Einsiedelei Bruder Heinrich: Geheim und verwunschen

Raus aus dem Trubel, rein in die Stille. Die Einsiedelei Bruder Heinrich ist ein Ort der Kategorie „secret places”. Ein schönes Ausflugsziel für alle, die gerne dahin gehen, wo nicht viele andere hinkommen. Aber man muss das Kleinod erstmal finden.

einsiedelei, secret place, Ediger

Die Einsiedelei „Bruder Heinrich“.

Gäbe es eine Sammlung der stillsten Orte der Welt, wäre die Einsiedelei Bruder Heinrich wohl einer davon. Denn nur wenige kennen diesen verschwiegenen Platz in tiefster Waldeinsamkeit. Dort hat abseits vom Weltgeschehen nur noch die Natur das Sagen. Dabei ist die „Anreise” gar nicht kompliziert – wenn man die verlassene Eremitage einmal auf der Karte gegenüber von Ediger-Eller identifiziert hat.

Ein guter Orientierungspunkt ist der fast 800 Jahre alte Turm an der B 49. Etwa zwei Kilometer flussabwärts vom Ortskern entfernt steht das 16 Meter hohe Gebäude mutterseelenallein in der Landschaft. Früher war das anders: Noch bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts war er als Teil des Gehöfts Lehmen von einer kleinen Siedlung mit Kapelle umgeben.

Lehmener Turm, Ediger-Eller

Das fast 800 Jahre alte Gemäuer diente den Herren von Lehmen als Wohnturm.

Sowohl die kleine Burganlage als auch die Siedlung, in der lange zuvor vierzehn Familien lebten, haben sich längst in Luft aufgelöst. Stattdessen erhebt sich hinter dem Turm die von Weinkennern geschätzte Spitzenlage Ediger Elzhofberg, genannt Elzig.

Dieser sonnenverwöhnte Rebhang zählt schon lange zum Tafelsilber am Fluss – wie die berühmte, erst vor gut einem Jahrzehnt wiederentdeckte Weinlagenkarte von 1897 beweist. 

Wanderung zur Einsiedelei Bruder Heinrich

Gegenüber vom Lehmener Turm baut sich der schon von Kelten bewohnte Hochkessel auf, der mit 421 Metern höchste Berg in der Umgebung. An dessen Nordseite versteckt sich die Einsiedelei Bruder Heinrich inmitten des Schiefergesteins.

Eigentlich könnte man mit dem Elzhofberg im Rücken einfach nur immer weiter geradeaus nach oben laufen. Wenn nicht die Mosel, ihr Altarm und die Insel Taubengrün, Naturschutzgebiet und Rückzugsort von Reihern und Kormoranen, dazwischen lägen.

Wegweiser, Einsiedelei, Senheim

Wegweiser zur Einsiedelei in Senheim.

Deshalb muss man zunächst ein Stück flussabwärts und dann rechter Hand über die Mosel-Brücke nach Senheim fahren. Vom Hafen aus führt ein Sträßchen wieder flussaufwärts am Ufer entlang. Nach ein paar hundert Metern weist ein verwittertes Holzschild den Weg durchs Naturschutzgebiet zur Einsiedelei Bruder Heinrich.

Über breite Forstwege schraubt sich die Route durch den Wald immer weiter den Berg hinauf. Nach gut drei Kilometern ist das Ziel fast erreicht. Wer nun dem Wegweiser folgend den abenteuerlichen Abstieg über einen handtuchbreiten Pfad den Hügel steil abwärts unversehrt bewältigt hat, stößt nach etwa 100 Metern auf das an einem hohen Sandsteinfelsen kauernde Gebäude.

Einsiedel Bruder Heinrich, Eingang

Eingang zur Einsiedelei.

Einkehr in der Einsiedelei Bruder Heinrich

Betreten ist natürlich erlaubt. Doch die Attraktion ist das Häuschen selbst, es gibt nicht wirklich viel zu sehen. In dem kargen Raum steht eine Bank zum Ausruhen und Innehalten. Über eine Leiter gelangt man auf eine Empore, von der man auf die Bank hinunter gucken kann.

Beim Besuch der Einsiedelei darf man ruhig ein bisschen Zeit mitbringen, um diesen unkomfortablen Ort auf sich wirken zu lassen. Wie das wohl ist, so zurückgezogen zu leben? Eremiten waren die ersten Aussteiger der Weltgeschichte. Vor 1700 Jahren gingen sie in die Wüste, auf Griechisch „Eremo”, um in ohrenbetäubender Stille über ihr Sein sinnen.

Einsiedelei Bruder Heinrich, Empore

Blick von der Empore in die Klause.

Doch es gibt sie noch heute – etwa 80 Menschen führen hierzulande ein Eremitendasein nach alter christlicher Tradition. Allerdings haben die Männer und Frauen der Welt nicht gänzlich den Rücken zugekehrt. Zwar verzichten sie auf Bequemlichkeit und Besitz, doch die meisten haben Telefon und Internet und müssen für ihren Lebensunterhalt sorgen.

Über die Geschichte der Bewohner dieser Einsiedelei ist nicht allzu viel bekannt. Jedenfalls nicht historisch belegt. Doch fragt man die Menschen in der Region, erzählen sie blumig von Bruder Heinrich, der einst mit seiner Ziege in dem kleinen Bruchsteinbau gehaust haben soll. Eine besondere Liebe zum Wein wird ihm nachgesagt – doch im Gasthof Zenz in Ediger gibt es auch einen Kräuterlikör mit seinem Namen. 

Einsiedelei Bruder Heinrich, Empore

Die Empore in der Eremitage.

Wer war Brohra Haärich?

Brohra Haärich” kennt in der Gegend jedes Kind. Der von allen verehrte Eremit soll jedem mit Rat und Hilfe zur Seite gestanden haben. Er ernährte sich von Beeren, Wurzeln und den Früchten des Waldes. Was ihm fehlte, brachten die Dorfbewohner in seinen Unterschlupf. Dafür mixte er Arzneien für Menschen und ihre Tiere.

Doch Bruder Heinrich kannte sich nicht nur mit Heilkräutern aus. Er sammelte Geld bei reichen Gutsherrn und in begüterten Klöstern, um Leibeigene und bedrängte Pächter in Not frei zu kaufen. Der fromme Mann soll über 100 Jahre alt geworden sein. Als er starb, sollen die Glocken des Klosters Stuben und aller Kirchen in den Dörfern ringsum, wie von Geisterhand bewegt, erklungen sein. 

Bruder Heinrichs Tagwerk bestand daraus, bei Wind und Wetter zur Messe in der nahe Peterskapelle zu pilgern und sich danach von den Nonnen im Kloster Stuben verköstigen zu lassen. Zu einem kräftigen Frühstück gab es einen guten Wein aus dem von den Klosterfrauen so genannten Frauenberg.

Einsiedelei Bruder Heinrich, Figur, Mosel

Eine Einsiedler-Figur am Eingang.

Dann ging es mit der Fähre ans andere Ufer nach Bremm, um am Calmont vorbei die Winzer und Treidel-Wirtschaften in Ediger, Eller und dem inzwischen verschwundenen Moselort Lehmen zu besuchen. Dort trank er zum Tagesabschluss mit den Halfen, den Fuhrleuten der Moselschifffahrt, um die Wette. 

Einsiedelei wird spezielles Ausflugsziel

Die Einsiedelei Bruder Heinrich hat schon immer die Fantasie der Moselaner beflügelt. Kein Wunder, denn die historischen Quellen sind dürftig. Tatsächlich existierte eine Behausung an dieser Stelle wohl schon vor der Gründung des Klosters Stuben im Jahr 1137. Ein frommer Eremit namens Walther soll sich dort um 1100 häuslich eingerichtet haben, informiert ein Zettel an der Wand der Klause.

Tatsächlich gab es seinerzeit gewalttätige Raubritter, die von ihren Untertanen überöhte Steuern forderten. Der Erzbischof Igelbort von Ortenburg wollte dem ein Ende setze. Doch ob der Eremit Walter in dessen Auftrag für Verhandlungen die Burgen besuchte, weiß man nicht. Es heißt allerdings, dass er Gefangene freikaufte, für die Bevölkerung Briefe an die Steuereintreiber schrieb und Arzneien herstellen konnte. Angeblich wurde er über 100 Jahre alt.

Skulptur, Bruder Heinrich, Ediger

Bruder Heinrich als Kunstwerk.

Im Jahre 1179 wurde dem Kloster Stuben ein Prior mit dem Namen Heinrich zugeteilt. Er soll sich in seiner Freizeit in die Klause zurückgezogen haben. Letztmalig hat wohl ein gewisser Peter Scheidt in der Eremitage gewohnt. Aktenkundig ist, dass der Prior 1677 dem Kloster Stuben sein Vermögen vermachte.

Von dem Kloster Stuben blieben nur drei Mauern der Klosterkirche zurück. Doch die Einsiedelei Bruder Heinrich ist bestens erhalten. Denn um die letzte Jahrtausendwende haben freiwillige Helfer immerhin 1100 Arbeitsstunden in die behutsame Sanierung der Ruine investiert. Dabei wurden über 50 Kubikmeter Geröll weggeschafft und 12 Kubikmeter Bruchsteine vermauert. Entstanden ist ein wunderbarer Ort, den man dennoch meistens ganz für sich alleine hat.

Wenn aus den Wälder Nebelschwaden aufsteigen, sagen die Winzer im Moselkrampen: „Brohra Haärich raucht, es gibt Regen.”

 

Sehenswertes in Nähe der Einsiedelei Bruder Heinrich

Von der Einsiedelei Bruder Heinrich ist es nicht weit bis zum Aussichtspunkt Eulenköpfchen und der Kapelle auf dem Petersberg. Der Panoramaberg von Neef gehört immer noch zu den Geheimtipps an der Mosel. Zum Weiterlesen: Neefer Petersberg: Geheimtipp zum Wandern»

Etwa einen Kilometer vom Lehmener Turm befindet sich das sehenswerte Römergrab von Nehren. Die beiden Grabtempelchen wurden rekonstruiert, doch die Wandmalereien in der Grabkammer sind original erhalten. Zum WeiterlesenNehren: Aufstieg ins luxuriöse Totenreich

Noch mehr Einsiedeleien in der Region

Einsiedelei, Mosel, WegweiserPorta Nigra: Dass die Porta noch erhalten ist, verdankt die Nachwelt dem mittelalterlichen Mönch und Inklusen Simeon, der sich im Jahr 1030 in einer Eremitage auf halber Höhe im Ostturm des Stadttores als Inkluse einmauern ließ.

Vom 9. bis zum 17. Jahrhundert blühte das Inklusentum in Europa. Fromme Menschen wandten sich vom weltlichen Leben ab, um in einem abgeschlossenen Raum im Gebet leben zu können. Ihre geistigen Ahnherren sind die Wüstenväter und Säulenheiligen. Auch Hildegard von Bingen (1098–1179) lebte in ihrer Jugend mehrere Jahre als Inkluse.

Weil Simeon nach seinem Tod heiliggesprochen wurde, hat man das antike Tor, und damit sein Grab, nach seiner Heiligsprechung in eine Kirche umgebaut. Bis zur Säkularisation hatte die Porta als Kirche Bestand. Zum Weiterlesen: So spannend ist die Porta Nigra von innen»

Paulskirche: Die kleine Paulskirche in den Weinbergen bei Lieser war einst der Unterschlupf von Eremiten. Die sogenannten Paulsbrüder waren dort gern gesehen und bischöflich legitimiert, passten sie doch auf das einsam gelegenen Gotteshaus auf. Heute werden dort Besucher und Besucherinnen an Sonntagen sogar bewirtet. Zum Weiterlesen: Darum ist die Paulskirche ein echter Geheimtipp»

Klause Kastel-Staadt: Wie ein Vogelnest thront das kleine Juwel der Romantik am Sandsteinfelsen hoch über dem Saartal bei Serrig. Die Klause von Kastel-Staadt war lange die Grabstätte des blinden Königs Johann und wurde von Karl Friedrich Schinkel entworfen. Doch es gibt an dem Ort noch mehr zu sehen: Die im frühen Mittelalter von Eremiten in den Sandstein geschlagenen Kammern und Nischen. Zum Weiterlesen: Schöner Schinkel über der Saar»

Einsiedeleien in der Eifel und an der Saar

Einsiedelei in Ernzen. Nicht weit entfernt von der Teufelsschlucht auf dem Ferschweiler Plateau haben Mönche des Klosters Echternach eine Klause in den Felsen geschlagen. Drei Räume und das aus dem Stein herausgewerkelte Weihwasserbecken blieben bis heute erhalten. Wann genau der Rückzugsort entstand, ist nicht bekannt. Im Jahr 1596 findet die Einsiedelei erstmals Erwähnung. Derzeit ist der Ort gesperrt.

Das Unkenhäuschen: In Plein, am Mare-Mosel-Radweg gelegen, steht eine kleine Wegekapelle als Überbleibsel einer untergegangenen Siedlung. Um das fensterlose Kapellchen aus dem 16. Jahrhundert sollen sich seinerzeit Eremiten gekümmert haben.