Nehren: Aufstieg ins Totenreich

Der Winzerort Nehren ist klein, aber oho. Denn dort buddelten Archäologen bemerkenswerte Römergräber aus. Doch erst der Blick durch das Guckloch in der Tür offenbart die Attraktion.

Römergräber, Nehren, Sehenswertes

Schön rekonstruiert: Die Tempel über den Römergräbern.

Die Porta, das Amphitheater, die Kaiserthermen – wer auf römischer Spurensuche ist, kommt um Trier nicht herum. Doch in der Region verstecken sich eine ganze Reihe antiker Stätten, die längst nicht so bekannt sind, obwohl sie eine interessante Geschichte erzählen. Zum Beispiel die römische Totentempel, die in Nehren in der Weinlage Römerberg stehen.

Noch nie gehört? So geht es vielen. Besuchen Sie eine unterschätze Sehenswürdigkeit, die von anderen übersehen wird.

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Nehren liegt hinter einem Altarm der Mosel und gehört zum sogenannten Cochemer Krampen, der Moselschleife zwischen Cochem und Bremm. Eine paar Weingüter, eine Pension, das Hotel Quartier André. Ansehnlich ist auch die katholische Kirche St. Agatha im spätgotischen Stil aus dem 16. Jahrhundert.

Nur 97 Menschen leben dort. Die Winzergemeinde ist ein Mini-Dorf, dass die meisten nur vom Vorbeifahren kennen. Ein Rennradfahrer braucht ungefähr 40 Sekunden, dann ist er durch. Aber während der Saison wächst der Touristenort auf über 2000 Bewohner und Bewohnerinnen an. Die meisten von ihnen bevölkern den mehr als fünf Fußballfelder großen Campingplatz auf einer grünen Halbinsel in der Mosel.

Erstaunliche Römergräber in Nehren

Römergrab, Nehren, Mosel

Die Römergräber über Nehren.

 

Als Nehren noch Villa Nogeria hieß, ließ ein wohlhabender Römer oberhalb des Dorfes zwei feudal ausgestattete Kammergräber für seine Familie errichten. Allerdings sprachen die Einheimischen rund 1500 Jahre später nur noch vom „Heidenkeller” – ohne zu ahnen, welche Rarität sich dort oben in ihrem Weinberg verbarg. Bis die Archäologen kamen.

Denn während die Experten die inzwischen verschütteten Grabkammern wieder auf Vordermann brachten, machten sie eine erstaunliche Entdeckung, die man heute besichtigen kann.

Von Nehren führt ein Fußweg oder die K 22 bergauf zu der antiken Familiengruft über der Weinlage Römerberg. Vom Parkplatz sind es nur noch ein paar Schritte bis zur Grabanlage. Zwar wurden die beiden Tempel mit Säulenvorhalle und Cella rekonstruiert. Doch die beiden Grabkammern darunter stammen original aus dem dritten bis vierten Jahrhundert nach Christus.

Nehren, Römergräber, rechte Grabkammer

Die rechte Grabkammer ist nicht mehr intakt.

Von der rechten blieb nicht allzu viel zurück, lediglich Reste von Sarkophagen wurde gefunden. Weil darunter der Steindeckel eines Kindersarges war, geht man davon aus, dass in Nehrens Römergräbern eine Familie ihre letzte Ruhe fand. Die linke Grabkammer ist jedoch außergewöhnlich gut erhalten. Und zwar nicht nur der antiken Raum an sich, sondern auch die feudale Ausmalung der Wände. Das ist einzigartig in der Region und eine Rarität nördlich der Alpen.

Einzigartige Gewölbemalerei der Römer

In die Grabkammer hinabsteigen kann man nicht. Sie bleibt dicht, um sie vor schädlichen Umwelteinflüssen zu schützen. Doch es gibt ein Guckloch in der schweren Grabkammertür. Öffnet man die kleine Schiebeklappe, bringt ein Automatismus Licht ins Dunkel: Grünes Blattwerk, Schleifen, Medaillons und Bänder sind erkennbar. Florale Muster schmücken die Ecken des Gewölbes.

Mit Ocker, Schwarz, grüner, gelber und roter Farbe wurden vor 1700 Jahren die Wände dieses Liegeplatz für die Ewigkeit verziert. Diese besterhaltene Gewölbemalerei ist ein echter Glücksfall für Archäologen.

Nehren, Römergräber, linke Grabkammer

Durch ein kleines Fenster kann man die Gewölbemalerei sehen.

Wer wurde dort im Weinberg über Nehren bestattet? Es muss eine wohlhabende Familie gewesen sein, denn Gräber in exponierter Lage galten im römischen Reich als kostspielige Statussymbole. Romanisierte Einheimische im Moseltal übernahmen den Brauch. 

Doch womit die Verstorbenen ihr Geld verdient haben, wissen die Wissenschaftler nicht sicher. Vielleicht waren sie die Eigentümer eines großen Gutshofes, der oberhalb des heutigen Ortskerns von Nehren lag? Wein wurde jedenfalls im Ort angebaut, davon zeugen Überbleibsel wie der Kelterstein auf dem Gemeindeplatz.

Beste Aussicht vom Römergrab

Tatsächlich gibt es solche Luxus-Gräber von reichen Landgutbesitzern an mehreren Plätzen an der Mosel. Etwa das Grutenhäuschen bei Igel oder der gallo-römische Grabtempel im luxemburgischen Weindorf Bech-Kleinmacher. Ihnen allen ist gemein: Die Aussicht ins Moseltal könnte von dort kaum schöner sein.

Von den Römergräbern in Nehren hat man einen großartigen Blick über den Fluss auf das Naturschutzgebiet Taubengrün und den Hochkessel, den höchsten Berg der Umgebung, mit den Resten einer keltischen Fliehburg auf dem Gipfel. Damit auch quicklebendige Reisende das Panorama bequem genießen können, wurde vor den Grabtempeln eine Bank aufgestellt. Allein die Aussicht von diesem Platz lohnt den Aufstieg zum Totenreich.