Schloss Liebieg: Darum wusste jeder, dass man Liebieg mit zwei „ie“ schreibt

Schloss Liebieg in Gondorf ist vielen bekannt. Doch kaum jemand kennt seine Geschichte. Dabei wohnten hier zuvor ein steinreicher Textilbaron, ein junger Automobil-Pionier und eine Archäologin, die mit einem spektakulären Fund für Furore sorgte.

Mosel, Schloss Liebieg

Das Schloss Liebieg in Gondorf

Schloss Liebieg in Gondorf ist ein Blickfang. Wie eine spätmittelalterliche Ritterburg mit Turm und Erkern erscheint dieses Haus. Die einstige Niederburg – allerdings nicht zu verwechseln mit der Niederburg im Ortsteil Kobern – hat einen märchenhaften Charme. Kein Wunder, dass schon viele in dieser romantischen Kulisse ihre Hochzeit gefeiert haben.

Doch wie wurde die mittelalterliche Burg zu einem Schloss? Wer wohnte eigentlich in dem Gemäuer? Und warum wird das Anwesen heute überhaupt Schloss Liebieg genannt?

Aus der Niederburg wird Schloss Liebig

Mal heißt es, ein Ritter Marsilius von Gondorf hätte die Niederburg zwischen 1255 und 1272 gebaut. An anderer Stelle ist zu lesen, der Ritter Engelbertus de Contrave (1158-1160) sei der erste bekannte Bewohner gewesen.

Bei Grabungen im Jahr 2019 kam heraus, dass es auf dem Schlossgelände vor Urzeiten sogar eine römische Villa mit Badeanlage gab. 

Mosel, Schloss Liebieg, Kobern-Gondorf

Nebengebäude von Schloss Liebieg

Fakt ist: Nach einigen Besitzwechseln inklusive Zerstörung durch die Truppen der Franzosen, kaufte 1830 der Koblenzer Bankier Simon Clemens die ramponierte Burg. Er vererbte sie später seinem Sohn Peter, der sie um 1860 von dem hoch geschätzten Baumeister Vincenz Statz zu einem Landsitz umbauen ließ. Das war nicht irgendein Architekt. Der Kölner zählt zu den bedeutendsten und einflussreichsten Vertreter der Neugotik im Rheinland.

Und wie aus der Niederburg Schloss Liebieg wurde? Wie so oft durch Heirat. Denn Clemens’ Tochter Angelika ehelichte 1879 den Industriellen Theodor von Liebieg aus dem böhmischen Reichenberg.

Damals wusste vermutlich jeder, dass man den Familiennamen Liebieg mit zwei „ie” schreibt. Denn die geadelten Liebiegs zählten zu den reichsten Unternehmern auf dem europäischen Kontinent. 

Schloss Liebieg, Mosel, Gondorf, Park

Der Park von Schloss Liebieg

Allein in Reichenberg – das heutige Liberec in Tschechien – beschäftigte die Firma Liebieg & Comp. über 5000 Arbeiter in ihren Fabriken. Neben Spinnereien und Webereien gehörten Wälder und Eisenbahnlinien, ebenso wie Porzellanfabriken und Hüttenwerke zu dem gigantischen Familien-Imperium. Aber auch für die Arbeiter wurde von den wohl erfolgreichsten Industriellen der Donaumonarchie Sorge getragen, von Wohnhäusern bis zur Krankenkasse.

Bis heute ließen die Liebiegs in ihrer Heimat unübersehbar ihre Spuren zurück. Da ist zum Beispiel die als Liebiegstadt bekannten Arbeitersiedlung mit ihrer bemerkenswerten Architektur. Oder ein romantisches Ausflugsrestaurant samt Aussichtsturm, das optisch an eine mittelalterliche Burg erinnert.

Zudem ließ die Familie drei repräsentative Villen für sich errichten und gilt als Unterstützer des Baus des Reichenberger Rathauses im Jahre 1893. Wer genau hinsieht, entdeckt im Giebel des reich verzierten Hauses das Familienwappen der Liebiegs.   

Das Liebieg-Haus in Frankfurt

Hierzulande bleibt vor allem Theodors feingeistiger Bruder Heinrich in Erinnerung. Oder besser gesagt: Dessen Testament. Denn von ihm persönlich ist bis heute tatsächlich wenig bekannt. Doch nach seinem Tod konnte die Stadt Frankfurt seine als Zweitwohnsitz vom Münchner Architekten Leonhard Romeis entworfene Gründerzeitvilla günstig kaufen. Der Kunstsammler hatte sich mit seiner Familie jedes Jahr mehrere Monate lang in dem turmbewehrten Prachtbau aufgehalten.  

Als Bedingung hatte der böhmischen Mäzen jedoch verfügt, „für ewige Zeiten darin ein öffentliches Kunstmuseum zu unterhalten“. Deshalb beherbergt das „Liebieghaus” seit 1909 die städtische Skulpturengalerie. Seiner Heimatstadt Reichenberg vermachte er neben Immobilien auch seine Kunstsammlung, die aus fast 3000 Werken besteht.  

Schloss Liebieg, Mosel, Gondorf, Park

Der Park von Schloss Liebieg.

Was allerdings längst nicht jeder weiß: Heinrich von Liebiegs Neffe Theodor Liebieg junior machte seinerzeit als Autopionier von sich reden. Und hier kommt wieder Schloss Liebieg ins Spiel. Denn im Juli 1894 zuckelte der junge Mann im Benz Viktoria vom Unternehmenssitz in Reichenberg zur Mutter nach Gondorf an die Mosel.

Im Benz Viktoria nach Gondorf

Was heute nach einer Spazierfahrt klingt, war damals ein bemerkenswertes Spektakel: Die Straßen waren bestenfalls gepflastert, Fahrer und Beifahrer im offenen Gefährt Wind und Wetter ausgesetzt. Passanten erschraken vor dem „pferdelosen Wagen” und holten ihre Kinder rein.

Mehr als Tempo 20 war nicht drin. Dennoch schluckte der Benz Viktoria 21 Liter Sprit auf 100 Kilometer. Und Benzin gab es derzeit nur in Drogerien und Apotheken. Doch der 22-jährige von Liebieg meisterte die allererste Fernfahrt der Welt: 939 Kilometer mit 5 PS in sieben Tagen. Auf den heutigen Autobahnen würde man für die Strecke etwas mehr als sieben Stunden brauchen. 

Schloss Liebieg, Gondorf, Turm

Turm am Eingang zu Schloss Liebieg

Später trat der junge Liebieg für Benz bei Automobil-Wettfahrten an und wurde als Teilhaber der Nesselsdorfer Wagenbau-Fabriksgesellschaft selbst Automobilproduzent.

Und die vielseitigen Liebiegs konnten noch mehr. Immerhin sorgte die Baronin Angelika von Liebieg als Kunstsammlerin und vor allem als Schatzgräberin für Furore. Tatsächlich legte die ambitionierte Hobby-Archäologin im Park von Schloss Liebieg etwa 1400 keltische, römische und fränkische Gräber frei.

Dabei fand sie Keramiken, Waffen und Schmuck, von denen manche noch aus dem 5. Jahrhundert vor Christus stammen. Um die Fundstücke ausstellen zu können, wurde von den Liebiegs damals eigens für diesen Zweck ein zweites Gebäude auf dem Schlossgelände errichtet. Darin wurden auch Kunstwerke wie Skulpturen und Glasgemälde aus dem 13. bis 18. Jahrhundert untergebracht.

Große Teile der Sammlung wurden ab den 1930er Jahren verkauft. Um 1972 gelangte auch die Inneneinrichtung in den Antiquitätenhandel, ein Teil der Grabbeigaben wird heute als „Gondorfer Gräberfund” im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen verwahrt. Denn die Weltwirtschaftskrise machte auch vor den Liebiegs nicht halt. Ab 1929 konnte Theodor Liebieg junior den angeschlagenen Betrieb noch aufrechterhalten. Doch dem Zweiten Weltkrieg wurde die Familie in Böhmen enteignet und teilte das Schicksal der anderen vertriebenen Deutschen.

Feiern im Schloss Liebieg

Nach einigem Hin und Her zogen 1990 neue Eigentümer in die prominente Immobilie am Gondorfer Moselufer ein. Seither diente das Schloss mit seinem eleganten Spiegelsaal und dem Park voller alter Bäume und Rhododendron als Eventlocation.

2019 wechselte erneut der Besitzer. Ein Weingut mit Vinothek, Hotel und Spitzengastronomie sollte entstehen. Aus dem Klüsserather Weingut Kirsten wurde das Weingut Liebieg.
Lange wurde auf dem Gelände gegraben, geschaufelt, gespachtelt, gesägt. Die Fassade hat längst ein anderes Gesicht. Doch nach monatelang Baustopp steht Schloss Liebieg nun zum Verlauf. Das Schicksal der prominenten Immobilie ist ungewiss. 

 

…und wenn man schon mal da ist

Sehenswertes nahe Schloss Liebieg

Noch ein Schloss. Fast in der Nachbarschaft von Schloss Liebieg steht das Gondorfer Schloss. Es war einst der Stammsitz der mächtigen Familie von der Leyen. Die ehemalige Wasserburg beheimatet heute ein Weinmuseum und ist zugleich eine Kuriosität. Denn sehenswert ist vor allem das Gemäuer selbst, weil die Bundesstraße mitten hindurch führt. Auch Züge fahren über das Gelände.

Feine Architektur. Unbedingt einen Besuch wert ist die kleine Matthiaskapelle über den Weinbergen von Kobern-Gondorf. Einst war sie ein Wallfahrtsort und Pilgerstätte, denn sie bewahrte eine wichtigen Reliquie auf. Bis heute punktet sie im Inneren mit ungewöhnlicher Architektur. Aber leider ist sie nur an Sonntagen von Ostern bis Anfang November geöffnet.

Gleich neben der Matthiaskapelle erhebt sich der Bergfried der Ruine der ehemaligen Oberburg. Besteigen kann man ihn zwar nicht. Dafür gibt es angrenzend ein Restaurant mit nettem Biergarten vor der Tür. Auch die Aussicht über die Reben, die weiter unter liegende Ruine der Niederburg und die Mosel, ist besonders.

Die Ruine der Niederburg ist von der Matthiaskapelle über einen Pfad entlang eines Kreuzweges zu erreichen. Auch von dort eröffnen sich schöne Aussichten übers Tal und die Weinberge, die atemberaubend steil über der Mosel ragen. Die Terrassenkultur mit bis zu 20 übereinander liegenden Trockenmauern ist außergewöhnlich.

Kuriosität. Der Koberner Schlossbergs beherbergt nicht nur die Ruinen der mittelalterlichen Nieder- und Oberburg. Eine weitere Besonderheit ist der romanische Glocken- und Wehrturm im Weinberg, der eine schöne Aussicht über Kobern und Dieblich bietet. Er wurde um 1150 erbaut und stand schon immer fernab des Gotteshauses alleine auf dem Felssporn. Man erreicht ihn über einen Pfad in der Nähe der Kirche.

Wandertour. Der knapp acht Kilometer lange Tatzelwurmweg windet sich als Rundweg durch eine schöne Natur. Mit tollen Aussichtspunkten, Sauerbrunnen, Wasserläufen und römischen Bodendenkmälern. Drei Klettersteige gilt es zu überwinden und die geheimnisvolle Tatzelwurmhöhle zu erkunden. Am Weg liegt auch die Matthiaskapelle und ein Pirschpfad für Kinder. Startpunkt: Der Tatzelwurmbrunnen in Kobern-Gondorf.

Einkehren bei Schloss Liebieg

Mühlen-Romantik. Auf dem Weg vom Koberner Ortskern in Richtung Matthias-Kapelle kommt man mit dem Auto an der fast 1000 Jahre alten Mühle Höreth vorbei. Ein Kleinod wie aus dem Märchenbuch, das man derart authentisch selten zu sehen bekommt. Nicht nur die Einrichtung und das Gebäude selbst mit seinem Innenhof sind einzigartig. Hier werden auch eine fabelhafte Küche und Weine aus dem hauseigenen Weingut serviert.

Kaffee und Kuchen. Oberhalb der Matthiaskapelle versteckt sich in den Sölliger Höfen die Villa Provence. Ein echter Landcafé-Traum, der mit einem üppig begrünten Hof, dem großzügigen Frühstück, Kuchen und Eis überzeugt. Inhaberin Monika Moritz bietet liebevoll eingerichtete Zimmer für Feriengäste. Zudem betreibt sie ein kleines Deko-Lädchen mit schönen Sachen fürs Zuhause.