Noch nie in Ediger-Eller gewesen? Dann haben Sie keinen Schimmer, was Ihnen entgeht. Denn es gibt eine umtriebige Dorfgemeinschaft und die pure Mosel-Romantik. Und dann ist da noch die Sache mit dem gemeinsamen „Stohlgang”.
Lauschige Gassen mit verspielter Architektur – in Ediger-Eller geht es malerisch zu. Bereits die Lage der Gemeinde an der wohl berühmtesten Moselschleife ist spektakulär. Die Ortschaften Ediger und Eller befinden sich dort, wo die Weinberge quasi senkrecht in Richtung Himmel steigen. Wie Schwalbennester kleben die Parzellen am Hang. Zusammen mit den Dörfern Neef und Bremm zählt die Doppel-Gemeinde zur Calmont-Region.
In Sichtweite steigt namensgebende Calmont mit respekteinflößenden 68 Grad Hangneigung empor. Der steilste Weinberg Europas verlangt den Weinbauern die Geschicklichkeit einer Bergziege ab. Zwar ist der Klettersteig, der den Calmont durchzieht, längst kein Geheimtipp mehr. Aber selbst wenn Dutzende unterwegs sind, kann dies dem Charme dieser Landschaft wenig anhaben.
Terrassenmosel wird dieser Flussabschnitt genannt. Die Mosel legt ab hier noch 73 Kilometer bis zu ihrer Mündung in den Rhein am Deutschen Eck in Koblenz zurück. Dank Kaiser-Wilhelm-Tunnel, der sich mit einer Länge von 4.205 Metern durch die Berge bohrt, brauchen Züge vom Bahnhof im Ortsteil Eller nur knappe 10 Minuten bis ins 15 Kilometer entfernte Cochem.
Beste Aussicht über Ediger-Eller
Wer sich einen ersten Überblick verschaffen will, steuert am besten den fabelhaften Aussichtspunkt in den Weingärten oberhalb von Ediger an. Wenn man das Stadttor über die Bergstraße hinter sich lässt und den Wirtschaftsweg rechter Hand immer weiter hinauf fährt, gelangt man an diesen Panorama-Platz.
In der Ferne ist der Calmont zu sehen, links schiebt sich der Petersberg ins Bild. Und unten im Tal breiten sich am Ufer der Mosel die Häuser von Ediger und Eller aus.
Dieses kleine Fleckchen Erde blickt auf mehr als 1350 Jahre Geschichte zurück: Die ersten Siedler waren die Kelten. Danach brachten die Römer den Wein, dicht gefolgt von den Franken, die ihre Spuren in der Sprache hinterließen. Herzlich willkommen in Edscha-Ella – die Mundart ist bis heute quicklebendig.
Moselromantisches Kleinod
Man sieht muckeligen Fachwerkschick aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, stapft über Kopfsteinpflaster und schreitet durch mittelalterliche, steinerne Tore. Wein und Efeu klettern die Fassaden entlang, Armeen von Blumenkästen bevölkern die Gassen.
Dort die Höfe des Klosters Stuben, da die der Grafen von Pyrmont. Und kaum umgedreht, grüßt schon das historische Weingut Freiherr von Landenberg am Mosel-Ufer. Ein 800 Jahre altes Schmuckstück mit Erker, Turm und Hauskapelle, wo man sich auf herrlichen Rastplätzen im Rosengarten niederlassen kann.
Kaum ein anderer Ort im Tal glänzt mit so viel Giebelfachwerk, Adelssitzen und Klosterhöfen auf so engem Raum. Hier wurde einst solide gebaut. Sogar von der sieben Meter hohen Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert ist noch ein guter Teil bis heute erhalten.
Es ist ein moselromantisches Bilderbuch durch das Besucher hier spazieren. Dennoch wird das Kleinod, dessen Stadtbild mit der kleinen Schwester Beilstein durchaus mithalten kann, immer noch als Geheimtipp gehandelt. Aber Ediger-Eller ist kein Museumsdorf. Ganz und gar nicht. Es gibt einen Dorfladen, eine Reihe von Weingütern und den Campingplatz.
Der historische Christoffel-Hof, Baujahr 1899, war lange der gesellschaftliche Mittelpunkt der Gemeinde. In den Räumlichkeiten wurden Pferde untergestellt, Bürgermeister vereidigt, Filme auf Leinwand gezeigt. Getanzt und gefeiert wurde auch. Frisch renoviert, soll der Saal nun für Theateraufführungen oder Konzerte dienen. Daneben wurde ein Coworking Space, sprich Dorfbüro, für digitale Nomaden und alle, die nicht alleine arbeiten wollen, eingerichtet.
Viele Dorfbewohner leben schon seit Generationen in den historischen Mauern. Auch Zugezogene haben hier ein neues Zuhause gefunden. Es gibt erstaunlich viele junge Familien. Doch jeder kennt jeden. Wenn etwas passiert, dann geht das schneller viral als auf Facebook.
Rundgang durch Ediger
Natürlich behaupten viele Ort von sich, besonders schön zu sein. Ediger-Eller hat es allerdings schriftlich: Denn beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft” wurde die Doppelgemeinde immerhin mit einer Goldmedaille belohnt. Um auf dem Siegertreppchen zu landen, wurde saniert als gäbe es kein Morgen. Dabei haben die Menschen das fabelhafte Kunststück vollbracht, barocken Mief aus den mitunter handtuchschmalen Gassen zu kehren und dennoch ihr historisches Erbe zu bewahren.
Inzwischen zeigen etliche Fachwerkbauten wieder ihre ursprünglichen Fassaden. Zumeist über 100 Jahre lang waren sie hinter Putz versteckt, denn nur so durften ihre Besitzer nach 1860 eine günstige Feuerversicherung abschließen.
Mit Hilfe des Ortsplan von der Tourist-Info kann man Alt-Ediger auf eigene Faust erkunden. Wer jedoch Geschichten hören will, die nirgendwo nachzulesen sind, bucht eine Führung mit einem echten Ediger Urgestein.
Guide Norbert Krötz leitet Gruppen auch in die versteckten Winkel seiner Heimatgemeinde und lässt dabei die eine oder andere Anekdote einfließen, sogar im moselfränkischen Dialekt.
Der Rundgang startet am Holle Häisje in der Pelzerstraße, dass heute die Tourist-Information beherbergt. Anmutig und windschief steht das Fachwerkhaus schon seit 1623 am Fluss. So märchenhaft, dass es nicht erstaunen würde, sollte darin Schneewittchen als Mitarbeiterin sitzen.
An den Markierungen an der Hauswand kann man ablesen, wie hoch die Fluten der eigentlich so beschaulichen Mosel manchmal steigen. Am Schwalbensaal hingegen werden die Ankunfts- und Abflugzeiten der Vögel seit den 80er-Jahren notiert.
In Ediger sind Häuser Sehenswürdigkeiten
Natürlich kann man sich in Ediger-Eller auch an fast jeder Ecke einen zwitschern. Etwa in einer der urigen Straußwirtschaften in den Gassen oder in der Wein-Lounge am Moselufer in Eller. Vielleicht im Weingut Zens, wo ein Kräuterlikör mit dem geheimnisvollen Namen Bruder Heinrich auf der Karte steht oder im Springiersbacher Hof, einem Weingut mit Restaurant in einem herrlichen Barockbau.
Denn es ist vor allem die historische Architektur, die Ediger so sehenswert macht. Da stehen zum Beispiel das vermutlich höchste Fachwerkhaus der Region oder das herausgeputzte Schulgebäude, Baujahr 1540, neben der Kirchenpforte. Ein beliebtes Fotomotiv ganz im Sinne der Moselromantik ist auch die Dorfschönheit in der Hochstraße 28.
Und eine kleine, liebevoll restaurierte Synagoge gibt es auch. Als Haus der Psalmen dient sie der Erinnerungsarbeit und dem Gedenken. Auf dem vier Kilometer langen Kulturweg der Religionen kann die Bedeutung des keltischen Naturglaubens, der römische Reichsreligion, des Judentum und des Christentums für das Leben im Dorf erlaufen werden.
Zu den weiteren Sehenswürdigkeiten des Ortes gehören die Skulpturen von Rudolf Franzen, die über Ediger verteilt sind. Etwa am Gemeindehaus, in der Berg- oder der Kapellenstraße. So trifft man zum Beispiel auf das Brautpaar Ellerer Mädsche und Edscherer Jung oder die Objekte Weinwanderung und Liebe in der Verschmelzung. Die Werkstatt des Schmiedemeisters in der Kapellenstraße gleicht einer OpenAir-Galerie.
Über den Köpfen glitzert das achteckige Aushängeschild der Gemeinde: Die Ediger sind stolz auf den Kirchturm von St. Martin, den die Fachwelt sogar als den am reichsten verzierten seiner Art in ganz Europa feiert. Dann ist da natürlich noch die Kreuzkapelle mit dem 500 Jahre alten Steinrelief „Christus in der Kelter”.
Ediger und die Alphornbläser
Vor allem aber sind da die vielen engagierten Bürgerinnen und Bürger der Doppelgemeinde. Ob nun Kindertheater oder Straßenfeste, Weinverkostungen oder Fußballturnier – irgendetwas geht immer. Kein Wunder, die umtriebige Dorfgemeinschaft, die knapp 1.000 Köpfe zählt, ist in sage und schreibe über 30 Vereinen und Gruppen organisiert.
Da ist der Karnevalsclub oder die Römergruppe. Von Brauchtumspflegern bis zu Anglern sind sämtliche Interessen vertreten. Tatsächlich haben sich sogar Alphornbläser an der Mosel zusammengetan. Was sich hinter den „Eijefaasdouedängeler” verbirgt? Die Männer und Frauen machen mit Eichenbrettern Musik.
Über zehn Winzerbetriebe kümmern sich um den Wein. Ihre Reben wachsen im Feuerberg, Hasensprung oder Osterlämmchen. Herrlich, diese Namen, bei deren Findung die Kirche offenbar ein Wörtchen mitzureden hatte. In Eller kann man Engelströpfchen, Weine aus dem Pfirsichgarten und direkt aus der Höll genießen.
Weinfest mit Stohlgang
Ein Geheimtipp ist der Elzhofberg, genannt Elzig. Der Weinberg erhebt sich ein gutes Stück vom Ortskern entfernt, genau dort, wo der fast 800 Jahre alte Turm mutterseelenallein an der B 49 steht. So war das natürlich nicht immer: Bis um 1900 war er noch als Teil des Hofguts Lehmen von einer kleinen Siedlung umgeben. Heute markiert er die von Kennern geschätzte Spitzenlage Ediger Elzhofberg. Dieser sonnenverwöhnte Rebhang zählt schon lange zum Tafelsilber am Fluss – die wiederentdeckte Weinlagenkarte von 1897 ist der Beweis.
Auf dem Berg gegenüber liegt die versteckteste Sehenswürdigkeit der Region: Bruder Heinrichs Einsiedelei. Die Geschichte des Eremiten lässt man sich am besten im Ort bei einer Verkostung der Tropfen aus dem Elzhofberg erzählen. Bei der Gelegenheit erfährt man dann auch, was es mit dem gemeinschaftlichen Stohlgang auf sich hat.
Ein wenig seltsam mutet der Name dieser Veranstaltung für Außenstehende an, doch der Edschara Stohlgang bewegt das ganze Dorf. Schon seit 1986 gibt es das Spektakel am Montag nach dem Weinfest im August. Aus allen Himmelsrichtungen reisen Gäste an, um mit den Einheimischen zusammen die verwinkelten Gässchen zu belagern. Ausgestattet mit Käse, Wein und Wurst wird gefeiert bis in die Nacht. Wer keinen Stuhl dabei hat, ist aufgeschmissen.
Noch nie in Ediger-Eller gewesen? Nun wissen Sie, was Ihnen entgeht.
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