchef ist einer von nur zehn Männern in Deutschland, die so außergewöhnlich gut kochen können, dass der „Guide Michelin” sein Restaurant in der Bahnhofstraße mit drei Sternen würdigt. Das ist die höchste kulinarische Weihe. Derzeit gibt es nur 140 davon – weltweit.

Feinschmecker-Magnet Piesport

Luxusprodukte kommen im schanz.restaurant als Tellergemälde daher. Auf der Speisekarte stehen „Arktischer schwarzer Seehecht mit Tannenwipfel” oder „Rehrücken mit Topinambur, schwarzer Arágon-Olive und Zitronenmyrte-Jus”. Schon legendär ist das Trüffel-Ei in der goldenen Schale.

Man könnte meinen, Lucius Licinius Lucullus (um 117 bis 57 v. Chr.) hätte das Menü komponiert. Als großzügiger Gastgeber hat sich der römische Senator und Feldherr lange vor unserer Zeit einen Namen gemacht. 

Piesporter Goldtröpfchen, Wanderweg

Ja, wo laufen sie denn? Durch die Weinlage Piesporter Goldtröpfchen.

Die Römer waren es, die das süße Leben an die Mosel brachten. Nicht nur Weinbau und Baukunst machten die Besatzer unvergesslich. Aus dem ganzen Imperium verschifften sie edle Speisen in die Region. Wer das nötige Kleingeld hatte, genoss Austern aus dem Mittelmeer, Datteln aus Arabien oder novelum piper, neuen Pfeffer, aus dem fernen Indien. Gefundene Warenetikette aus Blei zeugen davon.

Diatretglas von Niederemmel

Nicht von ungefähr hat das bekannte Bild der sich biegenden Tische seinen Ursprung in der Römerzeit. Die Oberschicht war verrückt nach feinen Genüssen. Aber auch Kunstwerke aller Art gehörten für betuchte Römer zu einem luxuriösen Leben dazu. Wie zum Beispiel das Diatretglas, das bis in die 1950ger Jahre in einem von drei Sarkophagen im Piesporter Ortsteil Niederemmel lag.

Das außerordentlich gut erhaltene Fundstück war mehr als ein Gebrauchsgegenstand, gehört es doch zu den prunkvollsten Erzeugnissen antiker Glasmacherkunst. Schon im 4. Jahrhunderts n. Christus musste der Besitzer dafür wohl ein Vermögen hinblättern.

Niederemmel. Piesport, Mosel

Der Piesporter Ortsteil Niederemmel.

Zwar können die tonnenschweren Särge im Garten der Allerheiligenkapelle am Karthäuserplatz besichtigt werden. Die Kostbarkeiten verwahrt allerdings das Rheinische Landesmuseums Trier.

Darunter auch die sogenannte Kaiserfibel, die vermutlich das Gewand eines höheren Hofbeamten über der Schulter zusammenhielt. Diese goldene Spange war Schmuckstück und Auszeichnung zugleich, denn Kaiser Konstantin hat sie zum Jubiläums seines zehnten Herrschaftsjahres 315-316 längst nicht an jeden verschenkt.

Oberhalb der Bahnhofstraße, Ecke Karthäuserstraße steht immerhin die Replik eines römischen Leugensteins, der an der Römerstraße im Jahre 213 errichtet wurde.

Römische Kelter am Goldtröpfchen

Unter römischer Herrschaft schlug an der Mosel endgültig die Stunde des Weins. Er wurde überall und zu jeder Tageszeit getrunken. Allerdings mischte man ihm Wasser, Gewürze und allerlei Merkwürdigkeiten bei. Kalk zum Beispiel, um die Säure zu mildern. Die Sache mit der Gärung hatten die Römer noch nicht im Griff.

Weinschiff, Galeere, Mosel

Das römische Weinschiff fährt an Piesport vorbei.

Wie das schmeckte, können wir nicht wissen. Aber dass schon die Römer die allerbesten Hänge dafür nutzten, lässt sich in Piesport sehen: Keine gezielte Grabung, sondern die Flurbereinigung brachte eine römische Kelteranlage aus dem 4. Jahrhundert an der heutigen Spitzenlage Piesporter Goldtröpfchen ans Licht. Sie gilt als die größte nördlich der Alpen – bis zu 130 Arbeiter waren an sechs Becken mit dem Pressen der Trauben beschäftigt. Vermutlich diente sie wohl vor allem der Versorgung der Residenzstadt Trier.

Schon seit 1337 schenkt in der Nachbarschaft das Weingut Reinhold Haart reinen Weinen ein. Gleich um die Ecke von Schanz Restaurant hat der portugiesische Weinmacher Dirk van der Niepoort mit Philipp Kettern ein Mosel-Projekt namens Fio Weine gestartet. Ein paar Straßen weiter macht Winzer Julian Haart auf seine eleganten Rieslinge aufmerksam.

Doch in der römische Kelteranlage werden zu speziellen Gelegenheiten Trauben wie damals barfuß gepresst. Wie das funktioniert, kann man sich bei einer Führung beim Kellerfest Anfang Oktober erklären lassen.

Keine Pferde beim Pferdefestival

Pferdefestival, Piesport, Mosel

Merkwürdige Outfits gehören zum Pferdefestival dazu.

Outfitmäßig schießt das Pferdefestival aus allen Wunderlichkeitenkanonen, das immer im August um die 2000 kunge Menschen auf die Höhen zwischen Piesport und Klausen lockt. Allerdings stehen bei dem Open-Air-Event keine Reitturniere auf dem Programm, sondern Kleinkunst, Spaß und Musik. Außerdem kleiden sich die Pferdepunks möglichst verrückt. Ein Hauch von „Burning Man” an der lieblichen Mosel.

Piesport mit Moselbogen

Oberhalb der Piesporter Moselbrücke brettern Wasserskiläufer über den Fluss, Wagemutige erkunden beim Drachenfliegen die Landschaft, andere lassen sich gemütlich bei einer Schiffahrt über die Mosel tragen. Eine Besonderheit ist die Tour mit römischen Weinschiff ab Neumagen-Dhron. ZUM WEITERLESEN: Mosel-Fahrt wie die Römer»

Aber die meisten, die herkommen, sind mit wandern beschäftigt. Wie Ameisen laufen sie vom Startpunkt am Wanderparkplatz „Piesporter Heiligenhäuschen” über den Panoramaweg. Ihr Ziel: Aussichtspunkte wie der „Große Moselblick” an der Moselpanoramstraße, die oberhalb von Piesport in Richtung Klausen verläuft.

Alt-Piesport, Ferres, Mosel

Alt-Piesport mit der Brücke und Ferres.

Wie für einen Riesen gebaut sieht die überdimensionierte Baumelbank in den Weinbergen aus. Das Riesending lädt ein, nach dem Aufstieg den Blick über die Landschaft zu genießen. Von der Brücke in Piesport ist das besondere Möbelstück zu Fuß in einer guten halben Stunde zu erreichen.

Die Faulen schrauben sich mit dem Auto über die Serpentinenstraße L 50 durch den Piesporter Berg, um dieses 180 Grad-Panorama der Extraklasse zu genießen. Denn nur hier schreibt der Fluss ein fünf Kilometer langes U in die Landschaft. Am Ufern steigen die Weinberge wie Ränge eines überdimensionalen Theaters auf. Schon der römische Dichter Ausonius hat diesen konkaven Bergrücken im Moseltal in seiner Mosella besungen.

Auf der Piesporter Höhe angekommen, lässt man sich die klare Luft um die Nase wehen und den Blick über den großen Moselbogen schweifen. Unten im Tal sind die Häuser von Alt-Piesport und die Dächer von Ferres zu sehen, am gegenüberliegenden Ufer breitet sich Niederemmel mit den Ortschaften Emmel, Reinsport und Müstert aus. Bis zum Erbeskopf, der höchsten Erhebung im Hunsrück, reicht die Sicht.

Moselloreley und die Erzlay

Piesport, Moselloreley, Aussicht

Das Felsmassiv Moselloreley (rechts)

Linker Hand schiebt sich die Moselloreley ins Bild – fast senkrecht ragt das Gestein 85 Meter aus der Mosel. Zwar kann das Felsmassiv in Sachen Bekanntheit sicherlich nicht der großen Schwester am Rhein das Wasser reichen. Dafür beherbergt sie mit der Erzlay den einzigen Weinberg in Deutschland auf dem Festland, der nur per Boot erreichbar ist.

Tatsächlich ist zwischen Hang und Fluss nicht mal Platz für einen Fußweg. Auch für Wanderer, die von Koblenz bis Perl immer am Ufer entlang laufen können, ist dort Schluss. Wenn der Leiwener Sektproduzent Klaus Herres mit seinem Team zu den rund 700 Rieslingstöcken übersetzt, sammeln sich Menschentrauben am Ufer. Sogar die Lese ist in Piesport ein Erlebnis.

In den 1930er-Jahren wurde in dem Felsen Erz abgebaut. Heute sind die Stollen mit Gittern gesichert, damit Fledermäuse ihre Ruhe haben, und von den Betriebsgebäuden blieben nur Reste zurück. Dennoch werden viele das Bergwerk aus dem Fernsehen kennen. Denn Edgar Reitz hat dort einige Szenen für sein Opus „Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht” gedreht. Sieben Piesporter und Piesporterinnen standen als Statisten vor der Kamera.

Erzlay, Herres

Ohne Boot erreicht man die Erzlay nicht.

Straußwirtschaft mit Moselblick

Gedreht wurde auch am gegenüberliegenden Ufer. Einige Straußwirtschaften, Weinhöfe und Cafés werben mit dem besonderen Blick. Etwa der Gasthof Moselloreley, Baujahr 1767, der selbst ein Hingucker ist. Vor der Straußwirtschaft Moselgarten des Weinguts Lehnert-Veit parken Fahrräder dicht an dicht, denn der Moselradweg führt direkt am Anwesen vorbei.

Auch die Terrasse des Weinguts Karthäuserhof zieht Ausflügler an. Das Haus im Barockstil wurde 1742 als Teil des klösterlichen Gutshofes der Karthäuser erbaut. Zu den baulichen Sehenswürdigkeiten im Ort zählt auch der Klausener Klosterhof am gegenüberliegenden Ausoniusufer 6 – 8. Seit 1613 steht er da. Man beachte das klassizistischen Portal mit Pieta von 1530.

Piesport – Keimzelle des Rieslings

Die alte Klosterhöfe zeugen von der Zeit, in der niemand, der auf sich hielt, auf die guten Piesporter Lagen verzichten wollten.

Tatsächlich ist Piesport nicht nur die größte Weinbaugemeinde am Fluss, sondern auch der erste Moselort, der ganz auf den Anbau von Riesling setze. Denn schon 24 Jahre bevor Kurfürst Clemens Wenzeslaus den Rieslinganbau für die ganze Mosel befahl, setzte der Piesporter Pastor Johannes Hau im Jahr 1763 durch, zukünftig nur noch Riesling anzupflanzen. Deshalb galt die Bezeichnung „Piesporter” lange als Synonym für Moselriesling.

Botschaft im Piesporter Himmel

Ihrem Pfarrer Rau haben die Piesporter auch die spätbarocke St. Michaelskirche (1776/1777) zu verdanken. Es wäre schade, wieder zu fahren ohne einen Blick in die Kirche geworfen zu haben. Wer das Gotteshaus betritt, richtet den Blick sofort auf die monumentalen Deckengemälde, die das ganze Gewölbe füllen. Piesporter Himmel werden sie genannt.

Piesporter Himmel, St Michael-Kirche, Piesport

Es fällt kein Regen vom Piesporter Himmel.

Wer genau hinsieht, kann Erstaunliches entdecken: In einer Szene hat sich der Maler Johann Peter Weber mit einem Selbstporträt verewigt. Aber der Künstler hat noch eine Botschaft versteckt. Weil es angeblich Ärger wegen der Bezahlung gab, hat Weber dem Teufel die Gesichtszüge des Pfarrers Johannes Hau gemalt und im Gestein der Hölle die Initialen „JH” verewigt.

Vom Eingang her betrachtet liegt Luzifer scheinbar auf dem Rücken. Doch vom Altarraum aus gesehen schaut er mit herausgestreckter, doppelter Zunge auf den Pfarrer am Hochaltar. Mit diesem Wissen hat man einen anderen Blick auf dieses Kunstwerk aus dem Jahr 1778.