Trittenheim ist bekannt für Wein und bemerkenswerte Panoramen. Der Moselort hat aber noch mehr Interessantes zu bieten. Zum Beispiel Römer-Relikte und die wohl größten Apotheke der Welt. Überzeugen Sie sich selbst.
Goldlack – der Name klingt nach Glamour, Magie und glitzerndem Feenzauber. In Wahrheit jedoch handelt es sich um eine leuchtend gelbe Pflanze, die im Frühling die Landschaft verschönert und ganz nebenbei Bienen betört. Wer den Auftritt live und in Farbe erleben will, begibt sich am besten nach Trittenheim, wo weiße Hollywoodbuchstaben im Hang auf die wohl größte Apotheke der Welt verweisen.
Der Ausflug lohnt sich, denn in dem 1000-Seelen-Ort versammelt sich fast alles, was das Moseltal zwischen Koblenz und Trier ausmacht: Geschichtsträchtiger Boden, tolle Panoramen, Wanderwege und Wein von Namen und Rang. Nur Burgen fehlen. Aber man kann ja nicht alles haben.
Sehenswertes in Trittenheim
Mit dem Auto sind es gut 30 Minuten ab Bernkastel-Kues. Doch bei einer Schifffahrt wird schon die Anreise zum Vergnügen. Flussaufwärts schiebt sich der Ausflugsdampfer gemächlich an Wintrich, Piesport und Neumagen-Dhron vorbei, um nach gemütlichen zwei Stunden in Trittenheim einzutrudeln.
Der Weinort liegt eingebettet in einer prominenten Moselschleife, die man besten von der Zummethöhe im Nachbarort Leiwen begutachten kann. Die Steilhänge in der Flusskurve sind eine Augenweide. Egal, ob Nebel über dem Wasser hängt oder die Sonne glitzernde Muster auf die Mosel malt.
Im Dorf drängeln sich die Häuser dicht an dicht, umzingelt von grünen Wingerten. Die wohl ungewöhnlichste Sehenswürdigkeit ist der Alte Brückenkopf, ein über 100 Jahre altes Überbleibsel der ersten und längst ersetzten Moselbrücke. Das Bauwerk blieb beim Abriss des Vorgängers unberührt, weil es der Fledermausart Großes Mausohr als Wochenstube dient. An Pfingsten wird eine Plane zwischen dem alten und dem neuen Brückenkopf gespannt, damit man vor Regen geschützt „unter den Brücken” feiern an. Zum Beispiel das Jungwinzerfest.
Dahinter steht eine Skulptur. Sie zeigt den Mönch und Gelehrten Johannes Zellers (1462 – 1516), der sich latinisiert nach seinem Heimatort Johannes Trithemius nannte. Trittenheims berühmter Sohn liebte die Bücher. So begründete er eine zur damaligen Zeit einzigartige Klosterbibliothek mit mehr als 2000 wertvollen Bänden und verfasste selbst über 90 Werke. Auch Stefan Andres (1906 – 1970), einer meistgelesenen Schriftsteller der Nachkriegszeit, wurde in Trittenheim geboren. Im alten Ortskern erinnert ein Denkmal an den Autoren. Sein Elternhaus steht im Ortsteil Dhrönchen.
Unterkünfte beim Winzer
Wie ein Wächter thront die kleine Laurentius-Kapelle seit fast 450 Jahren über der Gemeinde. Der Legenden nach starb der Heilige Laurentius den Märtyrertod auf einem glühenden Rost. Seither wird er von Brauern, Köchen und vielen anderen Berufe, die mit Feuer arbeiten, als Schutzpatron verehrt. Winzer bitten ihn um eine reiche Ernte. So lautet ein alter Wetterspruch: „St. Laurentius lass den Weinberg braten, dass die Trauben wohl geraten”.
Immerhin leben viele Menschen in Trittenheim schon seit Jahrhunderten vom Wein. Vor allem den alteingesessenen Familiennamen Clüsserath und Eifel begegnet man in den Straßen auf Schritt und Tritt. Einige der Weingüter bieten in ihren Vinotheken Weinproben an. Wer dabei besonders gründlich ist, kann danach sein Haupt in den zugehörigen Ferienwohnungen oder Gästehäusern zur Ruhe betten. Zum Beispiel im über 300 Jahre Moselkloster in der Moselweinstraße.
Camping-Enthusiasten stellen gerne ihre Wohnmobile und Zelte auf dem charmanten Platz „Im Grünen” neben der Moselbrücke auf. Gegenüber am anderen Moselufer steigt die Trittenheimer Apotheke auf.
Römer-Relikte in Trittenheim
Allerdings geht es in dem Hang nicht um Rezepte und Medikamente, sondern um eine von jeher geschätzte Spitzenlage im Moseltal. Die Weine aus der Trittenheimer Apotheke sind international bekannt, aber eine heilende Wirkung ist natürlich nicht garantiert. Vermutlich geht der historische Name des Weinbergs auf eine Verballhornung des Wortes Abteiberg zurück. Genaues weiß man nicht, aber sicher ist, dass eine Abtei einst Parzellen in der Apotheke besaß.
Früher konnten die Winzer ihre Weinberge nur mit der Fähre erreichen. Von dieser Zeiten blieb das Fährturmpaar am Ufer zurück. Es ist das einzige noch erhaltene an der Mosel. Die Gebäude dienten dem Fährmann als Wohnung und zur Verankerung des Seiles der Pontefähre.
Ponte leitet sich vom lateinischen Wort pons für Brücke ab. Römer haben nicht nur die ersten Brücken aus Stein, sondern auch die Weinkultur an die Mosel gebracht. Heute noch stolpert mitunter ein Winzer im Weinberg über Reste von Amphoren oder Kelteranlagen.
In Trittenheim haben Arbeiter im Hang rein zufällig zwei spätantike Sarkophage aus dem 4. Jahrhundert entdeckt. Wahrscheinlich hat ein wohlhabender Gutsherr diesen Platz als letzte Ruhestätte gewählt, denn Gräber in so exklusiver Lage haben ein Vermögen gekostet. Welcher arme Tropf hat die schweren Särge damals wohl dort hinauf schleppen müssen? „Prachtvoll über der Mosel gelegen“, beschreibt das Ausgrabungsprotokoll die römische Ruhestätte 50 Meter über der Mosel. Heute schauen quicklebendige Ausflügler von diesem Logenplatz hinunter ins Tal.
Tour aufs Fährfelsplateau
Trittfest sollte man schon sein, möchte man dort hinauf. Die Steillagen rund um Trittenheim sind sicher nichts für schwache Knie, dafür aber umso besser für die Trauben. Ein Einstieg liegt am rechten Moselufer, ungefähr 100 Meter flussabwärts von dem historischen Fährturm. Dort ragt der Trittenheimer Fährfels aus dem Apothekerberg heraus. Am Fuße des Hangs befand sich jahrhundertelang der Fähranleger, daher der Name.
115 Stufen und ein kleines Pfädchen leiten zu einem Plateau, wo man Dank zwei Trittenheimer Winzern auf Schieferbänken sitzen und in Ruhe beobachten kann, was rundherum alles wächst, kreucht und flattert: Da sind Mauereidechsen, Weinbergschnecken und vor allem viele viele bunte Schmetterlinge. Wie schön. Aurorafalter, Kleiner Fuchs, Bläulinge und Widderchen! Sogar der seltenen Schwarzen Bär segelt in den sonnenverwöhnten Terrassen des Weinbergs herum.
Die wurzelechten Reben, die auf den winzigen Parzellen rund um das Felsmassiv stehen, sind mitunter so alt wie Methusalem. Pflanzjahr 1900. Allgegenwärtig ist der Duft von Wermut. Im Frühjahr wird das Schiefergestein goldgelb geflutet, wenn der bereits erwähnte Goldlack blüht. Eine Pflanze, die eigentlich Erysimum cheiri heißt und deren süßer Duft frühere Generationen bewog, sie den Veilchen zuzuordnen.
Die Legende erzählt, ein junger Amerika-Auswanderer namens Kornelius Fritsch habe 1897 die Goldlacksamen im Felsen verstreut. Die jährliche Blüte sollte eine wiederkehrende Erinnerung sein für die Menschen, die er in seinem Heimatdorf Trittenheim zurücklassen musste. Wo Goldlack wächst, sind auch Märchen nie weit. Aber wer weiß.
Ausflugsziel Schieferhöhle
Wer nun eine weitere Treppe hinter sich lässt, erreicht nach ein paar hundert Metern die Sarkophage der beiden Römer. Auch dort wurde ein Aussichtsplatz eingerichtet. Von dort ist es nicht mehr weit bis zu einer jederzeit zugänglichen Schieferhöhle. Dabei handelt sich natürlich nicht um die Attendorner Tropfsteinhöhle. Doch auch an diesem übersichtlichen Ort steht man immerhin in 350 Millionen Jahre Erdgeschichte. Und ein kleines Abenteuer ist so eine düstere Höhle allemal. Taschenlampe nicht vergessen!
Nach dem Abstecher führt die Route weiter über den Moselsteig-Seitensprung namens Moselachter zu dem bekanntesten Aussichtsplatz: der Zummethöhe. Ganz weit unten hat der Fluss einen sagenhaft schönen Bogen in die Topografie gegraben.
Straußwirtschaft oder Moselfischer?
Für diejenigen, die nicht so sehr aufs Wandern stehen, gibt es die Trittenheimer Apotheke ja in flüssiger Form. Anlaufpunkte sind die Restaurants, Weingüter oder Straußwirtschaften im Ort. Die Clüsseraths, die Eifels, die Bolligs, die Schmitts, die Hermes – sie alle ernten in diesem Weinberg.
Nicht so Thomas Weber. Seines Zeichens einer der wenigen verblieben Berufsfischer an der Mosel. In seinem Restaurant Zum Moselfischer in Trittenheim können Gäste Überraschungs-Menüs mit Zander, Wels, Flusskrebsen oder Barsch aus den eigenen Fängen genießen. Mit Weinbegleitung, versteht sich.
Ein nicht alltägliches Erlebnis sind die buchbaren Touren auf der Mosel. Dabei haben Interessierte die Gelegenheit, dem Fischwirtschaftsmeister bei der Arbeit zuzuschauen. Am „Tag mit dem Moselfischer” geht es mit zwei Booten auf den Fluss. Es wird zum Beispiel gezeigt, wie Netze und Reusen gestellt und gehoben werden, unterwegs lernt man allerhand über das Ökosystem Mosel. Viele hören zum Beispiel zum ersten Mal über das wundersame Leben der Aale, die ausschließlich in der 6000 Kilometer entfernten Sargassosee laichen.
Um sich vermehren zu können, sind die schlangenartigen Fische angewiesen auf Fischer wie Thomas Weber, der sie fängt und mit einem Spezial-LKW in den Rhein bringen lässt. Anderenfalls würden viele von ihnen auf ihrem Weg von den Wasserkraftturbinen in den Staustufen zerschreddert.
Sterneküche in Trittenheim
Auf der Tour erfährt man aber auch von Fischen, die eigentlich nicht in die Mosel gehören. Etwa der Wels oder die Schwarzmund-Grundel, die optisch an einen Mini-Drachen erinnert. Die ursprünglich im Schwarzen Meer heimische Art vermehrt sich rasant schnell. Bei Anglern ist sie auch nicht gerne gesehen, denn die Zubereitung des schmackhaften Winzlings ist mit viel Aufwand verbunden. Ein Fall für Thomas Weber. Vom Fluss in Pfanne – frischer und regionaler geht es nicht.
Wer nach den Sternen greifen will, bitte schön. Auch das geht in Trittenheim: Im vom Michelin ausgezeichneten Wein- & Tafelhaus bitten Alexander Oos und dessen Frau Daniela zu Tisch. Das Auge isst in diesem Restaurant in jeder Hinsicht mit: Der verglaste Kubus und die Terrasse bieten frei Sicht auf die Trittenheimer Apotheke auf der anderen Moselseite.
In Trittenheim führen eben alle Blicke zum Wein, der vielleicht ja doch eine kurative Wirkung hat. Hippokrates (460 bis 377 v. Chr.) zum Beispiel verordnete Wein bei Fieber und als Stärkung für Rekonvaleszente. ♦
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