Heute schon einen Ballon gesehen? Sehr wahrscheinlich, dass er von der Mosel stammt. Denn in Schweich sitzt der einzige Hersteller von Heißluftballonen in Deutschland. Selber im Korb abheben kann man in der Region natürlich auch.
Das luftige Abenteuer beginnt am frühen Abend oder in aller Herrgottsfrühe kurz vor Sonnenaufgang. Während die halbe Welt noch schläft, trifft sich die Gruppe am Startplatz, um unter der Anleitung des Piloten den Ballon aufzubauen.
Das Gebläse läuft. Langsam bläht sich die ausgebreitete Hülle auf. Die Gasflamme donnert, dann steht das Gefährt: Ein gut 30 Meter hoher Gigant, gefüllt mit über 2.500 Kubikmetern heißer Luft. Ein Passagier nach dem anderen klettert in den Korb. Dann hebt er ab. Sanft steigt der bunte Heißluftballon etwa drei Meter pro Sekunde der Sonne entgegen. Vorbei an Weinbergen, über die Mosel hinweg, um schließlich in rund 400 Metern Höhe am Morgenhimmel zu schweben.
Oben faucht der Brenner, unten ziehen gemächlich Eifel- und Hunsrückwälder vorbei. Fast lautlos rumpelt ein Trecker durchs Feld, Vögel ziehen elegant ihre Kreise. Der Lärm der Erdoberfläche verstummt, kein Windhauch ist zu spüren. Übrig vom Rummel der Welt bleibt nur noch erhabene Stille.
Abenteuer Ballonfahrt
Im Korb gibt es kein Gerangel um den besten Aussichtsplatz, denn jeder an Bord kann am Fenster stehen. Die Luft zwar etwas dünner – aber was einem wirklich fast den Atem raubt, das ist diese Fernsicht über die Landschaft. An das 360-Grad-Panorama eines Heißluftballons kommt selbst der allerschönste Aussichtspunkt auf der Erde nicht heran.
Die Passagiere zücken ihre Smartphones und Fotoapparate, um das farbenprächtige Schauspiel unten am Boden einzufangen. Die Häuser, die Autos, die Schiffe, alles ist winzig klein. Die Mosellandschaft erscheint aus der Vogelperspektive wie eine liebevoll zusammengestellte märklinhafte Modelleisenbahn-Idylle.
Anders als im Flugzeug oder auf einem Schiff erschüttert kein Lüftchen, kein Ruckeln den Korb. Deshalb wird auch niemandem im Korb schlecht. Tatsächlich gibt es die sogenannte Luftkrankheit in der Ballonfahrt nicht. Und da der Bodenkontakt fehlt, spielt auch Höhenangst keine Rolle.
Den Stein ins Rollen brachten die Franzosen Joseph Michel (1740-1810) und Jacques Étienne Montgolfier (1745-1799). Als Papierfabrikanten arbeiteten die Brüder im elterlichen Betrieb, ihr Interesse galt jedoch auch den Naturwissenschaften. Sie hatten die Idee, Menschen in die Luft zu heben. Mit ihrer Erfindung des nach ihnen als Montgolfière benannten Heißluftballons begann das Zeitalter der Luftfahrt.
Zwar ist die technische Entwicklung seither rasant fortgeschritten. Auch in einem Heißluftballon steckt heute jede Menge Know-How. Doch die Faszination an der wunderschönen Art der Fortbewegung durch die Natur ist bis heute erhalten geblieben.
Der Ballon – das Ungeheuer
Wo sie auch vorbeischweben, werden die Menschen im Korb gefeiert wie Hollywood-Stars. Leute auf der Straße winken, holen ihre Kinder aus dem Haus und brüllen freundliche Grüße hinauf. Sogar Kühe und Hunde recken neugierig ihre Köpfe nach oben.
In den ersten Tagen der Luftfahrt sahen die Reaktionen der Menschen noch ganz anders aus. Vor über 200 Jahren befürchteten Zweifler den sicheren Erstickungstod der Passagiere. Manche gingen sogar davon aus, dass Lebewesen beim Aufstieg platzen.
Um herauszufinden, welche Gefahren der Ausflug in luftige Höhe tatsächlich birgt, schickten die Montgolfiers am 19. September 1783 die ersten Lebewesen auf Reisen. Dafür bauten die Pioniere einen mit goldenen Ranken verzierten 17 Meter hohen Heißluftballon und ließen ihn unter den Augen des Königs am Schloss Versailles steigen. Im Korb: Ein Hammel, eine Ente und ein Hahn. Unter großem Gequalme hob das Trio ab – und kehrte acht Minuten später unversehrt wieder auf den Boden zurück. Da die Tiere das Experiment überlebten, gab Ludwig XVI. die Erlaubnis zu einem Aufstieg mit Menschen.
Gegen Ende des selben Jahres stieg mit dem aus Metz stammenden Physiker Pilâtre de Rozier dann der erste Mensch tapfer in einem Ballon in die Lüfte. Und schon im Januar 1785 machte sich Jean-Pierre Blanchard mit der Überquerung des Ärmelkanals zwischen Dover und Calais zum ersten Showstar der Luftfahrt.
Taufe nach erster Ballonfahrt
Heute knallen nach der Landung des Ballons die Champagner-oder Winzersekt-Korken. Diese Zeremonie geht auf König Ludwig XVI. zurück, der seinerzeit nur dem Adel eine Ballonfahrt erlaubte. Deshalb werden die Fahrgäste heute nach der Tour symbolisch in den Adelsstand der Aeronauten erhoben. Eine schicke Urkunde gibt es für Erstlingsfahrer hinzu.
Als gegen Ende des 18. Jahrhunderts die ersten bemannten Ballone auf Feldern niedergingen, wähnten erschrockene Bauern den Teufel am Werk und gingen mit Mistgabeln los auf die armen Ballöner. Heutzutage wollen die in Scharen hinzueilenden Beobachter meist nur eines: Selber einmal im Ballon durch die Lüfte kutschieren.
Übrigens: Im Ballon fliegt man nicht, man fährt. Die Begründung liefert vermutlich die Physik. Denn Wissenschaftler sagen, dass alles, was leichter als Luft ist, fährt. Und die heiße Luft in der Hülle, die den Ballon antreibt, ist leichter als die Luft außerhalb. Nur Gefährte, die schwerer sind, fliegen. Allerdings sprachen schon die Pioniere im 18. Jahrhundert davon, dass sie wie die Seefahrer durchs Luftmeer fahren.
Bis heute fasziniert kein anderes Luftfahrzeug mehr Menschen als ein Ballon. Doch weltweit gibt es gerade mal rund 20 Hersteller von Heißluftballonen. Und in Deutschland genau einen. Gut jeder zweite Heißluftballon, der hierzulande zum Himmeln steigt, stammt aus der Werkstatt von Schroeder fire balloons in Schweich bei Trier.
Ein Ballon aus Schweich
Angefangen hat alles vor über 40 Jahren. Damals machte der Ingenieur Theo Schroeder seine Leidenschaft Ballonfahren zum neuen Beruf. Schon im Rentenalter, mit immerhin 65 Jahren, gründete er sein neues Unternehmen. Mit heißer Luft ging’s in den Folgejahren immer weiter steil hinauf.
Inzwischen führen Christin Schroeder und René Krämer die Geschäfte. Insgesamt weit über 1700 Ballone wurden seit damals schon unter die Völker rund um den Globus gebracht. Etwa in die Schweiz und in die Niederlande, genauso wie nach Litauen, Belgien oder Belarus. Auch in Südafrika, den Vereinigten Emiraten und Ägypten sind die Ballone „made in Schweich” unterwegs.
Es ist eine exklusive Leidenschaft, der sich die Piloten und Pilotinnen verschrieben haben. Denn ein kleiner Ballon mit Brenner und Korb ist für etwa 45.000 Euro zu haben. Die teuerste Ausführung kann bis zu 15 Passagiere transportieren. Kostenpunkt für so ein fliegendes Hochhaus im XXL-Format: um 100.000 Euro. Das ist der Preis für echte Handarbeit bis ins kleinste Detail. Zudem ist jeder von ihnen ein Unikat.
Ballon aus reiner Handarbeit
Über 20 Männer und Frauen sind mit dem Bau eines solchen Ballons beschäftigt. Sie produzieren die Körbe, aber auch Gasflaschen, Brenner und natürlich die imposanten Hüllen der Ballone. Und zwar alles in einem Betrieb in Schweich.
Dafür sind die verschiedensten Berufe vertreten. „Hier arbeiten Korbflechter und Schleifer, Schlosser, Näherinnen und Ingenieure”, sagt Leo Ersfeld, Vertriebsleiter und selber erfolgreicher Pilot. Immerhin fuhr er mit Kollegen in weniger als sieben Stunden über eine Strecke von 877 Kilometer von Gera bis nach Rumänien.
In der Brennerabteilung werden die gewaltigen Feuerspucker gebaut und auch gewartet. Schlosser stellen die einzelnen Bauteile her und Rattan spielt die Hauptrolle in der Korbmacherei.
Das Herz des Betriebs: Die Nähhalle. Denn dort entstehen die prächtigen Hüllen aus einem speziell beschichteten Nylonstoff, die später Wind und Wetter trotzen müssen. Ein Meer von Stoff! Wie behält man da den Überblick? Dafür werden, abhängig von der Größe des Ballons, etwa 400 bis 500 Teile zusammengenäht, erklärt der Vertriebsleiter.
Der Zuschnittsplan für den Giganten wurde zuvor von Designern am Computer entwickelt. Dabei können mittels 3D-Technik die spektakulärsten Formen entstehen. So kommt ein Ballon mal als fliegende Weltkugel, aber auch als Katze, Pinguin oder sogar als Bierglas daher. Der Fantasie sind nahezu keine Grenzen gesetzt.
Ballonfestival mit Programm
Insgesamt verlassen etwa 50 Heißluftballone im Jahr die Hallen in Schweich. Und nicht wenige von den Giganten kommen zu Ballon-Festen immer wieder an die Mosel zurück.
So treffen sich Ballonfahrer und Zuschauer zum Beispiel beim kostenlosen Event Trier hebt ab im Sommer. Zwei Tage lang dreht sich alles um die bunten Giganten. Dabei steht das beliebte Night-Glow, das Befeuern der Ballone zur Musik, auf dem Programm. Und an beiden Tagen steigen rund zehn Heißluftballone aus dem Moselstadion heraus in den Abendhimmel.
Das größte Ballontreffen in Europa findet alle zwei Jahre in der Nähe der französischen Mosel statt. Das Festival Mondial Air Ballons in Metz-Chambley versammelt rund 1.000 Heißluftballone, 400.000 Besucher und Piloten aus rund 50 Ländern.
Es sind die Stille und die Aussicht, die eine Fahrt so besonders machen, schwärmt Leo Ersfeld. Wo es am Ende genau hingehe, wisse letztlich nur der Wind. Diese Prise Ungewissheit ist es, die das Ballonfahren zu einem Abenteuer macht.
Infos zu Fahrten im Ballon
Wer das eigene Haus oder eine bestimmte Gegend von oben sehen will, sollte in der Nähe starten. So liegen die Startplätze von Anbietern wie Ballon Charter Wesi oder Maus-Ballooning am Flugplatz in Föhren und Umgebung. Im Raum Koblenz heben Ballone von Rhein-Mosel-Ballonfahrten, Skytours oder Ballonfahrten Göhler ab.
Kostenpunkt: Um rund 250 Euro pro Kopf. Kinder sollten mindestens 1,30 Meter groß sein. Gestartet wird morgens oder abends, jeweils kurz vor Sonnenaufgang oder etwa zwei bis drei Stunden vor Sonnenuntergang. Am Startplatz gibt es zunächst eine Sicherheits-Einweisung, dann packen in der Regel alle gemeinsam an, um den Ballon aufzubauen.
Die Fahrt dauert zwischen 60 und 90 Minuten. Unterwegs ist der Pilot im Korb per Funk mit Verfolgern im Auto verbunden. Sie begleiten den Ballon während der ganzen Fahrt und sind bei der Landung zur Stelle. Nach dem Abbau des Ballons und der zeremoniellen Taufe bringen sie die Passagiere zum Ausgangspunkt zurück.
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