Bernkasteler Schweiz: Auch ohne Seilbahn ein Erlebnis

Die Bernkasteler Schweiz ist ein Wandergebiet mit Geheimtipp-Status. Seit Jahrhunderten werden besonders attraktive Landschaften mit dem Zusatz „Schweiz” geadelt. Was ist dort los?

Bernkasteler Schweiz, Bernkastel

Blick auf die Bernkasteler Schweiz.

Bergkuppen drängen sich dicht an dicht, die höchsten Spitzen ragen kahl in den Himmel hinein. Steil fallen bewaldete Hänge rechts und links bis an die Landstraße hinab. Ein schmaler Pfad schraubt sich durch die Landschaft. Urwüchsige Natur, soweit das Auge reicht. Doch nicht viele Rucksackträger sind in der Schweiz unterwegs. Trubel müssen Wanderer hier also nicht befürchten. Zugegeben, sie besuchen nicht wirklich die Schweiz, sondern die Bernkasteler Schweiz in Bernkastel-Kues an der Mosel.

Raus aus der Schweiz, rein in die Schweiz: Wenn Eidgenossen durchs Moseltal reisen, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie auf ein Stück Heimat treffen. Denn die Region ist gespickt mit Gegenden, die in ihrem Namen den Zusatz Schweiz enthalten. So gibt es am Fluss neben der Bernkasteler Schweiz sieben weitere kleine Schweizen: In Maring, Mehring, Briedern, Trarbach, Briedern, Kesten oder Trier.

Letztere ist fast in Vergessenheit geratet, dabei kennt sie an der Mosel jedes Kind: Der Begriff wurde früher dem Naherholungsgebiet mit dem Weißhauswald und den Palliener Felsen zugeschrieben.

Bernkasteler Schweiz, Bernkastel

Ein Hügel in der Bernkasteler Schweiz

Bernkasteler Schweiz an der Mosel

Das hochalpine Original zeichnet sich durch hohe Berge, schroffe Felsformationen, mäandernde Bäche und bimmelnde Kuhglocken aus. Zwar sucht man Gletscher oder eine Seilbahn vergebens in Bernkastel-Kues, da die höchste Erhebung der Gegend gerade mal 420 Meter zählt. Dennoch gibt es auch hier steile Hänge, Felsen und einen Wasserfall, der im Verborgenen plätschert. Vieles von dem, was die Landschaft unseres Nachbarlandes prägt, das gibt es in der Bernkasteler Schweiz im Klitzekleinen.

Schon seit Jahrhunderten werden rund um den Globus Gegenden mit dem Zusatz Schweiz geadelt, die an eine Landschaft erinnern, die irgendwie als typisch schweizerisch gilt. Nach einer Erhebung des Schweizer Tourismus-Verbandes gibt es rund 191 Schweizen weltweit. Der Historiker Philippe Frei (Transferprozesse der Moderne; Verlag Peter Lang) hat sogar 540 gezählt.

Bernkasteler Schweiz, Goldenes Kreuz

Das Goldene Kreuz

Dabei weist die Bundesrepublik mit 130 offiziellen und inoffizielle Orten und Regionen die höchste Schweizdichte auf. Darunter bekannte Feriengebiete wie die Sächsische oder Fränkische Schweiz. Daneben aber auch Exoten wie die Strohner Schweiz in der Eifel oder die Kollesleuker Schweiz in Mettlach. Und auch die Bernkasteler Schweiz gehört zu den noch unbekannten, kleinen Verwandten.

So kam die Schweizen nach Deutschland

Wie kann es sein, dass so viel Schweiz in Deutschland steckt? Zwar verbinden Urlauber das überschaubare Land oft mit Idylle und Touristiker greifen das natürlich gern auf. Aber in vielen Regionen ist die Bezeichnung tatsächlich historisch gewachsen.

Die Schwärmerei für unser Nachbarland setzte ein, nachdem der Berner Albrecht von Haller anno 1729 sein Gedicht Die Alpen unter die Bürger und Bürgerinnen brachte. Fortan wurde die Alpenrepublik als Ideal der Schönheit und Natürlichkeit verklärt. Immer mehr Bildungsbürger, Dichter und Maler bereisten die Schweiz, deren Landschaft ganz dem Geist der Romantik entsprach.

In Deutschland wiederum verliehen sie ab dem frühen 19. Jahrhundert Gegenden den Beinamen Schweiz. So gelten zum Beispiel die befreundeten Maler Adrian Zingg und Anton Graff als Schöpfer der Bezeichnung Sächsische Schweiz für das Elbsandsteingebirge. 

Bernkasteler Schweiz, Trafohaus, B50

Ein altes Stromhäuschen in der Bernkasteler Schweiz.

Vorbild waren schroffe Felsformationen, die aus Wäldern ragen, wie man sie typischerweise vom Juragebirge kennt. Der Kanton Schwyz ist sozusagen die Mutter aller Schweizen. Andere Motive waren die Alpen mit ihren schneebedeckten Gipfeln und Schluchten. Manchmal jedoch taten es auch schon ein paar Hügel und Seen. So kamen selbst berglose Landschaften wie die Mecklenburgische oder die Holsteinische Schweiz zu ihren Namen.

Wandern in der Bernkasteler Schweiz

Die Bernkasteler Schweiz breitet sich gut zwei Kilometer entfernt von der Moselbrücke in Bernkastel aus. Wer beim Wandern Ruhe schätzt, sollte den noch wenig frequentierten Rundwanderweg durch dieses idyllische Fleckchen Erde wählen.

Alpine Gebirgsklettereien sind zwar nicht zu erwarten, die elf Kilometer lange Route erfordert aber trotzdem ausreichend Kondition. Denn im Zickzackkurs geht es auf schmalen Pfaden bergauf und bergab durch den Wald. Etwa drei Stunden Gehzeit, 362 Höhenmeter rauf, 362 runter. Man muss nur der Markierung mit dem Herz und dem Zusatz Bernkasteler Schweiz folgen.

Bernkasteler Schweiz, Aussicht auf Burg Landshut

Aussicht auf Burg Landshut und die ehemalige Jugendherberge.

Der offizielle Startpunkt ist die Tourist-Info am Gestade. Ein anderer Einstieg in die Bernkasteler Schweiz befindet sich an der Bundesstraße 50 in Richtung Longkamp, gleich gegenüber vom Zeltplatz Bärenhalde. Von dort führt der Pfad zu Aussichtspunkten und historischen Örtchen, die von den Einheimischen vergangener Tage erzählen. Da ist zum Beispiel der Aussichtsfelsen Bresgensruh mit einer Panoramasicht über die Wipfel. Der Name geht auf Hermann Bresgen zurück, der ab 1879 bis 1897 Leiter des Amtsgericht Bernkastel war. Es heißt, er habe sich erfolgreich für die touristischen Entwicklung der Stadt eingesetzt.

In der Ferne lugt die Ruine der Burg Landshut über die Bäume hinweg, tief unten schlängelt sich Landstraße wie eine Asphaltzunge durch die Landschaft in Richtung Longkamp. Die Verbindung von Bernkastel mit dem Hunsrück wurde 1870 in die Bernkasteler Schweiz gesprengt.

Bernkasteler Schweiz, Bernkastel

Ein Wegekreuz in der Bernkasteler Schweiz.

Vom Kaiserstuhl zum Goldenen Kreuz

Auf einem Schieferfelsen glitzert das Goldene Kreuz. Man erzählt, ein Schreiner aus Bernkastel habe es am Ende seines Berufslebens geschreinert und dort hinauf geschleppt. Der Grund soll die Einlösung eines in der Not gemachten Versprechens sein. Alle Achtung, denn der Aufstieg hat es auch ohne Gepäck auf dem Rücken schon in sich.

An vielen Stellen entlang der Route stehen Bänke zum Ausruhen parat. Man passiert lauschige Ecken und entdeckt so allerhand. Zum Beispiel ein attraktives, ausgedientes Trafohäuschen am Wegesrand. Oder einen Aussichtspunkt mit dem kuriosen Namen Kaiserstuhl. Anders als der Name vielleicht verspricht, kann man trotz exponierter Lage natürlich nicht bis in den Schwarzwald sehen. Aber immerhin bis nach Zeltingen-Rachtig reicht die Sicht.

Aussichtspunkt, Kaiserstuhl, Bernkastel

Aussicht vom Kaiserstuhl auf Bernkastel.

Ein handtuchbreiter Pfad führt in Richtung Tiefenbachtal am sogenannten Steinernen Kreuz vorbei. Nach einer Sage hat es ein Ritter von Hunolstein samt Säule auf dem Felsen platziert. Aber wie das mit abenteuerlichen Legenden so ist: In Wahrheit wurde es von Stephan Schönes, dem späteren Rektor des St. Nikolaus-Hospitals in Kues, im Jahre 1747 aufgestellt. Das ist dank Kirchenbuch von Longkamp bekannt.

Aber dass man 200 Meter tiefer einen bezaubernden Wasserfall besichtigen kann, hat sich bislang noch nicht herumgesprochen. Selbst viele Einheimische kennen die Stelle nicht, an der sich der Tiefenbach, der ab Gornhausen Anlauf nimmt, den Felsen hinunter stürzt.

Wasserfall und Tinkelkapelle

Maria-Hilf-Kapelle, Bernkastel

Das Tinkeler Heiligenhäuschen aus dem 18. Jahrhundert

Vielleicht ist der Wasserfall ein Geheimtipp, weil sich das kleine Naturdenkmal so gut versteckt. Denn es liegt unterhalb der Auffahrtsstraße, die hinauf zur Burgruine Landshut führt. Direkt darüber balanciert seit 1887 auf einem hohen Felszacken die winzige Maria-Hilf-Kapelle, die ganz Bernkastel nur als Tinkelkapelle kennt. Ihr Name leitet sich von der ungewöhnliche Lage ab. Denn im Volksmund hieß dieser Fels oder Hinkelstein von jeher det Hinkel, woraus mit der Zeit das heutige Tinkel wurde.

Ein paar Schritte von der Kapelle entfernt, weist ein Schild den Weg zum Wasserfall bergab durch den Wald. Schon von weitem hört man das Rauschen. Und dann steht man plötzlich auf dem Grund dieser Schlucht und fragt sich, wie die Natur so etwas Wundervolles bloß hinbekommen hat.

Wasserfall, Bernkastel

Der Wasserfall in Bernkastel

Aus vier Metern Höhe stürzt sich der Tiefenbach eine Felswand herab und hüpft weiter durch einen Wald voller Farne.

Der Wasserfall ist ein echter Hingucker, nein ein Kleinod. Das übrigens nicht an dieser Stelle endet. Einige hundert Meter weiter bildet das wilde Bächlein einen weiteren, allerdings viel kleineren Wasserfall. Dort endet die Bernkasteler Schweiz. Wer immer noch nicht genug hat, kann die anderen sieben nichtschweizer Schweizen an der Mosel in Angriff nehmen.

Extra: Schweizen an der Mosel

Mit der Bernkasteler Schweiz gibt es insgesamt acht Schweizen an der Mosel – jede von ihnen ist Wandergebiet:

Als Trierer Schweiz wurde im frühen 20. Jahrhundert das Naherholungsgebiet in Trier-West/ Pallien bezeichnet. Heute sprechen alle nur noch vom Weißhauswald. Am Ausflugslokal Villa Weißhaus startet der empfehlenswerte Felsenpfad an der Hangkante entlang.

Zwanzig Kilometer flussabwärts liegt Mehring mit der Mehringer Schweiz. Sie bietet den Aussichtsturm Fünfseenblick, einen Wanderweg mit Kletterpassagen und die Römervilla.

Die nächste Schweiz befindet sich in Maring-Noviand. Wer Urlaub am Wasser machen will, kommt zwar ein paar Jahrtausende zu spät: Denn damals lief die Mosel durch die heutige Maringer Schweiz. Doch zurückblieben umwerfend schönen Trockentäler. Vom Aussichtsturm im Wald blickt man bis auf die Bernkasteler Schweiz.

Von der Bernkasteler Schweiz ist es über den Berg nur ein Katzensprung bis in die Trarbacher Schweiz – und der lohnt sich. Denn die Landschaft beherbergt wunderbare Aussichtspunkte, eine Thermalquelle und fast schon mystische Orte wie den Wildstein oder den Elfenpfad.

Trarbacher Schweiz, Bad Wildstein, Aussichtspunkt

In der Trarbacher Schweiz.

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Ein vier Kilometer langer Wanderweg führt durch die Kestener Schweiz. Mit Weinbergen, Ausblicken auf die Wintricher Moselschleuse und knackigem Aufstieg zum Ende der Tour. Der Startpunkt liegt im Ort am Sauerbrunnen – aus dem bereits Julius Cäsar getrunken haben soll. Wer es glaubt.

Die Briederner Schweiz ist schon deshalb beliebt, weil sie die Ortsgemeinde mit dem Mittelalter-Schätzchen Beilstein und der Burg Metternich verbindet. Der schmalen Höhenpfad führt allerdings oft ganz nah am Abgrund vorbei.

Die Briedeler Schweiz wiederum liegt zwischen Briedel und Zell. Vom Balduinsplatz führt ein gut zehn Kilometer langer Wanderweg mit steilen An- und Abstiegen durch den Wald.

Knapp zwanzig Kilometer vor Koblenz führt ein vier Kilometer langes Traumpfädchen durch das Wandergebiet Niederfeller Schweiz. Von der Mönch-Felix-Hütte kann man die vier Burgen und Schlösser von Kobern- Gondorf sehen.