Das Enderttal, auch Tal der wilden Endert genannt, ist für Wanderer ein Glücksfall. Wer dort unterwegs ist, läuft über krumme Pfade, sieht einen Wasserfall und kehrt zum Mittagessen in eine uralte Mühle ein. Auch Untrainierte haben gute Karten.
Ein Wasserfall, schroffe Natur und eine unverlaufbare Wegeführung – das Enderttal hat zu Recht einen guten Ruf als Wanderrevier. Doch die Route durch dieses wildromantische Fleckchen Erde ist nicht nur ein Glücksfall für alle, die ein zerklüftetes Tal mit felsigen Pfaden, viel Wald, Holzbrückchen und einer Reihe ehemaliger Mühlen erlaufen möchten. Sondern eben auch für jene, die keine Lust darauf haben, sich stundenlang unter Stöhnen und Schweiß auf einen steilen Weinberg oder Hügel hinauf zu quälen.
Die Leserschaft des Wandermagazins war so hin und weg, dass sie den Erlebnisweg „Tal der wilden Endert” zum schönsten Wanderwegs Deutschlands kürten. Herzlichen Glückwunsch.
Von Ulmen ins Enderttal
Ein echter Geheimtipp ist die Route durch das Enderttal also nicht mehr. Dennoch gehört sie zu den weniger prominenten Strecken, bei denen man kilometerlang auf keine Menschenseele trifft. Nur der namensgebenden Bach ist ein ständiger Begleiter. Das kleine Gewässer sucht sich seinen Weg durch das einsame Tal, um sich 400 Meter tiefer bei Cochem mit Anlauf in die Mosel zu ergießen.
Da die Endert in Ulmen entspringt, ist das Eifel-Örtchen auch der Ausgangspunkt der rund 22 Kilometer langen Route. Der Weg beginnt an der ehemaligen Kreuzritterburg, die sich als schöner Aussichtsplatz über dem Ulmener Maar erhebt. Seit ihrem Bau etwa im Jahr 1000 wurde sie mehrmals zerstört, immer wieder aufgebaut, aber schließlich doch als Steinbruch vermarktet. Nach einem verheerenden Brand brauchten die Menschen in Ulmen das Material für den Bau neuer Häuser. Zum Glück ist überhaupt noch eine respektable Anzahl von Steinen übrig geblieben.
Von der durchaus ansehnlichen Ruine aus geht es zum Antoniuskreuz aus dem 17. Jahrhundert. Ein sagenhafter Platz, denn hier soll der Legende nach Heinrich von Ulmen ein Säckchen Erde vom Grab Christi hinterlegt haben. 1659 wurde darauf die Kapelle gesetzt. Die Route führt zunächst weiter auf dem Karolingerweg vom Eifelverein durch den Wald.
Per Abkürzung ins Enderttal
Das Sahnestück der Wanderung beginnt ab Kilometer 12. Deshalb lassen viele den ersten Streckenabschnitt samt Burgruine links liegen und steigen erst am Kloster Maria Martental in den Erlebnisweg ein.
Das Kloster mit 800 Jahren Tradition liegt unmittelbar über dem Tal der wilden Endert. Von dort führt der Wanderweg bis nach Cochem immer an der, je nach Wetterlage zahmen oder tatsächlich wilden, Endert entlang. Ein Refugium für nach Ruhe suchende Städter. Doch so ein Fußmarsch kann mehr sein als Erholung für die Ohren. Da ist zum Beispiel auch die Freude darüber, die Tour überhaupt geschafft zu haben. Weil auf der Strecke noch nicht einmal 50 Höhenmeter bewältigt werden müssen, haben auch weniger ambitionierte Sportskanonen gute Karten. Es geht gemäßigt fast nur bergab.
Auch den Rucksack mit Proviant kann man getrost zu Hause lassen. Denn unterwegs gibt es zwar lauschige Picknickplätze, aber auch gleich drei empfehlenswerte Einkehrstationen.
Gasthaus an der Wallfahrtskirche
Der Startpunkt am Kloster Martental bei Leienkaul ist vom Cochemer Endertplatz bequem mit der Bus-Linie 713 über Kaisersesch zu erreichen. Von der Bushaltestelle geht man zunächst die Straße hinab zur gleichnamigen Wallfahrtskirche. Und siehe da, schon hier gibt es das erste Gasthaus.
Allerdings ist das Zeitfenster zum Einkehren recht eng: Nur sonntags zwischen 11.30 und 16 Uhr bietet die Martentaler Gastronomie ein Mittagessen, Kaffee und Kuchen. Wer sich mit sakralen Kunstgegenständen, Büchern oder Devotionalien aller Art eindecken will, wird vielleicht im angeschlossenen Klosterladen mit geheimen Öffnungszeiten fündig.
Aber man ist ja nicht zum Shoppen in die Vulkaneifel gefahren, sondern zum Wandern. Nur gut 500 Meter von der Kirche entfernt offenbart der Wanderweg Ausflüglern seinen ersten Zauber: Es ist der Wasserfall „Die Rausch”, von unten betrachtet ein Augenschmaus. Schon von Weitem ist zu hören, wie das Wasser des Sesterbachs etwa sieben Meter tief der Endert entgegen stürzt. Daher der Name „Rausch”.
Eine hölzerne Brücke, wie sie romantischer kaum sein könnte, überspannt das kleine Naturschauspiel. Nur von der Rauschmühle, die es hier einst gab, sind nur noch wenige Mauerreste zu erkennen.
Tipp für den Sommer: Die Füße ins Wasser hängen und dem wilden Bach dabei zusehen, wie er über die dicken Steine hüpft.
Vom Wasserfall leitet der Erlebnisweg mit seinen grün-weißen Markierungen in Richtung Napoleonsbrücke. Nach der Überquerung der Landstraße zeigt sich das Enderttal dann endlich in seiner ganzen Pracht. Gerade noch lief man auf Asphalt, wird es schon wenige Minuten später still und einsam.
Acht Mühlen am Endertbach
Über acht Kilometer bahnt sich nun der Pfad seinen Weg mal links und mal rechts entlang des kleinen Gewässers durch eine grüne Idylle. Kniffelige Passagen sind mit Seilen gesichert. Er führt an Felsen vorbei, über Stege und Stufen und immer wieder auf abenteuerlichen Brückchen über den Bach, an dem verstreut acht ehemaligen Mühlen liegen.
Früher verrichteten im abgeschiedenen Enderttal 28 Mühlen ihr Tagwerk. Sie heißen zum Beispiel Maxmehrmühle, Browels- oder Thönnesgensmühle und waren respektable Kleinbetriebe, von denen Familien gut leben konnten. Dabei kann man sich vorstellen, wie mühsam der Transport in dem unwegsamen Gelände damals war. Karren besaßen die Endertmüller nicht. Auf den Rücken ihrer Esel brachten sie ihr Mehl über holprige Pfade nach Cochem auf die städtische Waage, um es an die Winzer an der Mosel zu verkaufen.
Heute klappert nichts mehr am rauschenden Bach. Doch noch immer setzen die Bauwerke aus alter Zeit dem verwunschenen Enderttal das märchenhafte i-Tüpfelchen auf. Zwar sind einige der alten Gebäude tipptopp renoviert, aber eben auch bewohnt und können deshalb leider nicht besichtigt werden.
Rasten in der Göbelsmühle
Doch etwa auf halber Strecke passiert man die Göbelsmühle – und sollte nicht einfach daran vorbeiwandern. Warum nicht? Weil das Kleinod seit mehr als 100 Jahren als Ausflugslokal bewirtschaftet wird. Wie schön. Unter Sonnenschirmen fläzen Ausflügler in aller Seelenruhe am Endertbach. Doch auch ein Blick in die urige Mühlenstube lohnt sich. Geboten wird einfache Kost. Aber was braucht es an einem solchen Ort auch mehr als Kuchen, Mettwurst oder ein kühles Mühlenbier?
Mehrere Brückchen sind auf dem nächsten verwunschenen Abschnitt zu überqueren, bis die ersten Häuser Cochem ankündigen. Nach der Schneidersmühle geht der schmale Pfad in einen breiten Waldweg über und führt zur letzten Mühle, der Weißmühle, die allerdings nach einem Brand als solche nicht mehr zu erkennen ist. Einen zweiten Blick wert ist jedoch die Spezialität im Restaurant des Neubaus: Frische Forellen aus eigenen Teichen.
Ins Enderttal zu Onkel Willi
Von hier sind es noch knapp drei Kilometer bis nach Cochem, dem Ziel der Wanderung. Man muss nur weiterhin der grün-weißen Markierung folgen. Wer aber jetzt schon keine Lust mehr hat, nimmt halt den Bus. Die 450 Meter bis zur Haltestelle Winneburg sind auch mit vollem Bauch noch zu schaffen.
Weithin sichtbar prägt der Bergfried der Ruine über dem Enderttal das Panorama. Wer noch etwas mehr Aussicht tanken möchte, baut einen Abstecher zur Winneburg über die Cochemer Ritterrunde in die Tour mit ein. Der Einstieg liegt an der L98, wenige Minuten von der Weißmühle entfernt. Der Pfad führt steil nach oben, belohnt aber mit einem grandiosen Blick auf Cochem und die Reichsburg. Mit der Sesselbahn geht’s von dort gemütlich wieder nach unten. Direkt gegenüber der Talstation liegt übrigens das Mosellandhotel Zum Onkel Willi – eine weitere beliebte kulinarische Adresse im Enderttal.
Infos zum Enderttal
Startpunkt der Wanderung: Rathaus Ulmen, Marktplatz 1
Parkplätze entlang der Route: Am Rathaus in Ulmen, an der Napoleonsbrücke an der L 100, in Cochem am Hotel Weißmühle, am Bahnhof oder im Parkhaus.
Bus ab Cochem: Regio Linie 500 und Linie 700 nach Ulmen oder Linie 713 über Kaisersesch bis Martental. Die Fahrt dauert rund 40 Minuten.
Abreise: Der Weg endet am Bahnhof in Cochem. Von dort aus kann man per Regionalbahn über die Moselstrecke stündlich in Richtung Trier oder Koblenz fahren oder mit dem Besuch nach Ulmen zurück.
Sehenswertes vor dem Einstieg ins Enderttal
Ausflugsziel Jungferweiher in Ulmen. Kormorane treffen, Gänse entdecken, Zugvögel zu Hunderten im Anflug sehen – das Frühjahr und der Herbst sind ideale Zeiten für Birdwatcher am Ulmener Jungferweiher. Alljährlich rasten Kranich, Krickente oder Raubwürger auf den Wiesen des gerade mal 0,8 Meter tiefen Gewässer, das wegen seiner seltenen Flora und Fauna zusammen mit dem benachbarten Ulmener Maar unter Naturschutz steht. Sogar der Fischadler kommt zum Jagen.
An den binsenreichen Ufern brüten etliche bedrohte Vogelarten wie beispielsweise Wiesenpieper und Bekassine, dort tummeln sich Blässhühner und viele Singvogelarten. Vom Beobachtungsstand am westlichen Ufer kann man Reiher auf Fischfang sehen oder wie junge Haubentaucher unter Aufsicht ihrer gefiederten Eltern auf ihre ersten Streifzügen durchs Wasser gehen. Auf dem etwa drei Kilometer langen Rundweg um den Weiher trifft man sicherlich auch Schmetterlinge, hört das ein oder andere Froschkonzert und entdeckt vielleicht sogar einen Molch.
Unterirdisch von Maar zu Maar. Oberirdisch trennt die A 48 das Ulmener Maar vom benachbarten Jungferweiher. Doch unter der Erde verbindet ein 124 Meter langer, zwischen 1,5 bis 4 Meter hoher Tunnel die beiden Gewässer. Der sogenannte Römerstollen wurde im Mittelalter in den Berg geschlagen, um die Mühlen in der Region mit Wasser zu versorgen. Lange war er verschüttet. Jetzt ist er frei und zu einer echten Attraktion geworden.
Im Inneren zeigt sich die vulkanische Geologie der zwei Maare. Etwa auf halber Strecke ändern sich die Farbe und Konsistenz des Gesteins. Wer den Ulmener-Maar-Stollen durchschreiten will, sollte allerdings keine Platzangst haben, denn an der engsten Stelle ist der Gang nur noch 70 Zentimeter breit. Der Parkplatz ist über die Straße „Am Jungferweiher“ zu erreichen. Mehr dazu: Unterirdische Mosel: Höhlen, Stollen, Bunker»