Ediger-Eller: Wie vom Zuckerbäcker gebaut

Noch nie in Ediger-Eller gewesen? Dann haben Sie keinen Schimmer, was Ihnen entgeht. Denn es gibt: Eine umtriebige Dorfgemeinschaft, Fachwerk-Romantik und einen sympathischen Dialekt. Und dann ist da noch die Sache mit dem „Stohlgang”.

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Blick in ein Ediger Gässchen.

Die kleinen Orte Ediger und Eller liegen dort, wo die Weinberge quasi senkrecht in Richtung Himmel steigen. Denn zusammen mit den Dörfern Neef und Bremm zählt die Doppel-Gemeinde zur Calmont-Region. In Sichtweite steigt der mit respekteinflößenden 65 Grad Hangneigung steilste Weinberg Europas empor.

Zwar ist der Klettersteig, der den Calmont durchzieht, längst kein Geheimtipp mehr. Aber selbst wenn Dutzende unterwegs sind, kann dies dem Charme dieser Landschaft wenig anhaben.

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Der Calmont zwischen Ediger-Eller und Bremm

Die Mosel legt ab hier noch 73 Kilometer bis zu ihrer Mündung in Koblenz zurück. Dank Kaiser-Wilhelm-Tunnel, der sich seit 1877 durch die Berge bohrt, brauchen Züge vom Bahnhof im Ortsteil Eller nur knappe 10 Minuten bis nach Cochem. 

Beste Aussicht über Ediger-Eller

Wer sich einen Überblick verschaffen will, steuert am besten den fabelhaften Aussichtspunkt in den Weingärten oberhalb von Ediger an. Wenn man das Stadttor über die Bergstraße hinter sich lässt und den Wirtschaftsweg rechter Hand immer weiter hinauf fährt, gelangt man an diesen Platz.

Ediger-Eller, Osterlämmchen, Aussichtspunkt

Blick über Ediger-Eller bis zum Calmont

In der Ferne sind der Calmont und links der Petersberg zu sehen und unten im Tal breiten sich am Ufer der Mosel die Häuser von Ediger und Eller aus.  

Dieses kleine Fleckchen Erde blickt auf eine ellenlange Geschichte zurück: Die ersten Siedler waren die Kelten. Danach brachten die Römer den Wein, dicht gefolgt von den Franken, die ihre Spuren in der Sprache hinterließen. Herzlich willkommen in Edscha-Ella – die Mundart ist bis heute quicklebendig. 

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Die alte Schule von 1540.

Unterwegs in Ediger-Eller

Man sieht Fachwerkhäuser aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, stapft über Kopfsteinpflaster und schreitet durch mittelalterliche, steinerne Tore. Wein und Efeu klettern die Fassaden entlang, Armeen von Blumenkästen bevölkern die Gassen.

Dort die Höfe des Klosters Stuben oder die der Grafen von Pyrmont. Und kaum umgedreht, grüßt schon das historische Weingut Freiherr von Landenberg am Mosel-Ufer. Ein 800 Jahre altes Schmuckstück mit Erker, Turm und Hauskapelle, wo man sich auf herrlichen Rastplätzen im Rosengarten niederlassen kann. 

Weingut Freiherr von Landenberg, Eller

Das Weingut Freiherr von Landenberg in Eller

Kaum ein anderer Ort im Tal glänzt mit so viel Giebelfachwerk, Adelssitzen und Klosterhöfen auf so engem Raum. Sogar die sieben Meter hohe Stadtmauer mit sechs Türmen aus dem 14. Jahrhundert ist noch weitgehend erhalten.

Es ist ein moselromantisches Bilderbuch durch das Besucher hier spazieren. Dennoch wird das Kleinod, anders als die kleine Schwester Beilstein, immer noch als Geheimtipp gehandelt.

Eller, Mosel

Blick auf Eller.

Aber Ediger-Eller ist kein Museumsdorf. Ganz und gar nicht. Es gibt einen Dorfladen, eine Reihe von Weingütern und den Campingplatz. Im denkmalgeschützten Christoffel-Hof wurde sogar ein Coworking Space, sprich: Dorfbüro, für digitale Nomaden und alle, die nicht alleine arbeiten wollen, eingerichtet. 

Viele Dorfbewohner leben schon seit Generationen in den historischen Mauern. Auch Zugezogene haben hier ein neues Zuhause gefunden. Es gibt erstaunlich viele junge Familien. Doch jeder kennt jeden. Wenn etwas passiert, dann geht das schneller viral als auf Facebook.

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Das höchste Fachwerkhaus an der Mosel steht in Ediger.

Dorfführung mit Ediger Urgestein

Natürlich behaupten viele Ort von sich, besonders schön zu sein. Ediger-Eller hat es allerdings schriftlich: Denn beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft” wurde die Doppelgemeinde immerhin mit einer Goldmedaille belohnt. Dafür wurde saniert als gäbe es kein Morgen. Dabei haben die Menschen das fabelhafte Kunststück vollbracht, barocken Mief aus den mitunter handtuchschmalen Gassen zu kehren und dennoch ihr historisches Erbe zu bewahren.

Inzwischen zeigen etliche Fachwerkbauten wieder ihre jahrzehntelang hinter Putz versteckten Fassaden. Neugierige lassen sich deren Geschichten von Ediger Urgestein Norbert Krötz bei einer Führung durch Alt-Ediger erzählen.

Norbert Krötz, Ediger

Norbert Krötz aus Ediger

Die Tour startet am Holle Häisje in der Pelzerstraße, dass heute die Tourist-Information beherbergt. Anmutig und windschief steht das Fachwerkhaus schon seit 1623 am Fluss.

An den Markierungen an der Hauswand kann man ablesen, wie hoch die Fluten der eigentlich so beschaulichen Mosel manchmal steigen. Am Schwalbensaal hingegen werden die Ankunfts- und Abflugzeiten der Vögel seit den 80er-Jahren notiert.

In Ediger sind Häuser Sehenswürdigkeiten

Natürlich kann man sich in Ediger-Eller auch an fast jeder Ecke einen zwitschern. Etwa im Weingut Zens oder im Springiersbacher Hof, in einer der Straußwirtschaften oder in der Wein-Lounge am Moselufer in Eller. Die Reben wachsen im Feuerberg, Hasensprung, Elzhofberg oder Osterlämmchen. Herrlich, diese Namen. 

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Das Holle Häisje steht hier seit fast 400 Jahren.

Da stehen aber auch das höchste Fachwerkhaus der Region und das Schulgebäude von 1540 neben der Kirchenpforte. Und eine kleine restaurierte Synagoge gibt es auch. Auf dem vier Kilometer langen Kulturweg der Religionen kann die Bedeutung des keltischen Naturglaubens, der römische Reichsreligion, des Judentum und des Christentums für das Leben im Dorf erlaufen werden.

Über den Köpfen glitzert das achteckige Aushängeschild der Gemeinde: Die Ediger sind stolz auf den Kirchturm von St. Martin, den die Fachwelt sogar als den am reichsten verzierten seiner Art in ganz Europa feiert. Dann ist da natürlich noch die Kreuzkapelle mit dem berühmten Steinrelief „Christus in der Kelter”. 

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Der Kirchturm in Ediger

Weinfeste ohne Ende

Vor allem aber sind da die vielen engagierten Bürgerinnen und Bürger der Doppelgemeinde.  Ob nun Kindertheater oder  Straßenfeste, Weinverkostungen oder Fußballturnier – irgendetwas geht immer. Kein Wunder, die umtriebige Dorfgemeinschaft, die knapp 1.000 Köpfe zählt, ist in sage und schreibe über 30 Vereinen und Gruppen organisiert. Da ist der Karnevalsclub oder die Römergruppe. Von Brauchtumspflegern bis zu Anglern sind sämtliche Interessen vertreten.

Tatsächlich haben sich sogar Alphornbläser an der Mosel zusammengetan. Die  „Eijefaasdouedängeler” machen stattdessen mit Eichenbrettern Musik. Über zehn Winzerbetriebe kümmern sich um den Wein.

Michael Borchert, Springiersbacher Hof, Ediger

Winzer Michael Borchert vom Springiersbacher Hof.

Weinfest mit Stohlgang

Jedes Jahr im August feiern alle am Montag nach dem Weinfest den „Edschara Stohlgang”. Ein wenig seltsam mutet der Name dieser Veranstaltung für Außenstehende an. Was sich dahinter verbirgt?

Angefangen hat alles mit ein paar Leuten, die mit Musikinstrumenten durch die Straßen zogen. Inzwischen reisen sie aus allen Himmelsrichtungen an, um die verwinkelten Gässchen zu belagern. Im Gepäck: Wurst, Käse, Kartoffelsalat – und einen Camping-Stuhl zum Sitzen. So wird gefeiert bis in die Nacht. Noch nie in Ediger-Eller gewesen? Nun wissen Sie, was Ihnen entgeht.