Weinschiff: Mosel-Fahrt wie die Römer

Mit dem römischen Weinschiff können Ausflügler wie die Römer über die Mosel fahren. Aber die Stella Noviomagi ist nicht die einzige Attraktion in Neumagen-Dhron. Sogar in einer Weinstube versteckt sich eine Sehenswürdigkeit.

Stella Noviomagi, Weinschiff, Galeere

Die Stella Noviomagi in ihrem Heimathafen Neumagen.

Beim Teutates! Asterix wäre beim Anblick der Galeere wohl vor Schreck aus den Latschen gekippt. Schiffe dieser Art hielten über jahrhundertelang das Römische Reich am laufen. Sie transportierten Legionäre, Wein oder Waren aus aller Welt – bis das Imperium in der Spätantike allmählich zerfiel und sich überall Grenzen erhoben. Das war es dann für die Römer.

Doch nach 1800 Jahren liegt im Hafen von Neumagen-Dhron wieder ein römisches Weinschiff vor Anker und stielt allen anderen Moseldampfern die Schau. Stella Noviomagi heißt der Kahn, was übersetzt „Stern von Neumagen” bedeutet.  Mit dem modernen Nachbau gehen Touristen auf Mosel-Tour.

Schwitzende Sklaven, die stöhnend eine gewaltige Galeere durch das Wasser wuchten – daran dürften die meisten Menschen beim Stichwort Römerschiff denken. Doch um das Weinschiff fortzubewegen, muss sich heutzutage niemand in die kiloschweren Riemen legen. Angetrieben von zwei 50 PS starken Dieselmotoren lassen sich die Passagiere mit flotten 18 Stundenkilometern über die Mosel schaukeln.

Auf Tour mit dem Weinschiff

Den modernen Sicherheitsnormen entsprechend, verfügt die Galeere über Sicherheitswesten. Dank der aufgemalten Augen am Rumpf sind Schiff und Besatzung gegen den „Bösen Blick” gewappnet. Knapp über der Wasseroberfläche lauert ein Rammsporn auf feindliche Schiffe, darüber wachsen furchteinflößende Drachenköpfe aus Bug und Heck. 

Wo das antik anmutende Weinschiff auch auftaucht, bleiben die Leute stehen, um Fotos zu machen. Viele von ihnen werden später erzählen, sie hätten ein Wikingerschiff auf der Mosel gesehen. Dabei ist die Stella Noviomagi mit einer Länge von 17,95 Metern, einer Breite von 4,20 Metern und etwa 70 Zentimetern Tiefgang sogar das größte je im deutschen Sprachraum nachgebaute schwimmfähige Römerschiff. Gezimmert aus heimischem Holz von fleißigen Auszubildenden der Handwerkskammer Trier, nach Plänen des Museums für antike Schifffahrt in Mainz.

Weinschiff steht für Neumagen-Dhron

Neumagener Weinschiff, Peterskapelle

Grabdenkmal eines Weinhändlers: Das Neumagener Weinschiff

2007 ist die Galeere mit großem Tamtam in Trier vom Stapel gelaufen, unter den Augen vieler Zuschauer an den Ufern nach Neumagen-Dhron geschippert, um fortan in ihrem Heimathafen allen anderen Jachten und Vergnügungsdampfern die Schau zu stehlen. 

Die Idee, diese hölzerne Galeere zu bauen, stand schon seit Jahrzehnten im Raum. Immerhin war ein Weinschiff schon lange das Wahrzeichen von Neumagen-Dhron. Denn als Modell für den Bau diente das im Jahr 1878 im Ort ausgegrabene steinerne Relief eines Schiffs, das im dritten Jahrhundert zum Grabmal eines römischen Weinhändlers gehörte.

Seither ist das Weinschiff auf dem Wappen der Gemeinde abgebildet, eine Reihe von Lokalen schmückt sich mit seinem Namen oder Bild. Man findet es in Miniaturform auf Tassen, Schildern, Weingläsern, in der Dorfkonditorei und eben als modernen XXL-Nachbau im Hafen.

Allerdings es ist es  längst nicht nur das antike Weinschiff, das Neumagen zu einem speziellen Ausflugsziel an der Mosel macht – tatsächlich ist der Winzerort neben Trier der bedeutsamste Fundort römischer Hinterlassenschaften am Fluss. Doch der Reihe nach.

Sehenswertes in Neumagen-Dhron

Winzerhof, Neumagen-Dhron, Mosel

Eines von vielen schönen Häusern in der Römerstraße.

Neumagen-Dhron liegt etwa auf halber Höhe zwischen Trier und Bernkastel-Kues. Herzstück des Dorfs ist Römerstraße und die parallel dazu verlaufenden Straße entlang des Moselufers. Hinter uralten Mauern blühen Oleander, Lavendel und Olivenbäumchen. Es ist ein schönes, beschaulichen Fleckchen Erde.

Ein Spaziergang lohnt sich schon allein wegen der vielen historische Bauten und urigen Weinwirtschaften, in die man einkehren kann. Zum Beispiel das Wein- und Sekthaus Dillé, das mit nur 27 Quadratmetern vermutlich die kleinste Weinstube in ganz Deutschland ist. Schön sitzen lässt es sich auch im begrünten Innenhof der Straußwirtschaft Vinopolis des Weinguts Konstantinhöhe.

Kleinste Weinstube, Neumagen-Dhron

Die kleinste Weinstube von Neumagen-Dhron.

Konstantins Kastell an der Mosel

Die Konstantinhöhe ist nach dem römischen Kaiser benannt, der Trier so prachtvoll ausbauen ließ. Angeblich hatte er oberhalb der Weinlage Engelsgrube im Jahre 312 gar seine legendäre Vision, die ihm zum Sieg bei der Schlacht an der Milvischen Brücke in Rom verhalf. Was es mit der kolportierten Erzählung über die göttliche Erscheinung auf sich hat, wird wissenschaftlich diskutiert.

Sicher ist: Wo heute Winzerhöfe und Bürgerhäusern aus dem 16. bis 18. Jahrhundert stehen, hatte Konstantin der Große im vierten Jahrhundert ein Kastell errichten lassen. Denn als Neumagen noch Noviomagus Treverorum hieß, befand sich dort ein wichtiger Verlade- und Umschlagplatz für Wein, Vieh oder Holz an der Handelsstraße von Trier nach Mainz. Zum Schutz vor Überfällen von Germanen waren Festungsmauern nötig. Sie waren bis zu 3,50 Meter dick und mit zwei Toren versehen. Von 14 Rundtürmen aus konnten Wachsoldaten Ausschau halten. Ein originales antikes Mauerteil kann man noch in der Spielesgasse sehen: Es bildet eine Wand in der Weinstube des Weinguts Lauterbach.

Ältester Weinort Deutschlands

Zwar blieben von dem antiken Kastell nur bescheidene Reste zurück. Doch als die Anlage ab 1877 ausgegraben wurde, entdeckten Archäologen in den Fundamenten der Wehrmauern und Türmen erstaunliche Schätze. Denn als Baumaterial hatten Konstantins Männer Grabdenkmale aus dem 1. bis 3. Jahrhunderts nach Christus benutzt.

Zutage kamen etliche Fragmente, die zusammengesetzt werden konnten zu über 40 Monumenten, kostspielig geschmückt mit Bildreliefs, die vom Lebensstil der reichen Oberschicht künden. Denn Gräber waren damals zum Protzen da. So hat der Weinhändler seinen Reichtum mit dem Neumagener Weinschiff über den Tod hinaus zur Schau gestellt. Weil damit der Weinbau im Ort bis in römische Zeit nachgewiesen ist, beansprucht Neumagen-Drohn den Titel Ältester Weinort Deutschlands für sich. Bislang hat niemand widersprochen.

Von der Schulszene zum Weinschiff

Schulszene, Grabdenkmal, Neumagen

Kennt jeder aus dem Lateinbuch: Das Relief zeigt eine Schulszene.

Warum ließ Konstantin pietätlos alte Grabsteine und Altäre verbauen? Man weiß es nicht. Tatsächlich ist an ihnen die Entwicklung der Bildhauerkunst im Trierer Land abzulesen. Mindestens ebenso berühmt wie das Weinschiff ist das Schulrelief, das man in Neumagen fand. Es ist Teil eines zehn Meter hohen Grabpfeilers, der um 180 nach Christus entstand. Jeder, der einmal ein Lateinbuch in den Händen hatte, ist sicherlich auf das Bild gestoßen.

Darauf zu sehen sind zwei Schüler mit ihrem Lehrer, der dem Erscheinungsbild nach Grieche und somit ein gut ausgebildeter Pädagoge ist. Der Verstorbene wollte damit zeigen, dass er sich Privatunterricht für seine Kinder leisten konnte. Mit Reichtum und guter Bildung angeben war damals üblich.

Relief "Die Mahlzeit", Grabdenkmal, Neumagen-Dhron

Das Relief „Die Mahlzeit“

Die meisten der Monumente aus Neumagen-Dhron stehen im Landesmuseum in Trier, aber überall im Ort befinden sich gute Reproduktionen, die man über einen archäologischen Rundweg erlaufen kann. Man muss nur den im Boden eingelassenen Plaketten mit dem Gesicht des „fröhlichen Steuermanns” folgen.

An vielen Hauswänden finden sich Reliefs, die Alltagssituationen der Verstorbenen zeigen. Wie zum Beispiel die Mahlzeit eines wohlhabenden Paares, das sich von zwei Dienern bewirten lässt, oder der Mundschenk, der als Vorkoster eine hohe Vertrauensstelle genoss.

Frisierszene, Grabmal, Neumagen-Dhron

Die sogenannte Frisierszene. Ein Relief auf dem Grabmal eines reichen Römers.

Immer wieder sind Verweise auf die Quellen des Reichtums zu sehen: Da zeigt zum Beispiel ein Relief, wie Bauern ihre Pacht bezahlten. Auf einem anderen ist deutlich zu erkennen, dass die Reben in der Antike in Form einer Acht gebunden wurden.

Den wohl extravagantesten römischen Grabschmuck findet man in der Nähe der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt am Südtorplatz, wo sich einst das Südtor der römischen Kastellanlage befand: Die 1,2 Tonnen schwere Skulptur zeigt einen Bär, der einen Eber schlägt. Was der Verstorbene damit sagen wollte, wird wohl ein Geheimnis bleiben. Eine weitere Kopie der Skulptur steht im benachbarten Ortsteil Dhron.

Weinschiff als Sehenswürdigkeit

Ausonius-Garten, Peterskapelle, Neumagen

Der Ausonius-Garten und die Peterskapelle.

In einem kleiner Park, der dem Dichter Ausonius gewidmet ist, zeigt die sogenannte Frisierszene, wie sich eine Dame von vier Dienerinnen die Haare zurecht machen lässt. Diesen Service gönnten sich die reichen Römerinnen. Ein paar Meter davor hat die Gemeinde dem Gelehrten und Dichter mit einer Statur ein Denkmal gesetzt, immerhin hatte Ausonius  im Jahre 369 n. Chr. Neumagen besucht und literarisch in seinem Gedicht Mosella verewigt.

Der kleine Garten liegt gleich hinter der über 700 Jahre alten Peterskapelle, die neben dem Abguss des berühmten Neumagener Weinschiffs an der Römerstraße steht. Es ist neben der Igeler Säule bei Trier das bekannteste Grabdenkmal aus der Moselregion.

Historiker vermuten, dass es sich bei der auf dem Relief abgebildeten Galeere um ein ehemaliges Kriegsschiff handelt, das in Friedenszeiten in den Besitz des Weinhändlers kam. Andere Wissenschaftler sagen, dass das Neumagener Weinschiff von jeher ein ziviles Transportschiff war.

Römisches Weinschiff, Galeere, Mosel

Das römische Weinschiff fährt über die Mosel.

Das Weinschiff zeigt sechs Ruderer, zwei Steuermänner und vier Fässer. Der 14 Tonne schwere Nachbau ist mit nur einem dicken Fass bestückt – darin versteckt sich die Steueranlage der Galeere. Auch Toiletten gibt es nicht – bei den Römern ging alles über die Reling.

Heiraten auf dem Weinschiff

Gut 10.000 Passagiere pro Jahr fahren mit dem Schiff auf zweistündigen Touren zehn Kilometer flussauf- oder abwärts. Samstags um 15.30 Uhr und sonntags um 10 Uhr legt die Stella Noviomagi ab. Häufig wird es von Vereinen oder Firmen gechartert und dient sogar als Standesamt. Auch das hätte sich Asterix nicht vorstellen können.

Übrigens: Weinschiff von oben geht am besten vom Aussichtspunkt Türmchen auf der gegenüberliegenden Moselseite. Ein beschilderter Wanderweg führt steil bergauf zur Schutzhütte mit dem wohl schönsten Blick auf Neumagen-Dhron.