Leiwen: Hier werden Ausflügler geschrumpft

Leiwen zieht Aussichtssüchtige und Kegelclubs an. In dem Moselort wird aber auch Sekt für gekrönte Häupter produziert. Doch die Hauptattraktion ist eine gigantische Bank, die Ausflügler auf die Größe eines Pilzes schrumpfen lässt.

Moselschleife, Leiwen, Trittenheim

Blick von Zummethöhe auf Trittenheim.

Mit dem Ortsteil Zummet hat es Leiwen ganz nach oben geschafft: zu den Dörfern mit der „Schönsten Weinsicht”. Denn bei einer Online-Abstimmung des Deutschen Weininstitutes erhielt der Aussichtspunkt die meisten Klicks.

Das ist schon ein paar Tage her, um genau zu sein seit 2016. Doch nach wie vor bietet sich oben vom Talrand ein herrlicher Blick auf einen der wohl berühmtesten Mäander, den sich der Fluss im Laufe der Jahrtausende ins rheinische Schiefergebirge gegraben hat. Kaum eine andere Flussverrenkung wurde in der Vergangenheit so oft als Postkarte verschickt wie die Moselschleife zwischen Leiwen und Trittenheim.

Berühmte Schleife über Leiwen und Trittenheim

Zummethöhe, Aussichtspunkt, Moselschleife

Rechts oben liegt der Aussichtspunkt Zummethöhe.

Schon Generationen von Hobbyfotografen pilgerten auf die Moselhöhen, um dieses Panorama abzulichten. Längst ziehen Instagramer nach. Inzwischen markiert eine Stele des Mainzer Künstlers Ulrich Schreiber die offizielle Anlaufstation, die man wandernd über die Moselsteig Etappe 8, den Stefan-Andres-Weg oder verschiedene Rundwege erreichen kann. Auch mit dem Auto kommt man recht nah heran.

Die Anreise gestaltet sich problemlos, fotografisch ist das Kurvenwunder allerdings eine Herausforderung.

Moselschleife, Trittenheim

Schöne Weinsicht: Die Moselschleife zwischen Leiwen und Trittenheim.

Großes Panorama im Panoramabad 

Den Gänsehautblick kann man in Leiwen übrigens auch schwimmend bei Brust oder Kraul genießen. Denn das bei Reisenden und Einheimischen gleichermaßen beliebte Panoramabad hält, was es verspricht. Gegen die Fernsicht über Weinberge und Fluss kommt sogar die heißgeliebte 76-Meter lange Riesenrutsche nicht an.

Als Kaiserin Livia, die Gattin von Augustus, bei einer Reise vor fast 2000 Jahren die Schönheit dieser Landschaft entdeckte, war es um sie geschehen. Sie beschloss, sofort an Ort und Stelle eine prunkvolle Villa als Sommerresidenz zu bauen. So soll aus Livia im Laufe der Zeit der Ortsname Leiwen geworden sein. Wer’s glaubt.

Mosel, schwimmen, Panoramabad

Das Panoramabad in Leiwen.

Party am Eurostrand

Viele Reisende unserer Zeit bringen ihre rollende Unterkunft gleich mit oder wählen aus der ganzen Palette von Ferienwohnungen, Hotels oder auf Winzerhöfen ihren Unterschlupf. Mit dem Eurostrand und Landal Sonnenberg hat Leiwen sogar gleich zwei Ferienparks. Ersterer steht für Kegeltouren, Party und Remmidemmi am Wochenende, der andere für Familienbespaßung mit Campingplatz und schönem Waldkletterpark.

In Wahrheit wird Leiwen übrigens erstmals als „Lyve” oder „Lyue” in einer Urkunde von 802 erwähnt und geht vermutlich auf das lateinische Wort „clivus” für Abhang oder ansteigende Straße zurück. Doch die Römer waren wirklich da. Archäologen haben gleich zwei römische Landhäuser in Leiwen ausfindig machen können. Leider ist weder von der Villa Holstert noch vom Herrenhaus der Villa im Distrikt Bohnengarten auch nur ein Fitzelchen zu sehen.

Aber mit etwas Glück, 4G und der kostenlosen ARGO-App kann man sich die Villa Bohnengarten am Ortsrand virtuell über Augmented Reality in 360°-Darstellung betrachten – falls die Technik funktioniert (die Verfasserin dieses Artikel ist bislang immer gescheitert).

Alte Mauern in der Euchariusstraße

Ganz real sind eine Reihe anderer ansehnlicher Bauten im Ort erhalten. Die ehemalige Euchariuskapelle Kapelle von 1609 zum Beispiel, die schon lange kein Gotteshaus mehr ist. Nach der Versteigerung diente sie 80 Jahre lang als Eichamt, später als Gefängnis und danach als Obdachlosenheim. Inzwischen ist in der Kapelle und der angrenzenden Scheune das Heimat- und Weinmuseum untergebracht.

In der Nachbarschaft steht das älteste Fachwerkhaus im Ort. Es wurde im Jahr 1484/1485 als Zehnthof gebaut. Und der über 400 Jahre alte der Kurtrier Hof in der Tränkgasse ist Sehenswürdigkeit und Straußwirtschaft zugleich.

Sekt aus Leiwen für gekrönte Häupter

Die Reben der Winzer wachsen in der „Leiwener Laurentiuslay” oder im „Klostergarten”. Immer am 3. Augustwochenende oder dem Weinlesefest am 1. Wochenende im September feiert der Ort seinen Wein.

Doch Leiwen ist nicht nur eine der größten Weinbaugemeinden an der Mosel. Mit Klaus Herres lebt auch einer der renommiertesten Sektwinzer Deutschlands im Ort. Wohl kein anderer hat so viele Preise gewonnen. Er war einer der Ersten im Tal, die auf den prickelnden Schaumwein nach dem Prinzip der traditionellen Flaschengärung setzten.

Bundespräsidenten, Königin Silvia und Bill Clinton haben ihn schon getrunken, denn seit 1999 wird der St. Laurentius-Sekt im Berliner Schloss Bellevue ausgeschenkt. Inzwischen stellt Hoflieferant Klaus Herres in der Partnergemeinde Le Mesnil sur Oger, einem der bekanntesten Dörfer in der Champagne, auch seinen eigenen Champagner her.

Restaurant Lex in der Sektstuff

Kapelle, Josefsberg, Leiwen

Das Kapellchen am Josefsberg

In der ehemaligen Sektstuuf St. Laurentius der Familie Herres ist heute das Restaurant Lex untergebracht. Instagrammer teilen die Bilder der frischen Food-Kreationen und des historischen Gemäuers an der Euchariusstraße. Auch das Dhrontalkraftwerk an der Mosel, Baujahr 1913, wird immer wieder gerne abgelichtet.

Aber noch häufiger wird am Josefsberg auf den Auslöser drückt. Denn ein Fotohotspot kommt an der Mosel selten allen: Rund um die kleine Kapelle wurde ein Rastplatz mit einer Reihe von Nettigkeiten angelegt. Zum Beispiel Sonnenliegen, um das Panorama sitzend zu genießen. Wer mag, schaukelt auf einem Fass oder bedient sich für kleines Geld an der Weinbar. Nicht weit entfernt, auf der Anhöhe „Schlösschen” befindet sich ein sogenanntes Moselkino, das die Landschaft in einen großen Rahmen fasst.

Die XXL-Bank in Leiwen 

Josefsberg, XXL-Bank, Leiwen

Die Josefsbank. Hinauf kommt man über eine Treppe,

Doch die Hauptattraktion ist die überdimensionierte Josefsbank, die Sitzgelegenheit, surreales Fotomotiv und Aussichtspunkt in einem ist. Auf dem fünf Meter breiten und zwei Meter hohen Giganten aus Holz findet eine komplette Wandertruppe Platz. Herzlich willkommen bei Alice im Wunderland! Man fühlt sich, als wäre man auf die Größe eines Pilzes geschrumpft – genauso sieht es auf Fotos auch aus.

Mit dem Heiligen Josef, dem Schutzpatron der Zimmerleute, haben übrigens weder Bank noch Berg zu tun. Namenspatron ist der Ortsvorsteher Josef Bartel, der den Ginsterberg im Jahre 1900 aufteilen ließ – seitdem spricht man auch vom Josefsberg.

Kunst im Skulpturenpark

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Hagebutten-Skulptur im Bohnengarten.

Ein gut zwei Kilometer langer Weinlehrpfad führt zum Leiwener Kapellchen, man muss nur der Markierung LE 4 folgen. Der Einstieg in den Pfad liegt am Ortsrand in der Klosterstraße. In der Flur Bohnengarten ganz der Nähe liegt die vom Landesmuseum Trier vor Jahrzehnten ausgegrabene und wieder zugeschüttete Villa rustica.

Was viele nicht wissen: Gegenüber der Klosterstraße Nummer 66 versteckt sich hinter einer hohen Mauer ein ganz besonderer Park, wo Besitzer Arnold Laux seine wunderbare Skulpturensammlung präsentiert. Ein 13.000 Quadratmeter großes Kleinod, das mittwochs und samstags zwischen 14 und 19 Uhr netterweise kostenlos besichtigt werden darf.

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Eine Skulptur glitzert in der Sonne. Foto: Arnold Laux.

Entlang der Wege, auf kleinen Wiesen, zwischen heimischen Baum- und Pflanzenarten, finden sich die Werke renommierter Künstler. Menschengestalten, Tierfiguren oder kreative Fantasieobjekte aus Stahl und Stein bevölkern das schöne Fleckchen Erde. Ein Römerkopf aus Sandstein ist zu sehen, eine Büroklammer im XXL-Format oder „Hagebutten”, die sich auf langen Stäben in Richtung Himmel strecken.

Die Kunstwerke sollen in einer natürlichen Umgebung auf die Betrachtenden wirken – und das gelingt. Den hinreißenden Skulpturenpark Bohnengarten sollte man sich nicht entgehen lassen.

Zum Weiterlesen: 
Der verborgene Skulpturenpark Bohnengarten»