Party und Remmidemmi am Eurostrand – dafür ist Leiwen bekannt. Nur wenige kennen diese Bank, die Kegelclubs auf die Größe eines Pilzes schrumpfen lässt. Die wohl schönste Attraktion ist der versteckte Skulpturengarten.
Von Bernkastel geht es etwa 30 Kilometer flussaufwärts und schon ist man da. Wer Leiwen hört, denkt zunächst an Remmidemmi und Party am Eurostrand. Mit Sambazügen reisen sie ins Moseltal.
Doch Leiwen ist auch einer dieser Orte, die mit ihrer speziellen Lage an einer der bekanntesten Moselschleifen angeben können. Denn mit der Zummethöhe hat es die Weinbaugemeinde ganz nach oben geschafft: zu den Dörfern mit der „Schönsten Weinsicht”. Alle vier Jahre zeichnet das Deutsche Weininstitut die schönsten Ausblicke auf Weinlandschaften aus – und 2016 erhielt dieser Aussichtspunkt bei der Online-Abstimmung die meisten Klicks.
Das ist zwar schon ein paar Tage her. Doch nach wie vor bietet sich vom Talrand oberhalb von Leiwen ein herrlicher Blick auf einen der wohl berühmtesten Mäander, den sich der Fluss im Laufe der Jahrtausende ins rheinische Schiefergebirge gegraben hat. Kaum eine andere Flussverrenkung wurde in der Vergangenheit so oft als Postkarte verschickt wie die Moselschleife zwischen Leiwen und Trittenheim.
Berühmte Schleife bei Leiwen und Trittenheim
Schon Generationen von Hobbyfotografen pilgerten auf die Moselhöhen, um dieses Panorama abzulichten. Eine Stele des Mainzer Künstlers Ulrich Schreiber markiert die „Schönste Weinsicht”, die man wandernd über die Moselsteig Etappe 8, den Stefan-Andres-Weg oder verschiedene Rundwege erreichen kann. Auch mit dem Auto kommt man recht nah heran. Die Anreise gestaltet sich problemlos, fotografisch ist das Kurvenwunder allerdings eine Herausforderung.
Bei schönem Wetter ist an den Wochenenden auf der Zummethöhe viel los, denn dann öffnet der „Weingarten Moselliebe”. Kredenzt werden Tropfen aus den Lagen, auf die die Gäste von diesem Logenplatz aus blicken können: Trittenheimer Apotheke und Laurentiuslay.
Großes Panorama im Panoramabad
Den Gänsehautblick kann man in Leiwen übrigens auch schwimmend in dem wohl schönster Freibad entlang der Mosel genießen. Denn das bei Reisenden und Einheimischen gleichermaßen beliebte Panoramabad „Römische Weinstraße” hält, was der Name verspricht. Gegen die Fernsicht über Weinberge und Fluss kommt sogar die heißgeliebte 76-Meter lange Riesenrutsche nicht an.
Als Kaiserin Livia, die Gattin von Kaiser Augustus, bei einer Schiffsreise vor fast 2000 Jahren die Schönheit dieser Landschaft entdeckte, war es um sie geschehen. Sie beschloss, sofort an Ort und Stelle eine prunkvolle Villa als Sommerresidenz zu bauen. Augustus erfüllte ihr den Wunsch – sagt die Legende. Deshalb soll aus dem Namen der ersten Ferienhausbesitzerin im Laufe der Zeit der Ortsname Leiwen geworden sein. Wer’s glaubt.
Die Aussichten aufs Tal haben schon immer die Fantasie beflügelt. So soll Kaiser Konstantin auf der nahe gelegenen Konstantinhöhe sogar eine Erscheinung gehabt haben, die ihn angeblich zum Christentum bekehrte
Party am Eurostrand
Viele Reisende unserer Zeit bringen ihre rollende Unterkunft gleich mit oder wählen ihren Unterschlupf aus der ganzen Palette von Ferienwohnungen, Hotels oder auf Winzerhöfen. Immerhin zählt Leiwen zu den Orten, in denen man sich staatlich anerkannt erholen kann.
Mit dem Eurostrand und Landal Sonnenberg hat Leiwen sogar gleich zwei Ferienparks. Ersterer steht für Kegeltouren, Party und Remmidemmi am Wochenende. Der andere hat den Leiwener Sonnenberg für Familienbespaßung in Beschlag genommen: Mit Campingplatz, Streichelzoo, Indoorspielplatz und schattigem Waldkletterpark.
In Wahrheit wird Leiwen übrigens erstmals als „Lyve” oder „Lyue” in einer Urkunde von 802 erwähnt und geht vermutlich auf das lateinische Wort „clivus” für Abhang oder ansteigende Straße zurück. Doch die Römer waren wirklich vor Ort. Archäologen haben gleich zwei römische Landhäuser in Leiwen ausfindig machen können. Leider ist weder von der Villa Holstert noch vom Landhaus im Distrikt Bohnengarten auch nur noch ein Fitzelchen zu sehen.
Aber mit etwas Glück, 4G und der kostenlosen ARGO-App kann man sich die Villa Bohnengarten am Ortsrand virtuell über Augmented Reality in 360°-Darstellung betrachten – falls die Technik funktioniert (die Verfasserin dieses Artikel ist bislang immer gescheitert).
Alte Mauern in der Euchariusstraße
Ganz real sind eine Reihe anderer ansehnlicher Bauten im Ort. Sehenswert ist zum Beispiel die ehemalige Euchariuskapelle Kapelle, Baujahr 1609, die allerdings schon lange kein Gotteshaus mehr ist. Nach der Versteigerung diente sie 80 Jahre lang als Eichamt, später als Gefängnis und danach als Obdachlosenheim. Inzwischen ist in der Kapelle und der angrenzenden Scheune das Heimat- und Weinmuseum untergebracht.
In der Nachbarschaft steht das älteste Fachwerkhaus im Ort. Es wurde im Jahr 1484/1485 als Zehnthof errichtet. Etwa aus der gleichen Zeit stammen Teile der Pfarrkirche St. Stefanus, mit einer Kanzel aus der Werkstatt des Klosters Himmerod in der Eifel. Und der über 400 Jahre alte Kurtrier Hof in der Tränkgasse ist Sehenswürdigkeit und Straußwirtschaft zugleich.
Sekt aus Leiwen für gekrönte Häupter
Die Reben der Winzer wachsen in der „Leiwener Laurentiuslay” oder im „Klostergarten”. Immer am 3. Wochenende im August und dem Weinlesefest am ersten Wochenende im September feiert die 1600-Einwohner-Gemeinde ihren Wein.
Doch Leiwen ist nicht nur eine der größten Weinbaugemeinden an der Mosel. Mit Klaus Herres lebt auch einer der renommiertesten Sektwinzer Deutschlands im Ort. Wohl kein anderer hat so viele Preise gewonnen. Er war einer der Ersten im Tal, die auf den prickelnden Schaumwein nach dem Prinzip der traditionellen Flaschengärung setzten.
Bundespräsidenten, Königin Silvia und Bill Clinton haben ihn schon getrunken, denn seit 1999 wird der St. Laurentius-Sekt im Berliner Schloss Bellevue ausgeschenkt. Inzwischen stellt Hoflieferant Klaus Herres in Le Mesnil sur Oger, einem der bekanntesten Dörfer in der Champagne, auch seinen eigenen Champagner her.
Restaurant Lex in der Sektstuff
In der ehemaligen Sektstuuf St. Laurentius der Familie Herres ist heute das Restaurant Lex untergebracht. Instagrammer teilen die Bilder der frischen Food-Kreationen und des historischen Gemäuers an der Euchariusstraße. Auch das Dhrontalkraftwerk an der Mosel, Baujahr 1913, wird immer wieder gerne abgelichtet.
Aber noch häufiger wird am Josefsberg auf den Auslöser drückt. Denn ein Fotohotspot kommt an der Mosel selten allen: Rund um die kleine Kapelle wurde ein Rastplatz mit einer Reihe von Nettigkeiten angelegt. Zum Beispiel hölzerne Sonnenliegen, um das Panorama sitzend zu genießen. Wer mag, schaukelt auf einem dicken Fass oder bedient sich für kleines Geld an der Weinbar. Nicht weit entfernt, auf der Anhöhe „Schlösschen” befindet sich ein sogenanntes Moselkino, das die Landschaft in einen großen Holzrahmen fasst. Der gezeigte Film kommt ohne Ton und Schauspieler aus.
Die XXL-Bank in Leiwen
Doch die Hauptattraktion ist die überdimensionierte Josefsbank, die Sitzgelegenheit, surreales Fotomotiv und Aussichtspunkt in einem ist. Auf dem fünf Meter breiten und zwei Meter hohen Giganten aus Holz findet eine komplette Wandertruppe Platz. Herzlich willkommen bei Alice im Wunderland! Man fühlt sich, als wäre man auf die Größe eines Pilzes geschrumpft – genauso sieht es auf Fotos auch aus.
Mit dem Heiligen Josef, dem Schutzpatron der Zimmerleute, haben übrigens weder Bank noch Berg zu tun. Namenspatron ist der Ortsvorsteher Josef Bartel, der den Ginsterberg im Jahre 1900 aufteilen ließ – seitdem spricht man auch vom Josefsberg.
Kunst im Skulpturenpark
Ein gut zwei Kilometer langer Weinlehrpfad führt zum Leiwener Kapellchen, man muss nur der Markierung LE 4 folgen. Der Einstieg in den Pfad liegt am Ortsrand in der Klosterstraße, in der Flur Bohnengarten. Ganz der Nähe versteckt sich die vom Landesmuseum Trier vor Jahrzehnten ausgegrabene und wieder zugeschüttete römische Villa rustica.
Was viele nicht wissen: Gegenüber der Klosterstraße Nummer 66 verbirgt sich hinter einer hohen Mauer ein ganz besonderer Park, wo Besitzer Arnold Laux seine wunderbare Skulpturensammlung präsentiert. Ein 13.000 Quadratmeter großes Kleinod, das mittwochs und samstags zwischen 14 und 19 Uhr netterweise kostenlos besichtigt werden darf.
Entlang der Wege, auf kleinen Wiesen, zwischen heimischen Baum- und Pflanzenarten, finden sich die Werke renommierter Künstler und Künstlerinnen. Menschengestalten, Tierfiguren oder kreative Fantasieobjekte aus Stahl und Stein bevölkern das schöne Fleckchen Erde. Ein Römerkopf aus Sandstein ist zu sehen, eine Büroklammer im XXL-Format oder „Hagebutten”, die sich auf langen Stäben in Richtung Himmel strecken.
Die Kunstwerke sollen in einer natürlichen Umgebung auf die Betrachtenden wirken – und das gelingt. Den hinreißenden Skulpturenpark Bohnengarten sollte man sich nicht entgehen lassen.
ZUM WEITERLESEN: Der verborgene Skulpturenpark Bohnengarten»
Leiwen: Tipps für den Besuch
Tausend Schritte durch die Leiwener Dorfgeschichte: Den historischen Ortskern von Leiwen lernt man am besten bei einer Führung an Seite eines gesprächigen Einheimischen kennen. Mit geübtem Blick zeigen die Guides Sehenswürdigkeiten und erzählen dabei so manches Anekdötchen. Die kostenlosen Führungen starten immer mittwochs um 10 Uhr, von April bis Oktober. Treffpunkt und Anmeldung bei der Tourist-Info in der Römerstraße 1A, 54340 Leiwen, www.leiwen.de
Moselsteig Seitensprung: Der 15 Kilometer lange Wanderweg Moselachter verdankt seinen Namen dem Streckenverlauf. Denn er beschert zwei abwechslungsreiche Rundwanderwege, die an der Zummethöhe starten und auf der Karte einen Weg in Form einer 8 ergeben. Da ist zum einen Kronenbergrunde (Richtung flussabwärts) durch Weinberge und über offene Flur und zum anderen die waldreiche Sonnenbergrunde (Richtung flussaufwärts) mit dem Kletterpark, einem Tiergehege und dem Moselkino als Stationen.
Startpunkt: Aussichtspunkt Zummethöhe, Wanderparkplatz. Die Bushaltestelle Leiwen, Zummet Abzweig L48 liegt unterhalb des Parkplatzes.