In etwa zwei Dutzend Schleifen und Kehren trödelt die Mosel durch die Landschaft. Zwar ist die Moselschleife bei Bremm sicherlich die berühmteste ihrer Art – aber eine andere Flusskurve hat es sogar auf Briefmarken geschafft.
Die Mosel ist nichts für Autofahrer, die möglichst zügig von A nach B kommen wollen. Wahrscheinlich muss man nirgendwo sonst in Deutschland immer wieder so große Umwege fahren. Die vielen Kehren und Schleifen haben den Fluss berühmt gemacht. An manchen Stellen sieht es fast so aus, als würde die Mosel umkehren und zurück zu ihrer Quelle in Frankreich fließen wollen.
Doch jede Moselschleife lohnt einen Ausflug. Denn wo die Mosel „schikanöses gebirgisches Terrain durchstreift“, wie Goethe 1822 auf seiner Flussfahrt notierte, ist die Landschaft besonders imposant. In einer faszinierenden Co-Produktion haben Klima, Wasser und Zeit eines der schönsten Flusstäler in Europa aus dem Rheinischen Schiefergebirge gewaschen.
Berühmte Moselschleife bei Bremm
Obwohl die Entfernung zwischen der Quelle am Col de Bussang und der Mündung bei Koblenz in den Rhein nur rund 278 Kilometer Luftlinie beträgt, legt die Mosel stolze 544 Kilometer zurück.
Zwar dreht sie an ihrem Mittel- und Unterlauf, also zwischen Trier und Koblenz, eine ganze Reihe von attraktiver Ehrenrunden. Doch in der Welt der Moselschleifen ist sie wohl die berühmteste ihrer Art: Die Moselschleife bei Bremm, gelegen an der Bundesstraße B 49 zwischen Cochem und Zell. Keine andere Flussschlinge wird auf Instagram und Co so oft geteilt, sie schmückt die Titelseiten von Magazinen und Reiseführern. Direkt am Calmont – dem steilsten Weinberg Europas – vollführt die Mosel tatsächlich einen formvollendeten Schlenker von rund 180 Grad.
Der Calmont-Gipfel eignet sich ganz ausgezeichnet, um den Schiffen von oben beim Manövrieren durch die engste aller Moselschleifen zuzusehen. Wenn ein langer Frachter kommt, wird es richtig spannend, ob der Käpt’n wohl die Kurve kriegt.
Verschiedene Wanderwege führen zum Aussichtspunkt: Ein kurzer, aber sehr steiler Pfad führt von Bremm hinauf zum Gipfel. Sportlich Ambitioniertere können aber auch durch den Calmont Klettersteig kraxeln. Eine nicht ganz so anspruchsvolle Route führt ab Eller über den Höhenweg. Wem auch das zu anstrengend ist, der fährt einfach mit dem Auto zum nahegelegenen Parkplatz – einfach der L 106 in Richtung Beuren folgen und auf der Kuppe rechts in den Wirtschaftsweg Richtung „Römische Tempelanlage” einbiegen.
Vom Parkplatz muss man nur noch etwa zehn Minuten gehen, um das perfekte Omega zu bewundern, das der Fluss über 200 Meter tiefer bildet.
Moselschleifen bei Cochem
An der Terrassenmosel, auch Untermosel genannt, schiebt sich die Mosel in mehreren weiten Kurven durchs Tal. Wegen seiner eigenwilligen Form wird der Flussabschnitt zwischen Cochem und Bremm Moselkrampen oder auch Cochemer Krampen genannt.
Auf Bezeichnungen, die Außenstehende nicht verstehen, stößt man in der Region immer wieder. Doch diese ist schnell erklärt: Krampen ist ein alten Wort für Klammer. Und tatsächlich: Auf der Landkarte betrachtet, zeichnet der Fluss auf seinem rund 24 Kilometer langen Weg ein doppeltes U in die Landschaft, das mit etwas Fantasie einer Büroklammer ähnelt.
Abkürzen kann man die Strecke nur mit der Eisenbahn: Durch den Kaiser-Wilhelm-Tunnel reduziert sich die Entfernung zwischen Cochem und Bremms Nachbarort Eller auf nur gut vier Kilometer.
Der Erlebnisweg Moselkrampen verbindet die Orte Ernst, Ellenz-Poltersdorf, Beilstein und Bruttig-Fankel auf einem Rundkurs miteinander. Allerdings sind gute Trittfestigkeit und Schwindelfreiheit auf dem anspruchsvollen Wanderweg ein Muss – dafür gibt’s unterwegs Aussichten im Überfluss.
Ein besonders schöner, aber wenig bekannter Aussichtspunkt im Cochemer Krampen ist übrigens der Eiserne Mast. Namensgeber ist der große Strommast auf dem Valwiger Berg. Seit die Kabel in der Erde liegen, versperrt nichts mehr die Sicht auf die Moselschleife.
So entstanden die Moselschleifen
Als es noch Mammuts und Wollnashörner gab, hätte man dort oben am Aussichtspunkt wohl noch mit den Füßen im Wasser gestanden. Denn die Ur-Mosel war mehrere Kilometer breit und verlief rund 180 Meter über dem heutigen Flussbett. Aber vor 15 Millionen Jahren begann sie damit, sich dem Gefälle folgend in Richtung Rhein ein Bett durchs Rheinische Schiefergebirge zu fräsen.
Dabei wurden schon in sanften Biegungen an den Außenseiten Schlamm und Kies abgeschmirgelt, mitgeschleppt und weiter flussabwärts in der Innenseite der Kurve angelagert. Auch härtere Gesteine zwangen das Wasser immer wieder zum Richtungswechsel. So entstanden die vielen Moselschleifen, sogenannte Mäander. Der Begriff stammt vom griechischen Namen Maiandros für den kurvigen Fluss Menderes in der heutigen Westtürkei.
Bei Lieser floss die Ur-Mosel entlang
Natürlicherweise wachsen die Mäander im Laufe der Zeit immer weiter heran. Kommen sich schließlich zwei Schleifen zu nah, kann die schmale Barriere zwischen ihnen durchbrechen. Das Wasser strömt dann weiter auf dem direkten Weg – und vom alten Flusslauf bleiben Altarme oder ansehnliche Trockentäler zurück. So schuf die Ur-Mosel zum Beispiel das Konzer Tälchen.
Von der Paulskirche bei Lieser aus ist eine besonders ungewöhnliche verlandete Moselschleife gut zu sehen: Im ehemaligen Flussbett stehen heute der Mülheimer Geisberg, der Maringer Berg und der Noviander Hüttenkopf. Umlaufberge nennen sie Geologen. Der Name ist etwas irreführend, da heute keine Wassermassen, sondern Wanderer die Hügel umlaufen. Nirgendwo sonst hat sich Ur-Mosel als Bildhauerin der Landschaft ein attraktiveres Denkmal gesetzt. Auch dass dort gleich drei dieser Durchbrüche und Umlaufberge unmittelbar beieinander liegen, ist einmalig an der Mosel.
Der Honigberg biegt sich wie die Ränge eines riesigen griechischen Theaters am Trockental entlang. Durch die Weinberglage führt ein rund fünf Kilometer langer Themenpfad mit dem entzückenden Name „Eidechse auf Moselsuche“. Der Startpunkt liegt am Wassertretbecken im Ortsteil Maring-Noviander Ortsteil Siebenborn. Die Wegweiser führen vorbei an kreativen Insektenhotels und Eidechsenquartieren, hinzu kommen Info-Stelen, die von der jüngeren Erdgeschichte dieser einzigartigen Gegend erzähle
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Moselhandschuh bei Bernkastel und Trarbach
Wer einen Blick auf die Landkarte wirft, kann das natürlich Kunstwerk gut erkennen: Zwischen Bernkastel-Kues und Traben-Trarbach hat die Kurvenkünstlerin Mosel einen Fausthandschuh in die uralte Kulturlandschaft gemalt. Wer das Auto nimmt, fährt 22 Kilometer von Doppel-Städtchen zu Doppel-Städtchen, einmal die gesamte Moselschleife entlang. Doch Wanderer können abkürzen – über den Bergrücken ist es quasi ein Katzensprung.
Ein etwa sechs Kilometer langer Fußmarsch führt vom Trarbacher Weihertorplatz bis in die Altstadt von Bernkastel-Kues. Bei der Rückfahrt mit dem Schiff kann man dann erleben, wie lang sich der Mosel-Handschuh tatsächlich durch die Landschaft zieht.
Moselschleife bei Kröv
Der Blick auf die Landkarte zeigt: Genau dort, wo bei besagtem Fäustling der Daumen seinen Platz hat, umschlingt der Fluss den kleinen Weinort Wolf gegenüber von Kröv.
Nun gibt es viele spektakuläre Moselschleifen zwischen Koblenz und Trier. Doch dieses Panorama hat dem Bundesfinanzministerium so imponiert, dass es die Kröver Moselschleife im Jahr 2016 auf 35 Millionen Doppelbriefmarken (zweimal 90 Cent) drucken ließ. Die Sondermarke mit einer Breite von 2 x 44,20 Millimeter und einer Höhe von 26,20 Millimeter ist Teil der Serie „Deutschlands schönste Panoramen”.
Wer das kleine Kunstwerk in Natura bewundern will, fährt von Kröv aus in Serpentinen hinauf zur Bergkapelle, die mitten in den Weinbergen liegt. Einen noch besseren Blick bietet der etwas höher gelegene Mont Royal.
Preisgekrönte Moselschleife bei Trittenheim
Alle vier Jahre, sozusagen im olympischen Turnus, zeichnet das Deutsche Weininstitut die schönsten Ausblicke auf Weinlandschaften aus. 2016 stand die Zummethöhe ganz oben auf dem Siegertreppchen – herzlichen Glückwunsch zum Titel „Schönste Weinsicht”!
Das ist zwar ein Weilchen her, aber die goldmedaillenmäßige Sicht auf die Moselschleife zwischen Leiwen und Trittenheim können wir natürlich auch heute noch bewundern. Man muss im Ort nur den Schildern „Zummethöhe” folgen, auch der Wanderweg Moselachter führt dort entlang.
Moselschleife mit Aussichtsturm
Viele Flussschleifen und Kurven weiter stromabwärts kann man auch nüchtern betrachtet die Mosel doppelt sehen. Dafür muss man sich nur auf den Prinzenkopfturm im Zeller Hamm begeben. Hamm leitet sich vermutlich vom lateinischen Wort hamus ab, was so viel wie Haken bedeutet und auf die Form dieser etwa 14 Kilometer langen Moselschleife anspielt. Tatsächlich verwirrt der Flussverlauf, da die Mosel den Turm beidseitig umspült. Dieses Panorama ist außergewöhnlich.
Wander-Tipp: Startpunkt der Route liegt in Bullay, wo die Zeller Schleife beginnt. Vom Bahnhof geht es über die Doppelbrücke, schließlich über die Höhe am Prinzenkopfturm vorbei nach Reil, von wo aus die Moselweinbahn zurück nach Bullay oder nach Traben-Trarbach zockelt.
Auch in Detzem kann das Auge auf Entdeckungsreise gehen: Fünf-Seen-Blick heißt der Turm im Detzemer Wald. Der Name ist Programm, denn von der rund 30 Meter hohen Aussichtskanzel sieht der Flussabschnitt von Schweich bis Klüsserath mit einer guten Prise Fantasie so aus wie fünf voneinander getrennte Seen.
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Camping im Moselbogen
Kurz bevor sich die Mosel an der deutschesten aller Ecken im Rhein verflüssigt, legt sie sich noch einmal mit Schwung in eine elegante Kurve. Im Sommer pilgern die Koblenzer und Koblenzerinnen in Scharen in den Stadtteil Güls, um an der Mosel mit Blick auf die Weinberge in der Sonne zu fläzen. Die wenigen Schattenplätze sind an heißen Wochenenden schon frühmorgens belegt.
Vom Bahnhof im Ort sind es am Ufer entlang nur wenige Minuten bis zur Liegewiese zu laufen. In der Nachbarschaft breitet sich der Campingplatz Gülser Moselbogen aus, auf dem Reisende rund ums Jahr im Zelt, im Wohnmobil oder in einem Schäferwagen nächtigen können.