Was hat Ürzig mit Harley-Fahrern und erfolgreichen Fußballspielern zu tun? Warum ist der Ürziger Würzgarten einer wie keiner? Und was versteckt sich hinter der Sonnenuhr? Wissenswertes über den kleinen Ort im Moselhandschuh.

Weinhöfe und reichverzierte Fachwerkhäuser aus vier Jahrhunderten drängen sich dicht an dicht. Mittendrin reckt sich ein Kirchturm aus spätgotischer Zeit in den Himmel. Die Gassen sind mitunter so verwinkelt und handtuchbreit eng, dass manche befürchten, mit ihren dicken Autos darin stecken zu bleiben.

All dies liegt aufs Schönste eingebettet in die Weinlage „Ürziger Würzgarten”, dunkelgrüne Wälder und eine dramatische Felsenlandschaft. Der Blick auf das kleine Ürzig ist ganz großes Kino. Besonders am Abend, wenn die Fenster im Dorf hell erleuchtet sind. Denn die Häuser stapeln sich idyllisch den steilen Hang hinauf. 

Hoch ragen die Felswände über der gemächlich vorbeiziehenden Mosel auf. Wer dort oben im Weinberg steht, blickt nahezu senkrecht hinab auf die Straße. Tatsächlich gilt Ürzig hierzulande als die Weinbaugemeinde mit dem höchsten Steillagenanteil.

Ürzig im Moselhandschuh

Viele Wege führen nach Ürzig. Etwa die Moselsteig-Etappe Nummer 12, der Moselhöhenweg oder die Bundesstraße 53. Es gibt es sogar einen kleinen Bahnhof, der vom Linienverkehr zwischen Trier und Koblenz angefahren wird. Und dank Schiffsanleger ist der Weinort auch über den Wasserweg leicht zu erreichen.

Die nächsten Orte sind Zeltingen-Rachtig, Erden und flussabwärts Kinheim. Ürzig liegt am linken Ufer der großen Moselschleife zwischen Bernkastel-Kues und Traben-Trarbach. Weil diese Schleife aus der Luft an einen Fäustling erinnert, wird sie auch Moselhandschuh genannt. Und etwa dort, wo der Zeigefinger im Handschuh stecken würde, breitet sich muschelförmig Ürzig aus.

Die besten Aussichtspunkte

Für einen ersten Überblick empfiehlt sich eine Fahrt über die Serpentinenstraße nach Ürziger Höhe. Denn hinter jeder Kurve eröffnet sich eine neue Perspektive. Vom Dorf führt sie immer weiter hinauf in Richtung Kröv oder Kinderbeuern. 

Von dieser Straße ist die Felsenlandschaft bestens zu sehen. Nur einmal umgedreht, hat man den Kirchturm und die neue Hochmoselbrücke im Visier. Auch in der Haltebucht am unübersehbaren Fass des Weinguts Berres lohnt der Stopp.

Was jedoch viele verpassen: Läuft man neben diesem Fass über einen Pfad immer weiter in den Weinberg hinein, erreicht man eine Bank mit schönem Ausblick auf die Mosel, die neue Brücke und in enges, dicht bebautes Tal.

Sehenswürdigkeiten aus Stein

Der Ortsteil Ürziger Höhe ist ein echtes Aussichtsreich. Zwar wurden erst 1920 auf dem Berg die ersten Häuser gebaut. Doch mittelweile wohnen dort längst mehr Menschen als unten im Dorf.

Dafür überzeugt der Ortskern unten im Tal mit bis zu über 400 Jahre alten, guterhaltenen Patrizier- und Fachwerkhäusern, die vom Wohlstand der einstigen Bürgerschaft erzählen.

Schon gewusst? In einigen davon sollen Steine der ehemaligen Festung auf dem Mont Royal bei Traben-Trarbach verbaut sein. Denn nach der Schleifung im Jahr 1697 diente die gewaltige Anlage des französischen Baumeister Vauban der Bevölkerung nur noch als Steinbruch.

Weingüter und ein Fußballspieler

Etwa 860 Menschen leben in Ürzig. Es gibt einen Bäcker, eine Metzgerei, einige Restaurants und natürlich Winzer. Etwa Johannes Schmitz vom Weingut Rebenhof, der seine Gäste mit großem Riesling, einer schönen Vinothek und einer einladenden Terrasse mitten im Weinberg Ürziger Würzgarten beglückt.

Doch der wohl berühmteste Sohn von Ürzig war kein Winzer, sondern ein begnadeter Fußballspieler: Edmund Conen, genannt Rolly, wurde 1914 an der Mosel geboren. Noch heute gilt er als der erfolgreichste deutsche Torjäger aller Zeiten – nach dem Bomber der Nation, dem verstorbenen Gerd Müller.

Rotliegendes im Ürziger Würzgarten

Doch bekannt ist der Ort vor allem für den Weinberg, der den Ort umschließt. Immerhin wachsen im Ürziger Würzgarten kräftige, würzige Rieslinge mit feiner Mineralität heran. Vom gegenüberliegenden Campingplatz in Erden hat man freie Sicht auf den Würzgarten links der Sonnenuhr und rechts darüber.

Diese Paradelage ist eine geologisches Besonderheit im Weinanbaugebiet. Denn die Reben stehen auf einem Mix aus Schiefer und Eifler Vulkangestein (Rotliegendes). Ein Gletscher soll den Boden in der Eiszeit aus der Wittlicher Senke an die Mosel befördert haben. Dessen rostrote Farbe resultiert aus dem hohem Eisenanteil.

Wachturm mit Sonnenuhr

Ganz oben über den Weingärten hatten die Kelten vor Urzeiten eine Fliehburg errichtet. Im Mittelalter kamen zwei Ritterburgen im Hang hinzu. Schade, dass nahezu nichts mehr davon übrig ist. Eine der Burgen befand sich auf dem steil abfallenden Felsen mit dem Namen Urley. Doch zurück blieben nur die dekorativen Reste eines Gemäuers, das wahrscheinlich ein Wachtturm war. 

Auf dessen etwa sieben Meter breiten Außenwand zeigt seit dem 18. Jahrhundert eine Sonnuhr präzise die Zeit. Es ist die einzige der alten Sonnenuhren im Tal, die römische statt arabische Ziffern aufweist. Was viele nicht bemerken: Dahinter verbergen sich zwei Wohnräume in übereinanderliegenden Geschossen. Auch Schießscharten sind noch zu sehen.

In einer Nische steht die Holzfigur des Erzbischofs Kuno. Eine dramatische Geschichte. Denn der Kirchenmann ist im Jahr 1066 auf seinem Weg zum Amtsantritt als Trierer Bischof zunächst in der untergegangenen Burg eingekerkert und kurz darauf in Ürzig ermordet worden. Später setzten die Ürziger dem inzwischen heiliggesprochenen Mann ein lebensgroßes Denkmal in der Sonnenuhr.

Aus Ürzig wird Moselbrück

Damals hatten zahlreiche Klöster und der Adel in Ürzig Weinbergbesitz. Das wohl berühmteste Haus am Platz erinnert daran. Es ist der Mönchhof mit seiner auffälligen Fassade im Stil der Neorenaissance, die Ende des 19. Jahrhunderts fertiggestellt wurde. Giebel und Fenster sind reich mit geschwungenen Ornamenten verziert. Mit dem Schriftzug „Salve” über dem Portal werden Besucher und Besucherinnen willkommen geheißen. Manche behaupten, „Salve” stünde für „Säufer aller Länder, vereinigt euch!” Das stimmt natürlich nicht. 

Das Weingut am Ortseingang zählt zu den renommiertesten und ältesten in der Region. Immerhin gehen seine Ursprünge bis ins Jahr 1177 zurück. Zu dieser Zeit erbauten die Mönche den heute noch bestehenden Gewölbekeller. Damals war das Kloster Himmerod der Besitzer. Nach der Säkularisierung unter Napoleon gelangte es nach der Versteigerung in die Hände der Familie Eymael.

Doch im Jahr 2017 trennte sich Winzer Robert Eymael für eine stattliche Summe von 212 Jahren Familienbesitz. Damit wurde erstmals ein Moselweingut an Investoren aus China verkauft. 

Schöner wandern in Ürzig

Viele Menschen an der Mosel kennen das Haus noch aus dem Fernsehen. Denn zwischen 1987 und 1993 diente das barocke Anwesen als Kulisse für 30 Folgen der Serie Moselbrück. An der Mosel ein Straßenfeger. Heute verweist nur noch ein Schild oben im Weinberg auf das fiktive Weingut von Liane Hielscher.

Tipp: Man erreicht diesen Aussichtspunkt über den asphaltierten Wirtschaftsweg neben dem Friedhof im Dorf. Dort oben am Ende des Weges liegt auch der Einstieg in den wunderschönen Themenweg namens Felsenwelt. Wer den schmalen Pfad beschreitet, entdeckt seltene Pflanzen und Winzer, die unter alpinen Bedingungen in winzigen Weingärten auf Felsnasen ernten. Er führt entlang hoher Felswände bis in den Kletterweg im benachbarten Erdener Treppchen. 

Auch ein Spaziergang durch den Ürziger Gewürzgarten ist dufte. Im Wortsinn. Denn auf der Fläche eines ehemaligen Weinberg haben Moselanerinnen mit grünen Daumen dieses blühende Paradies mit tausenden von Pflanzen-Schönheiten nach historischem Vorbild angelegt. Zu jeder Jahreszeit präsentiert sich der Garten in anderen Farben. Nicht nur Gewürze und Heilkräuter versprühen ihr Aroma, sondern auch über zwanzig verschiedene Sorten von Rosen.

So kommt man hin: Von der Straße namens Moselufer zweigt rechts eine Straße in Richtung Weinberge ab. Nach etwa 50 Meter kündigt ein Schild den Einstieg in den GeWürzgarten an. Wer es genauer wissen will: Die Tourist-Info am Rathausplatz 7 vermittelt während der Saison Führungen durch das Gelände. 

Und noch Wandertipp: Wer die steile Altebergstraße immer weiter hinauf geht, gelangt auf einen wildromantischen Hohlweg, den tatsächlich schon die Römer genutzt haben sollen. Aber wer weiß, sehenswert ist er allemal. Linker Hand geht es über Brückchen und Treppen auf dem Rundwanderweg Ürziger Bergpfad durch den Wald.

Harleys auf dem Weinfest

Und Ürzig bietet noch eine Einzigartigkeit: Das Mosel-Event „Harley & Wein”. Bei diesem etwas anderen Heimatfest wird die Weinkönigin mit einer Harley ins Festzelt gefahren. Gerne auch mal angeführt von der örtlichen Trachtenkapelle.

Was mit einer Sternfahrt von etwa 70 Fahrern aus dem Raum Frankfurt im Sommer 1999 begann, dürfte inzwischen eines der größten Harley-Treffen Deutschlands sein. Immer am zweiten Wochenende im August bereichern weit über 1000 Fans der legendären Motorradmarke mit ihren Maschinen das Ürziger Heimatfest. Bei der Mosel-Panorama-Ausfahrt am Samstag beschallt der Konvoi die Mittelmosel mit seinem typischen Sound.

 

Kulinarisches nahe Ürzig

Verkostung mit Panoramablick. Das neue Gebäude mit hellem Holz und riesiger Glasfront im Gewerbegebiet „Ürziger Mühle” fällt auf. Gegenüber von Ürzig hat das renommierte Zeltinger Weingut Selbach-Oster eine schöne Vinothek hingesetzt. Infos zu Öffnungszeiten für Proben und Weinkauf: www.selbach-oster.de

Bier im Kloster. Fünf Autominuten von Ürzig entfernt liegt das Kloster Machern. Mit eigenem Schiffsanleger und riesiger Sonnenterrasse. In der einstigen Krypta werden heute Liköre, Essig und Öle verkauft. Die alten Mauern beherbergen zudem ein Eis-Café und ein (auch architektonisch) empfehlenswertes Restaurant. Im Brauhaus Kloster Machern kommt rustikale Küche auf den Tisch. Vom moselländischen Spundekäse über Winzer-Sülze bis hin zum Braumeisterschnitzel. Ein Bestseller ist der Spießbraten mit Klosterbiersoße.

Aus dem Hahn laufen naturtrübe Bierspezialitäten, die Braumeister Michael Berthold nebenan in seinen Kesseln braut. Zur Brauerei gehört ein Bier-Shop. Gegenüber liegt Zeltingen-Rachtig.