Ein Spaziergang ist die einfachste und genaueste Methode, sich eine Umgebung zu erschließen. Denn beim langsamen Gehen gibt es immer wieder Neues zu entdecken. Auch im Touri-Hotspot Bernkastel-Kues.
Laufen, frische Luft schnappen, für ein paar Stunden ziellos durch Gassen oder Landschaften bummeln. Mit seinem Gedicht „Osterspaziergang“ hat Goethe dem langsamen Gehen ein Denkmal für die Ewigkeit gesetzt.
Eigentlich hat der Spaziergang nicht den hippsten Ruf. Doch seit der Pandemie hat das zweckfreie Schlendern und Flanieren ein ungeahntes Comeback erlebt. Viele Menschen sind auf den Geschmack gekommen und noch immer zu Fuß unterwegs. Draußen sein und den Kopf freibekommen. Ob nun mit Hund, in Begleitung oder allein. Ohne Smartphone, einfach nur Blumen riechen und schauen – ein Spaziergang kann wie ein Miniurlaub im Alltag sein.
Ab ins Grüne! Auch in den Dörfern und Städten gibt es immer wieder kleine Oasen entdecken. Die Region hält viele tolle Routen bereit – kulinarische Stopps inklusive.
Bernkastel beim Spaziergang entdecken
Eine bestens erhaltene Altstadt gekrönt von einer Burg macht das Hänsel und Gretel-Städtchen Bernkastel-Kues zum Touristen-Magnet. Aber auf einem Spaziergang von nur rund 3,5 Kilometern Länge gibt es noch andere Mosel-Nuancen zu entdecken: Eben noch stand man inmitten von Lebkuchenhäusern, schon findet man sich an einem verborgenen Wasserfall wieder.
Ein Sitzstreik im Wald ist bei diesem Spaziergang eher nicht zu befürchten. Denn mit dem kleinen Naturwunder und einer echten Ritterburg als Ziel, hält man sogar anspruchsvolle Kinder auf Trapp. Und gegen Ende der Runde warten kulinarische Genüsse auf dem Balkon von Bernkastel-Kues.
Der Spaziergang beginnt auf dem Marktplatz, der guten Stube der Stadt. Um den St. Michaelsbrunnen haben sich jahrhundertealte alte Fachwerkhäuser versammelt, die mit Wetterfahnen, üppigen Schnitzereien und Figuren vom einstigen Wohlstand der Bürgerschaft erzählen.
Grimmig blicken Katzen aufs Pflaster hinab – solche Details bietet etwa das rund 500 Jahre alte Heinz’sche Haus, dass die Weinstube des Weingutes Maßem beherbergt. An dem Prachtstück vorbei führt der Spaziergang durch die Römerstraße, die nur wenige hundert Meter weiter in die Burgstraße mündet.
Zu beiden Seiten gibt es top in Schuss gehaltene Fachwerkzier zu sehen. Kopf in den Nacken: Beachtenswert sind die manchmal kuriosen und mitunter weisen Hausinschriften auf den Fassaden.
Den schönen Gesamteindruck versüßt Willi Maas, der Bonbons und Lutscher wie vor 100 Jahren produziert. In der putzigen Manufaktur in der Burgstraße 8 werden bis heute Zitronenscheiben, Goldnüsse und Waldmeisterchen gemacht. Wer im richtigen Moment dort ist, kann dem Zuckerbäcker-Meister sogar bei der Arbeit zusehen. Aber man ist ja nicht zum Spaß hier, sondern auf einem Spaziergang!
Immer am Tiefenbach entlang
Disziplinierte Spaziergänger laufen weiter bergauf, um am Ende der Römerstraße die Bundesstraße zu überqueren und weiter durch den Stadtwald zu laufen. Schon bald zweigt ein Pfad hinunter zum Tiefenbach ab, der mal links, mal rechts des kleinen Gewässers entlang über Brückchen zu einem Wasserfall führt.
Schon von weitem ist das Rauschen zu hören, mit jedem Schritt durch das idyllische, grüne Tal wird es lichter im Kopf. Ein Spaziergang dieser Art kann Stress und Gedankennebel vertreiben.
Genug entspannt? Hund und/ oder Kinder haben lang genug im Wasser gespielt? Über die Treppe neben dem Wasserfall leitet ein Waldweg im Zickzackkurs hinaus aus dem Tal auf eine Straße. Linker Hand balanciert die winzige Maria-Hilf-Kapelle auf einem Bergsporn.
Das frisch renovierte Kapellchen lohnt einen Blick, aber der Spaziergang führt rechts hinauf, wo am Ende des Weges die Burg Landshut wartet. Um einen Umweg zu vermeiden, muss man nur konsequent der Beschilderung „Familienweg” folgen.
Spaziergang zum Restaurant mit Aussicht
Oben angekommen, will natürlich der Bergfried der Burgruine bestiegen werden. Hungrige Spaziergänger haben nun die Wahl: Soll es das Restaurant in dem alten Gemäuer sein oder lieber ein Platz auf dem Balkon von Bernkastel-Kues? Denn der liegt ganz in der Nähe, nur eine Etage tiefer.
Am Parkplatz vor der Burg führt links an der Ampel vorbei ein steiles Kopfsteinsträßchen bergab zum Schützenhaus. Geschossen wird dort schon lange nicht mehr. Doch wer ein Postkartenmotiv zu Leibspeisen aus der Mosel-Küche genießen möchte, ist auf der Terrasse 65 Meter über der Altstadt richtig. Die Aussicht ist grandios.
Neben dem Eingang des Ausflugslokals schlängelt sich ein schmaler Weinbergpfad hinunter zur Straße, die rechter Hand am Spitzhäuschen vorbei wieder zum Marktplatz führt. Dort endet der Spaziergang. Viele haben diese Runde durch das Städtchen samt Wald schon zigmal gedreht.
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Spaziergang durchs Liesertal
Ein Spaziergang ist eine müßige Variante des Gehens. Spazieren geht auf das alte italienische Wort spaziare (deutsch: umherstreifen) zurück. Damit war im 15. Jahrhundert das Flanieren der aristokratischen Gesellschaft in Gärten und Parks gemeint. Die Spaziergänger dieser Zeit leben in Prachtbauten wie Schloss Lieser im gleichnamigen Ort.
Heute bleibt jeder Passant stehen, um die Fassade, gespickt mit Erkern, Säulen, Rundbögen und allerhand hübschem Dekor zu bewundern. Schloss Lieser steht seit 1884 am Moselufer. Der Großindustrielle Eduard Puricelli setzte das Gebäude an den Fluss und vererbte es seiner einzigen Tochter Maria. Sie war die Ehefrau von Kaiser Wilhelms Staatsminister Clemens Freiherr von Schorlemer. Heute ist Schorlemers Schloss eine Edelherberge mit Restaurant im Glanz der Gründerzeit.
Wem das alles zu viel des Guten ist: Die kleine Paulskirche, ganz in der Nähe über dem Liesertal, ist erfrischend unprätentiös. Es die exponierte Lage, die das Kirchlein zum Ziel für einen Spaziergang macht. Von Lieser führt die Paulsstraße schnurstracks zu dem Kirchlein hinauf.
Oben angekommen reicht der Blick über Felder, Wald und Wiesen, mittendrin verkrümeln sich die Ortschaften Maring, Noviand und das winzige Siebenborn. Zwar fehlt von der Mosel jede Spur – und trotzdem blickt man hinab in ihr breites Tal. Denn vor vielen Jahren hat sich das Wasser einen anderen Weg gesucht. Der alte Flusslauf blieb als überwältigend schönes Trockental zurück. Wie die Ränge eines riesigen griechischen Theater biegt sich der Honigberg daran entlang.
Erlebnispfad mit Lerneffekt
Durch das Liesertal führt ein rund sieben Kilometer langer Erlebnisweg mit dem entzückenden Name „Eidechse auf Moselsuche”. Der Startpunkt für den Spaziergang liegt am Wanderparkplatz unterhalb des Klosters Siebenborn in Maring-Noviand. Ab dem nahen Wassertretbecken ist der Pfad durch die Weinberge ausgeschildert.
Die Wegweiser führen vorbei an kreativen Insektenhotels und Eidechsenquartieren, hinzu kommen ein Open-air-Klassenzimmer und Info-Stelen, die von der jüngeren Erdgeschichte dieser einzigartigen Gegend erzählen. Sitzgelegenheiten mit toller Aussicht auf die Landschaft gibt es auch. Der asphaltierte Pfad ist barrierefrei und somit genauso für Kinderwagen geeignet.
Auch verhungern muss man im Liesertal nicht. Für die Einkehr nach dem Spaziergang bietet sich zum Beispiel die Klostermühle Siebenborn an. Das Restaurant, das Regionales mit italienischer Kochkunst verbindet, hat eine große Sonnenterrasse. Der Maare-Mosel-Radweg führt hier entlang. Dann ist da noch die Fleischerei Fritzen (Brunnenstraße 2 in Noviand), spezialisiert auf Wild aus heimischen Wäldern. Das Sortiment reicht von Gulasch vom Wildschein, Hirsch und Reh bis hin zu edlen Wurstkreationen wie dem Liesertaler Rieslingschinken. Mit seinem täglichen Mittagsmenü nimmt Heino Fritzen der Kundschaft unter der Woche das Kochen ab.
Alles nur ein Spaziergang!
Seit langer Zeit geistert die magische Zahl 10.000 durch den Raum: So viele Schritte soll man täglich gehen, um die Lebenserwartung zu erhöhen. Dieses Maß aller Dinge wurde inzwischen durch verschiedene Studien widerlegt: Demnach schützen wohl bereits 4000 Schritte vor Übergewicht, Diabetes oder Gelenkproblemen.
Ein Spaziergang baut auch Stress ab und weckt die Selbstheilungskräfte. Das gilt ganz besonders für einen Spaziergang im Wald, der in Japan auch als Waldbaden bezeichnet wird. So dient zum Beispiel eine Tour durch die Teufelsschlucht oder die Reste der Festung Montroyal viel mehr als nur der reinen Entspannung.
Ein beliebtestes Wandergebiet ist der Meulenwald, die grüne Lunge zwischen Trier und der Wittlicher Senke. In Ediger-Eller bietet Nobert Krotz sogar geführtes Waldbaden durch die heimischen Wälder an.
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Mont Royal: Die geheimnisvollen Reste der Feste»
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Spaziergang ums Kloster
Lange Spaziergänge machen den Kopf frei, sie lüften die Seele. „Fast alle, die draußen unterwegs sind, denken geradezu zwangsläufig in irgendeiner Form über die wichtigen Fragen des Lebens nach”, sagt Bertram Weisshaar in einem Interview der „Welt”.
Der Wissenschaftler muss es wissen, denn er ist Promenadologe, sprich: Spaziergangsforscher. Einen Katzensprung von Reil entfernt liegt das Kloster Springiersbach mitten im Grünen. Wer Ruhe sucht, um über Gott und die Welt nachzudenken, könnten kaum einen besseren Ort finden. Das weitläufige Areal beherbergt neben dem Kloster, der Kirche und dem Klosterladen einen idyllischen See zum Umlaufen.
Auf Traumpfaden laufen
Der Wanderer ist zügig und meist in voller Montur in der Natur unterwegs, während der Spaziergänger eher gemächlich durch die Gegend trödelt. Streng genommen sind die 24 Etappen des Moselsteigs Wanderrouten. Kein Grund, sich dort nicht auch ein, zwei Stündchen die Beine zu vertreten. Doch die Traumpfädchen im Bereich der Terrassenmosel sind als besonders leichte und kurze Spazierwege angelegt.
So führt zum Beispiel das aussichtsreiche Traumpfädchen Moseltraum von der Weilsbornquelle in Winningen über Serpentinen steil hinauf zur Domgartenhütte. Auch die vier Kilometer lange Route Niederfeller Schweiz punktet mit Panoramablicken auf die Mosel. Mehr Info: www.traumpfade.info