Wer die Stufen im Mittelmosel-Museum in Traben-Trarbach hinaufsteigt, der überschreitet die Schwelle in eine andere Zeit. In eine Ära als Prominente wie Goethe oder der preußische König in der Villa verkehrten.
Wenn die Wände reden könnten, was hätten sie wohl zu erzählen. Immerhin gab sich alles von Rang und Namen damals hier die Klinke in die Hand: Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. genauso wie Goethe oder die eingeheirateten Familie Scheibler, Karcher, Stumm oder Krupp.
Denn die Bewohner der stattlichen Villa im Stil des Trierer Barock gehörten zu den wohlhabendsten Leuten der ganzen Region. Sie hatten es mit dem Handel von Kaffee, Seide, feinsten Gewürzen, Tabak und Wein sowie als Bänker zu einem Vermögen gebracht. Es war der Kaufmann Johann Adolph Böcking, der den Familiensitz Jahr 1750 erbaute. Dessen Enkelin heiratete später den Auszubildenden Nicolas Villeroy, einer der beiden Gründer des Keramikunternehmens in Mettlach.
Das Patrizierhaus gehört zu den wenigen Gebäuden von Trarbach, die den großen Stadtbrand im Sommer 1857 überstanden. Immerhin schaffte es sogar der Deckenstuck unbeschadet ins neue Jahrtausend.
Großbürgertum im Mittelmosel-Museum
Inzwischen ist in den Räumen das sehenswerte Mittelmosel-Museum untergebracht. Bis unters Dach gefüllt mit Kunst und Antiquitäten. Hier zieren Ölgemälde mit den Häuptern der Familie die Wände, darunter der Hausherr gerahmt in Gold. Dort schlagen alte Pendeluhren die Stunde.
Wundervoll, diese gemalte Leinwandtapete mit Motiven aus dem Kleist-Gedicht „Frühling”!
Die Räume zeugen noch immer von der Pracht, die damals mit dem Namen Böcking einherging. Tatsächlich gehören viele der Möbel noch zur Original-Ausstattung des Hauses. Anderes wurde im Laufe der Jahre passend hinzugekauft.
Im repräsentativen Salon, wo einst der deutsche Dichterfürst Goethe mit den Böckings parlierte, sitzt heute Museumsleiter Christof Krieger am Flügel. Das wertvolle Instrument von 1811 stammt von Nannette Streicher, die damals auch für Beethoven Klaviere baute.
Zwar ist der Komponist nie in Traben-Trarbach gewesen. Aber er ging in Streichers Wiener Werkstatt ein und aus. Deshalb ist es höchstwahrscheinlich, dass zuvor der große Meister diese Tasten bespielte.
In über 20 Zimmern reisen Besucher heute in das großbürgerliche Alltagsleben der Händler- und Finanziersfamilie Böcking: Da ist das Schlafgemach mit Himmelbett und einem Schrank voller Wäsche. Oder der schöne Rokoko-Salon nebst Herrenzimmer. Und natürlich der Speisesaal, geschmückt mit über eintausend Delfter Fliesen.
Schätze in der Villa Böcking
Stumme Zeitzeugen aus 300 Jahren Leben wurden im Mittelmosel-Museum zusammengetragen. Zum Beispiel die Hochzeitsrobe, ein fast 200 Jahre altes Prunkstück aus Taft. Oder das Feuerzeug, mit dem sich Johann Wolfgang Döbereiner 1830 ein Denkmal setze. Als einen der ersten Hochschullehrer für Chemie und Pharmazie hatte Goethe den Wissenschaftler an die Uni Jena berufen.
Und dann ist da noch die imposante Vase von 1837, die der spätere preußische König Friedrich-Wilhelm IV. den Böckings schenkte. Jedes einzelne der vielen Exponate hat eine Geschichte. Und Christof Krieger kann sie alle erzählen.
Mit Leidenschaft und Sachkenntnis führt der Historiker durchs Haus. Von der Beletage bis unters Dach, wo eine Sammlung zur Stadtgeschichte mit einem Modell der Grevenburg punktet.
Und jedes Jahr im September lädt der Museumsleiter zu einem einzigartigen Schauspiel in die Villa Böcking ein. Denn in der langen Museumsnacht nehmen 80 Akteure die Besucher und Besucherinnen mit auf eine Zeitreise in die glanzvollen Tage.
Dann plaudern Rokokodamen beim Tee. Und im Salon feiert eine Hochzeitsgesellschaft zu Grammophonklängen. Sogar Herr Goethe gibt sich nochmal die Ehre.
Nur selten kann man die Lebenswelt einer großbürgerlichen Familie im 18. und 19. Jahrhundert so detailgetreu wie in der Villa Böcking erleben. Historisch hochinteressant, wird das Mittelmosel-Museum dennoch als Geheimtipp gehandelt.
Info für den Besuch:
Adresse: Mittelmosel-Museum, Casinostraße 2, 56841 Traben-Trarbach, Telefon 06541/9480, www.mittelmosel-museum.de
Geöffnet: Ostern bis Oktober, täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr. Eintritt: 3 Euro.