Klause Kastel-Staadt: Schöner Schinkel über der Saar

Es grenzt an ein Wunder, dass die Klause in Kastel-Staadt nicht völlig überlaufen ist. Nur zehn Autominuten von Saarburg entfernt, wartet das Kleinod des preußischen Architekten Karl Friedrich Schinkel darauf, entdeckt zu werden. Ein verstecktes Juwel inmitten verwunschener Natur.

Klause Kastel-Staadt, Schinkel, Kapelle

Die Klause bei Kastel-Staadt.

Ohne den rastlosen Karl Friedrich Schinkel hätte das Königreich Preußen wohl anders ausgesehen. Denn der talentierte Oberbaurat, der Stadtplaner, Architekt, Maler und Grafiker in einem war, gab nicht nur Berlins Mitte ihr berühmtes Gesicht. Auch in Brandenburg, Aachen oder Bonn hinterließ der bedeutendste deutsche Baumeister des 19. Jahrhunderts seine Handschrift.

Die Verbindung von Schönheit und Zweckmäßigkeit war Schinkels Markenzeichen. Dabei plante der Architekt sowohl im klassizistischen als auch im neugotischen Stil. Zum Beispiel Meisterwerke wie das Alte Museum, das Schauspielhaus oder die Neue Wache in der Hauptstadt. Aus seiner Feder stammen die Römischen Bäder im Potsdamer Park von Sanssouci, genauso wie das Schloss Granitz und der Leuchtturm auf Rügen. Zeit seines Lebens (1781 bis 1841) gestaltete er viele Bauten um und plante ganz neue Gebäude.

Kastel-Staadt, Aussichtspunkt, Saar

Blick über die Saar.

Und Schinkel war es auch, der nach den Wünschen seines Italien liebenden Auftraggebers im Jahr 1835 auf der Spitze eines Sandsteinfelsens eine Landmarke schuf: Die Klause in Kastel-Staadt. Ein echtes Juwel der Romantik.

Denkmalzone auf dem Plateau von Kastel

Ab Saarburg sind es über die L131 und die B407 nur gut zehn Autominuten, schon ist man da. Der kleine Ort Kastel liegt auf einem Hochplateau über der Saar. Unten im Tal, direkt am Fluss, liegt Staadt, der zweite Teil des Ortes.

Rund 400 Menschen wohnen oben in dem Dorf, das zwar winzig, aber ein Glücksfall für Naturfreunde und Geschichtsinteressierte ist. Denn ein nur 2,5 Kilometer langer archäologischer Rundwanderweg verbindet Sehenswürdigkeiten aus immerhin drei Jahrtausenden miteinander.

Kastel-Staadt, Klause, Kunstwerk

Die Metallplatte zeigt, wo der Martberg liegt.

Seit dem 4. Jh. v. Christus befand sich auf dem Plateau ein Oppidum des Treverer-Stammes. Eine Messingplatte neben dem Besucherparkplatz gibt Auskunft über andere stadtähnliche Befestigungen der Treverer – zum Beispiel den Martberg bei Pommern.

Unter römischer Herrschaft wurde daraus ein Castellum. Zurück blieben ein Keltenwall und die Reste eines römischen Theater, das um 200 nach Christus Platz für rund 3500 Menschen bot. Hinter dem Bühnenraum öffnete sich ein weiter Blick ins Tal. Zwar sind von den Sitzreihen nur noch einige zu sehen, doch die Aussicht können Besucher noch heute genießen.

Einsame Kirche neben der Klause

Auch die alte Johannes dem Täufer geweihte Pfarrkirche auf dem Plateau lädt zum Hineingehen ein. Der Kirchturm wurde im 12. Jahrhundert gebaut, der Rest folgte 100 Jahre später.

Einsame Kirche, Kastel Staadt

Die Kirche markiert eine aufgegebene Siedlung.

Normalerweise lässt man Kirchen ja im Dorf. Dass der Sakralbau isoliert einige hundert Meter vom Ortskern in der Landschaft steht, ist der Pest geschuldet. Denn die Überlebenden gaben die Siedlung damals auf und bauten ganz in der Nähe ein neues Dorf. Aber der geweihte Ort blieb als Kapelle und Friedhof erhalten.

Der mittelalterliche Sakralbau lohnt den Besuch. Aber die Hauptattraktion von Kastel-Staadt versteckt sich unterhalb des angrenzenden Ehrenfriedhofs: Die zauberhafte Klause, gelegen auf dem Felsvorsprung 200 Meter über der Saar.

Schinkels Klause in Kastel-Staadt

Interessant ist schon allein ihre Entstehungsgeschichte. Denn was man heute nur noch schlicht Klause nennt, ist in Wahrheit ein Gebäude-Ensemble. 

Klause, Saar, Gedenkkreuz

Das Gedenkkreuz wurde zu Johanns 500. Todestag errichtet.

Schon in keltisch-römischer Zeit soll der vorspringende Felsen eine geweihte Stätte gewesen sein. Im frühen Mittelalter gruben fromme Einsiedler Höhlen in Sandstein, um dort abgeschieden zu leben.  Die beiden Felsenkammern, die man heute sieht, stellen vermutlich eine Nachbildung der heiligen Stätten in Jerusalem dar, wie es zur Zeit der Kreuzzüge Brauch war.

Um 1600 ließen Franziskaner-Mönche auf dem Felsen eine zweigeschossige Kapelle mit Eremitage errichten. Im Laufe der Zeit avancierte der Rückzugsort zu einer beliebten Pilgerstätte. Aber nach der Französischen Revolution kamen keine gläubigen Einsiedler mehr und die Anlage zerfiel.

Fast wäre sie in Vergessenheit geraten, doch der Kronprinz von Preußen und spätere König Friedrich Wilhelm IV. nahm sich der Ruine an. Er beauftragte seinen genialen Architekten Karl Friedrich Schinkel, das Bauwerk zu sanieren. Denn aus der verlassenen Eremitage sollte eine Grabkapelle für den blinden König Johann von Böhmen und Graf von Luxemburg (1296-1346) werden.

Klause Kastel-Staadt, Natur, Felsenweg

Auf diesem verwunschenen Gelände steht die Klause.

Wer war Johann der Blinde?

In Luxemburg kennt jedes Kind Jang de Blannen, Johann den Blinden. Immerhin ist er der Gründungsvater der Schueberfouer, dem großes Volksfest im August. Als Blanne Jang, Blinder Johann, ist der Nationalheld in aller Munde. Denn damit bezeichnet man eine Luxemburger Spezialität, bei der es sich um eine mit Käse gefüllte und mit Speck ummantelte Grill-Wurst handelt.

Vor allem ist Johann von Böhmen der Herrscher, der schon erblindet auf der Seite Frankreichs gegen England in den Krieg gezogen war und 1346 in der Schlacht von Crécy starb. Selbst seine Gegner zollten dem blinden König Respekt und ließen die Leiche nach Luxemburg bringen.

Über abenteuerliche Umwege gelangten die sterblichen Überreste in die Hände von Jean-Francois Boch, der sie im Werksmuseum der Steingutfabrik in der Alten Abtei in Mettlach aufbewahrte.

Schinkel, Kapelle, Saar

Die Kammern wurden im Mittelalter in den Felsen geschlagen.

Der spätere König Friedrich Wilhelm IV. erfuhr davon, als er auf einer Reise zur Besichtigung von Industrieanlagen auch die Porzellanmanufaktur an der Saar besuchte. Der Thronfolger verehrte den toten König und sah sich wohl als dessen Ahnen. Abgesehen davon, dass er tatsächlich im 15. Grad von ihm abstammte, verkörperte der berühmte Verstorbene doch das Ideal des mittelalterlichen edlen Ritters.

Der Industrielle überließ dem Kronprinz die sterblichen Überreste und bekam als Gegengabe einen nach Schinkels Entwürfen gefertigten Brunnen, der bis heute im Park der ehemaligen Benediktinerabtei steht.

Ein Grab für den blinden König

Der tote König Johann aber bekam sein Grab in der eigens für ihn hergerichteten Kapelle über der Saar.

Allerdings diente der Ausbau der Klause vermutlich auch als Machtdemonstration, da die Preußenmonarchie die Luxemburger Dynastie abgelöst hatte. Denn auf dem Wiener Kongress war das Land an der Saar dem Königreich Preußen zugesprochen worden. Wer der Herr im Haus war, zeigte man in der damaligen Zeit oft mit Denkmälern, Prachtbauten oder Burgen.

Grab, Johann der Blinde

Der verlassene Sarg von Johann dem Blinden.

Für den Bau des Königsgrabs nutzte Oberbaurat Karl Friedrich Schinkel das erhaltenen Erdgeschoss der verfallenen Klause. Darauf gestaltete er eine Kapelle, die mit Arkadenfenstern und Glockengiebel an italienische Baukunst erinnert. Am 26. August 1838, dem Jahrestag von Crécy, wurde Johann der Blinde in dem herausgeputzten Sakralbau beigesetzt.

Durch bunte Glasfenster fällt das Tageslicht zuweilen mystisch in die Gruft. Darin steht ein schwarzer Marmorsarkophag, der bis 1946 die Gebeine des böhmischen Herrschers verwahrte.

Letzte Ruhe in der Kathedrale Notre Dame

Das Grab ist nun schon lange leer – denn in einer Nebel und Nacht-Aktion holten die Luxemburger ihren toten König heim, um ihn in ihrer Kathedrale Notre Dame in Luxemburg-Stadt zu bestatten. Aber das Kleinod des preußischen Baumeister ist immer noch ein Schmuckstück und Besuchermagnet.

Zugang zur Klause bekommt man nur von oben über die in den Felsen gehauene Treppenstufen. Kaum hat man das Kassenhäuschen passiert, eröffnet sich eine verwunschene Welt mit Felsen, Nischen, Bänken, Wegen und Aussichtsplätzen im üppigen Grün.

Kasteler Felsenpfad, Saar

Die Klause liegt mitten im Wald mit Sandsteinfelsen.

Schinkel war fasziniert von der Verbindung von Landschaft und Architektur. Und die Ausflügler, die herkommen, sind es auch. Den besten Blick auf die Klause bietet der außerhalb der Mauern gelegene Elisensitz. Auch dieser Aussichtspunkt geht vermutlich auf den Baumeister Schinkel zurück. Man erzählt, es solle der Lieblingsplatz der Gemahlin von Friedrich-Wilhelm gewesen sein, der Kronprinzessin Elisabeth von Bayern und Tante der Kaiserin Sisi.

Aber nicht nur für Architektur-Interessierte ist die Klause in Kastel-Staadt ein kleines Paradies. Auch wer abseits vom Trubel der Welt ein Refugium der Muße, der Schönheit und der Kunst sucht, ist an diesem zauberhaften Ort gut aufgehoben.

 

Infos für den Besuch der Klause

Adresse Parkplatz: König-Johann-Straße 66, 54441 Kastel-Staadt. Von dort sind es nur noch wenige Minuten zu laufen.

Anfahrt: Man erreicht die Klause in etwa 25 Minuten von Konz an der Mosel über Saarburg, Krutweiler und Staadt.

Öffnungszeiten: März bis Ende Oktober, Mittwoch bis Sonntag von 10 bis 16 Uhr, Juli und August bis 17 Uhr. Mittwoch bis Sonntag von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Achtung: Montag und Dienstag geschlossen.

Eintritt: 3,50 €

Einkehren: In der Kirchstraße 1 gilt die Devise „Do It Yourself”. Dort können regionale Produkte per Knopfdruck geordert werden. Zum Beispiel Römerwurst, das Kasteler Viez oder das Honigbier Cervisia Castel. Der gut bestückte Automat ist für Ausflügler ein Glücksfall, denn weit und weit ist kein Gasthaus oder Supermarkt in Sicht.

Sehenswertes bei der Klause

Wanderung: Der rund neun Kilometer lange Wanderweg Kasteler Felsenpfad führt entlang des Hochplateaus von Kastel-Staadt. Der Weg verbindet die Klause, eine grandiose Felsenlandschaft und Aussichtspunkte wie den Elisensitz miteinander. Eine weitere Besonderheit ist der Altfels, der erklettert werden kann. Startpunkt: Parkplatz vor der Klause.

Digitale Führung: Die Lauschtour „Kulturplateau Kastel-Staadt“ führt als Rundgang vom Besucherparkplatz vor der Klause eine gute Stunde an den Sehenswürdigkeiten und Aussichtsplätzen vorbei. Dafür die gratis Smartphone-App „Lauschtour“ im AppStore oder GooglePlay laden, dann die Lauschtour „Kulturplateau Kastel-Staadt“ aussuchen. Unterwegs braucht man kein Netz, da die Inhalte auf dem Smartphone gespeichert werden.

Interessante Häuser: Kastel hat noch einen Schinkel, denn auch die Schule im Dorf wurde nach den Plänen des berühmten Architekten gebaut. Eine Tafel am Haus Kirchstraße 18 in Kastel erinnert an den Schriftsteller Arno Schmidt, der dort vier Jahre lang gewohnt hat.

Sehenswerte Ruine: Im nahe gelegenen Freudenburg ließ der blinde König Johann von Böhmen im 14. Jahrhundert eine Burg in dramatischer Lage auf einen Felsen bauen. Die Reste des Palas und einiger Gebäude stehen noch.

Tipp: Karl Friedrich Schinkel lieferte 1836 auch die Pläne zum Wiederaufbau zu einem neugotischen Sommerschloss: Idyllisch liegt Schloss Stolzenfels bei Koblenz im UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal.