Nach acht Jahren Bauzeit steht er da, dieser 1.700 Meter lange Strich in der Landschaft. Der Widerstand gegen das Projekt war groß – doch zur Eröffnung stapften Tausende von Menschen über die Hochmoselbrücke. Ein Bürgerfest der etwas anderen Art.
Sie kamen zu Fuß, per Fahrrad oder zogen Kinder im Bollerwagen hinter sich her. Auch Hunde wieselten neugierig durch die Menge. Was ursprünglich als beschauliches Bürgerfest mit Kartoffelsuppe geplant war, entwickelte sich zu einem luftigen Massen-Event.
Denn dieses einmalige Erlebnis wollten sich Tausende von Menschen nicht entgehen lassen: Zum Ende der Bauarbeiten und vor der offiziellen Freigabe für den Verkehr, durfte jeder, der wollte, über die neue Hochmoselbrücke spazieren.
Acht Jahre Bauzeit
Acht Jahre lang war hoch über der Mosel geschweißt, gedübelt, betoniert und gebaggert worden. Am Ufer prägten riesige Kräne das Landschaftsbild. Dann wuchsen nach und nach zehn Pfeiler bis zu 160 Meter in den Himmel.
Immerhin knapp 40.000 Kubikmeter Beton stecken in den Unterbauten mit Pfeilern. Mehr als 32.000 Tonnen Stahl wurden für die Fahrbahn verbaut und Zentimeter für Zentimeter vom Hunsrück in Richtung Eifel über die Stützen geschoben. Zum Schluss haben die Arbeiter eine Fläche von rund vier Fußballfeldern asphaltiert.
Der Koloss aus Stahl und Beton galt als das seinerzeit größte Brückenbauprojekt in Europa. Und kein anderes war so umstritten wie jenes, das offiziell Hochmoselübergang heißt.
Tatsächlich ist die Idee, mit einer Brücke die Lücke zwischen Eifel und Hunsrück zu schließen, mehr als vierzig Jahre alt. Und von Anfang an begleiteten Proteste den Bau von Deutschlands zweithöchster Brücke nach der Kochertalbrücke (185 Meter).
Zunächst scheiterte das Vorhaben lange am Geld. Später folgten Klagen, Baustopps, Petitionen und Demonstrationen. Bis zuletzt trommelten Naturschützer und Winzer gemeinsam mit Anliegern im Moseltal gegen den Brücken-Giganten der Superlative. Sogar die BBC und die New York Times berichteten darüber.
483 Mio für Hochmoselübergang
2003 erfolgte der Spatenstich an den Zufahrtsstraßen zur Hochmoselbrücke. Ab 2011 wurde gebaut. 2012 starteten die Arbeiten für den ersten Pfeiler. Der erste Verschub des Brückenüberbaus vom Vormontageplatz in Richtung des ersten Pfeilers folgte im Herbst 2013.
Im August 2018 feierten Ingenieure und Prominenz den Brückenschlag der gigantischen Brücke zwischen Ürzig und Zeltingen-Rachtig.
Und im November 2019 war der Hochmoselübergang tatsächlich fertig. Allerdings mit mindestens 483 Millionen Euro rund 200 Millionen Euro teurer und zudem drei Jahre später als geplant.
Bürgerfest auf Hochmoselbrücke
Heute spannt sich ein 1700 Meter langes Bauwerk über die Mosel. Wie ein Strich in der Landschaft ruht die Fahrbahn auf mächtigen Pfeilern.
Für die einen ist es Monstrum, für die anderen ein Meisterwerk der Ingenieurskunst und Entlastung des Verkehrs.
Auf den insgesamt vier Spuren ist Tempo 100 erlaubt. So schnell unterwegs, braucht man nur noch eine Minute, um von der einen Seite zur anderen zu kommen. Doch bevor Autos und Lastwagen über die Brücke donnern durften, wurde am 16. November 2019 zum Bürgerfest mit Kartoffelsuppe geladen. Und sie kamen Scharen.
Die Ersten waren schon da, als am Morgen noch dichter Nebel die neue Hochmoselbrücke verhüllte. Sie drängten sich um den Weinstand, auf der Jagd nach einem Glas mit dem Aufdruck „Hochmoselbrücke”.
Schon gegen 11 Uhr wuchs die Schlange am einzigen Kartoffelsuppenstand auf 20 Meter an und so mancher verkniff sich den Hunger. Und mit der Sonne kamen immer mehr.
Geschätzte 8.000 bis 10.000 Männer, Frauen und Kinder stapften den Hügel zum Brückenkopf hinauf. Sie parkten in Weinbergen, nahmen Abkürzungen durch Schiefergeröll und Schlamm.
Manche kletterten ungelenk durch Leitplanken, um endlich über die Brücke flanieren zu können. Denn diese Gelegenheit kommt sicher nicht wieder.
Denn am Donnerstag darauf, am 21. November, wurde das Bauwerk mit großem Tamtam und Politiker-Konvoi für den normalen Verkehr freigegeben. Für Fußgänger wird sie von nun an für immer gesperrt sein.
Um künftig einen Blick auf das Tal und die riesige Hochmoselbrücke werfen zu können, entsteht oberhalb von Zeltingen-Rachtig eine außergewöhnliche Aussichtsplateau. Geplant ist ein 150 Meter langer Steg in Bumerangform und ein rund 600 Meter langer bodennaher Steg aus Stahl. Der Landesbetrieb Mobilität (LBM) Rheinland-Pfalz in Koblenz geht davon aus, dass die neue Attraktion im Laufe des Jahres 2023 fertig werde.