Manches Kleinod an der Mosel wird von Ortsunkundigen nur zufällig entdeckt. Die kleine Paulskirche in Lieser ist so eine versteckte Perle. Alleine die Lage lohnt den Besuch. In die Kirche gehen und dort ein Glas Wein genießen? Auch das ist möglich.
Lieser liegt gleich in der Nachbarschaft von Bernkastel-Kues. Genau dort, wo sich das Flüsschen Lieser nach seinem langen Weg durch die Eifel in die Mosel ergießt. Wer im Stadtteil Kues am Ufer flussaufwärts am Cusanus Geburtshaus vorbei gefahren ist, hat den Weinort auch fast schon erreicht. Natürlich spielt auch hier der Riesling die erste Geige. Doch bekannt ist Lieser vor allem für sein gleichnamiges Schloss, das prominent am Moselufer steht und nach jahrelanger Sanierung ein exklusives Hotel mit Restaurant beherbergt.
Der Ort, der Flüsschen, das markante Schloss – alles, was wichtig ist, heißt hier Lieser. Dann sind da aber noch die alte Poststation auf der Strecke von Wien nach Brüssel, den die Grafen von Thurn und Taxis im 16. und 17. Jahrhundert unterhielten, und die vielen schönen, alten Bürger- und Winzerhäuser. Überragt wird die 1300-Seelen-Gemeinde von der 1782 erbauten, spätbarocken Pfarrkirche St. Peter auf einem Felsen.
Kleinod im Weinberg
Doch wenn man die Paulsstraße immer wieder hinauf geht und die Häuser hinter sich lässt, gelangt man an einen zauberhaften Platz, den viele immer noch nicht kennen. Denn mitten in den Weinbergen, etwa zwei Kilometer vom Marktplatz in Lieser entfernt, erhebt sich eine der ältesten Kapellen der ganzen Region.
Wer auch immer diesen grünen Berg gewählt hat, um darauf diese kleine Kirche zu errichten, hat Fingerspitzengefühl bei der Wahl der Lage bewiesen. Denn die Aussicht über die ehemaligen Moseltäler ist atemberaubend. Der Blick schweift über weiter Felder und Rebstöcke am steilen Hang, über Siebenborn, Maring-Noviand und Lieser. In der Ferne kann man sogar noch die Ortschaften Veldenz und Burgen erkennen.
Wunderbar, was hier für eine Landschaft entstand, weil sich die Mosel auf ihrem langen Weg nach Koblenz vor über 100 000 Jahren anders entschied. So lange liegt das Flussbett unterhalb der Paulskirche nämlich schon trocken.
Paulskirche als Wallfahrtsort
Die Ursprünge dieses kleinen Gotteshauses über der ehemaligen Moselschleife reichen wohl bis in vorchristliche Zeiten zurück. Denn der Legende nach befand sich vermutlich einst eine Kultstätte an selber Stelle. Eine Kirche wird in offiziellen Dokumenten erstmals im 13. Jahrhundert erwähnt.
Doch mit immerhin über vier Jahrhunderten auf dem Buckel, blickt auch das Bruchsteingebäude, das heute auf dem Paulsberg steht, auf eine lange, bewegte Geschichte zurück. Denn trotz der abgeschiedenen Lage ist in dem Kirchlein schon von jeher viel los.
So pilgerten im Mittelalter die Gläubigen aus vierzehn Dörfern der Umgebung auf den Paulsberg. Sie kamen in Scharen aus Wehlen, Altrich und Piesport sowie aus Bernkastel, Brauneberg oder Osann. Denn eine Kreuzreliquie machte die Paulskirche zum Wallfahrtsort. Zudem war sie bis zum 16. Jahrhundert die Pfarrkirche von Lieser.
Später bekam die kleine Kapelle für die Demokraten der Region sogar eine politische Bedeutung. So versammelten sich im Oktober 1848 etwa 15.000 Menschen auf dem Berg, um gegen die Not der Moselwinzer zu protestieren. Tatsächlich war es eine der größten Kundgebungen der gesamten Rheinprovinz. Der Grund für die Wahl dieses Ortes lag vermutlich an der Namensgleichheit mit der Paulskirche in Frankfurt, wo die erste Nationalversammlung zusammen getroffen war.
Der Paulsbruder Rickes
Zuvor hatten 200 Jahre lang Eremiten in einer Klause im Vorbau des Kirchleins gelebt. Tatsächlich waren die Einsiedler derzeit durchaus gern gesehene Gäste, hielten sie doch ein Auge auf die einsam gelegenen Kapellen in der Region.
Der letzte seiner Art, Johann Christoph war sein Name, war als „Paulsbruder Rickes“ bei den Leuten in der Gegend wohl bekannt. Nicht nur, weil er sein Leben weitgehend mit Almosen finanzierte. Er hielt Ziegen, läutete die Glocke, kümmerte sich um die Andacht und hielt vor allem die Kapelle schön in Schuss.
Doch nachdem der letzte Bewohner der Klause gestorben war, machten sich Plünderer über die Einrichtung des unbehüteten Gotteshaus her. Vieles wurde damals gestohlen. Mitte des 20. Jahrhunderts sollen sich die Lieserer während der Arbeit im Weinberg bei Gewitter mitsamt Kühen in der Paulskirche untergestellt haben.
Beliebtes Pfarrfest am 1.Mai
In den 1970er Jahren wurde die Kirche mit ihrer barocken Malerei erstmals gründlich renoviert und erhielt so wieder ihr ursprüngliches Gesicht. Seitdem wird dort jedes Jahr am 1. Mai das Pfarrfest der Gemeinde gefeiert. Der Erlös geht in die Instandhaltung des kleinen Gotteshauses.
Bis heute kümmern sich die Lieserer mit großem Engagement und Herzblut um seinen Erhalt. Zuletzt wurde die Paulskirche umfangreich saniert, denn nicht nur der Putz bröckelte von der Decke. Hagel und Feuchtigkeit hatten den alten Mauern zugesetzt. Tatsächlich war das Türmchen sogar so ramponiert, dass die kleine Glocke gar nicht mehr geläutet werden durfte. Doch repariert und frisch gestrichen ist jetzt alles wieder tipptopp.
Gut so, denn das Kleinod dient Paaren als überaus beliebte Hochzeitskirche. Auch zur traditionellen Nikolausmesse und am ersten Weihnachtstag sind alle Bänke besetzt. Und zwischen Mai und Oktober wird das Kirchlein an Sonntagen auch von Wanderern, Einheimischen und zufälligen Passanten gut besucht.
Denn wer plaudern möchte über Gott und Welt, findet an dem inspirierenden Ort schnell Gesellschaft. Doch auch wer Stille und Einkehr sucht, kann auf dem Paulsberg Kraftstoff für die Seele tanken. Da ist vor allem die sagenhafte Fernsicht über die Täler, die einfach jeden berührt.
Und da ist noch etwas, was die kleine Kapelle in die Reihe der besonderen Ausflugsziele stellt: Wer den Vorraum der Kirche betritt, wird staunen. Denn dort werden Weine von heimischen Winzern und alkoholfreie Getränke zur Selbstbedienung angeboten. Natürlich versteht sich der kleine Obolus in die Kasse des Vertrauens von selbst. Das ist Ehrensache an diesem besonderen Ort.
Infos für den Besuch der Paulskirche
Öffnungszeiten: Die Paulskirche ist an Sonn- und Feiertagen ab dem 1.Mai bis Ende Oktober von 10 bis 17 Uhr für Besucher geöffnet. Führungen: Nach Vereinbarung unter der Telefonnummer 0 65 31-24 24 oder 0 65 31-64 57.
So kommt man hin: Entweder über die Paulsstraße in Lieser oder über Maring-Noviand. Ab dem winzigen Ortsteil Siebenborn führt ein Sträßchen durch den Weinberg. Ein Parkplatz liegt gleich neben der Kirche.
Und wenn man schon mal da ist …
Sehenswertes nahe der Paulskirche
Der Aussichtsturm. Von der Paulskirche führt ein Wanderweg in etwa 20 Minuten zum Aussichtsturm auf dem Grainskopf in den Wehlener Wäldern. Der Weg ist ausgeschildert.
Er bietet einen schönen Rundumblick über die Weinberge von Lieser bis hin nach Zeltingen-Rachtig mit der neuen Hochmoselbrücke. Wer allerdings nicht schwindelfrei ist, hat schon beim Aufstieg über die Gittertreppen schlechte Karten.
Dorfidylle erleben. Der Paulskirche zu Füßen liegt rechter Hand Siebenborn. Der Ortsteil von Maring-Noviand ist winzig, doch dafür umso schöner. Eine idyllisches Fleckchen Erde mit historischen Gebäuden, Pferden auf der Koppel und unberührter Natur.
Der insgesamt rund 60 Kilometer lange Maare-Mosel-Radweg läuft hier unmittelbar an der Lieser entlang. Denn die stillgelegte Bahntrasse verbindet Daun in der Eifel mit Bernkastel-Kues an der Mosel. Eine Wassertretanlage am Ortseingang bietet qualmenden Socken Abkühlung an heißen Tagen.
Wein trinken. Einen Besuch wert ist das hübsche, alte Klostergebäude mit der ockergelben Fassade. Denn der historische Klosterhof Siebenborn beherbergt das Öko-Weingut Arthur Melsheimer mit einem über 850 Jahren alten Weinkeller. Das Gemäuer gehört zu den ältesten seiner Art in der Region.
Einkehren. Im benachbarten Restaurant Klostermühle Siebenborn, mit schöner Terrasse und Lieser-Blick, wird Regionales aus Eifel, Mosel, Hunsrück kredenzt – verbunden mit italienischer Kochkunst.
Kunst in der Paulsstraße
Kunstgucken. In der Paulsstraße, die zur Paulskirche in den Weinberg führt, liegt die Kulturwerkstatt Paulushof von Mana Binz. Schon das Gebäude selbst ist sehenswert, denn die Künstlerin hat mehrere Häuser aus vorigen Jahrhunderten durch Glas-Stahl-Konstruktionen miteinander verbunden und mit großem Aufwand umgestaltet. Doch die Hauptattraktion sind natürlich die Kunstobjekte in ihrem Atelier.
Verkosten. Ebenfalls in der Paulsstraße betreibt Wolfgang Kuntz seine kleine Brennerei. Seine Edelbrände sind ausgezeichnet. Im Wortsinn. Denn sie gewinnen immer wieder internationale Preise. Verkostungen und Verkauf nach Vereinbarung unter Tel. 0176-43298120
Staunen. Mitten in Lieser hat Alois Heid ein privates Heimatmuseum eingerichtet. Zu sehen sind Gerätschaften der Küfer und Winzer genauso wie historische Kostbarkeiten aus dem Schloss Lieser. Über viele Jahre hat der Besitzer eine unglaubliche Sammlung an Gegenständen zusammengetragen.
Besuchstermine nach Vereinbarung unter Tel.: 0 65 31 / 27 77.
Schlossbesuch. Unmittelbar an der Mosel steht das Schloss Lieser. Es wurde 1885 von dem reichen Industriellen Eduard Puricelli gebaut. Dessen Tochter und Alleinerbin Maria lebte hier später mit ihren Kindern und ihrem Mann, dem preußischen Minister Freiherrn Clemens von Schorlemer.
Die Gebäude sind teils im Stil der Neurenaissance, teils etwas später im Jugendstil erbaut. Über 10 Jahre lang wurde das Schloss saniert, renoviert und mit Liebe zum Detail eingerichtet. Heute ist darin ein Hotel mit Restaurant untergebracht.
Tierisches. Wandern mit Alpakas – auch das geht neuerdings in Lieser. Denn die Tier-Farm namens Aboyomi bietet Kindern und Erwachsenen geführte Spaziergänge mit den flauschigen, kleinen Verwandten der Lamas. Ausgangspunkt für die Tour ist die Weide der Tiere in Lieser. Dann geht es über gut befestigte Wege vorbei an Weinbergen, Obstbäumen und Wiesen.
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