Die Orte im Tal sind recht bekannt, aber noch lange nicht jeder hat das Bergdorf Starkenburg auf dem Schirm. Die meisten, die hinfahren, steuern das Weinhaus „Schöne Aussicht” an. Doch es gibt auch ein Welterbe zu bewundern.
Starkenburg liegt zwar nicht mehr ganz im Hunsrück, aber auch noch nicht an der Mosel. Von Trarbach leitet eine Serpentinenstraße hinauf zu dem Nest, das sich wie ein Adlerhorst auf einem schmalen Felsgrat 250 Meter über dem Fluss erstreckt.
Auf der einen Seite fallen die Weinberge schwindelerregend steil in Richtung Mosel hinab. Auf der anderen Seite zieht sich der bewaldete Hang hinab ins Ahringsbachtal, wo eine 200 Jahre alte Mühle bis heute ihr Werk verrichtet. Zumindest ab und an. Etwa zum Mühlenfest immer am Pfingstmontag.
231 Menschen leben in dem Dorf, darunter noch wenige Winzer. Deshalb kümmern sich rund 30 Ziegen darum, dass die brachliegenden Parzellen in der Lage mit dem schönen Namen Rosengarten nicht verbuschen.
Keine Burg in Starkenburg?
Kurz hinter dem Ortausgangsschild erhebt sich der Felssockel, der den Namensgeber der kleinen Gemeinde trägt. Oder besser gesagt: dessen klägliche Reste. Denn man braucht schon sehr viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass hier im Mittelalter tatsächlich eine Burg mit mächtigem Bergfried stand. Nur noch kleinere Schiefermauern sind zu erkennen, teils romantisch mit Efeu begrünt. Der Grundriss der Burg lässt sich gerade noch erahnen.
Loretta machte die Starkenburg berühmt
Als die Starkenburg noch heile war, residierten darin die Damen und Herren von Sponheim. 300 Jahre beherrschten die Bauherren ihre Grafschaft, zu der die Moselorte Enkirch, Traben, Trarbach und Wolf gehörten.
Berühmtheit erlangte die Burg im 14. Jahrhundert: Damals sperrte die Gräfin Loretta den Erzbischof Balduin von Trier dort monatelang ein. Denn nach dem Tod ihres Ehemanns Heinrich II. witterte der Rivale eine günstige Gelegenheit, sein Territorium auszuweiten.
Aber der mächtige Mann hatte die Rechnung ohne die Wirtin gemacht: Erst als er ein hohes Lösegeld zahlte und wichtige Zugeständnisse machte, ließ die resolute Gräfin ihn wieder frei. Das gab der Bevölkerung gleich einen neuen Anlass für Spekulationen über dessen Aufenthalt auf der Burg.
Umzug auf die Grevenburg
Heute sind Wanderwege und Häuser nach der berühmten Gräfin benannt. Nur von Lorettas Burg ist fast gar nichts übrig geblieben. Denn Lorettas Sohn verlegte den Stammsitz in die im Jahr 1338 wehrtechnisch auf neustem Stand gebaute Grevenburg in Trarbach.
Knapp 100 Jahre darauf starb das Geschlecht der Starkenburg-Sponheimer aus und keiner der Erben interessierte sich für die Feste in Starkenburg. Von dem baufälligen Gemäuer blieb bald nur noch ein Steinhaufen übrig. Auch der Torbogen ist nur scheinbar ein Überbleibsel. Er gehörte nie zur Burg, sondern war der Eingang zur Grundschule Traben. Als das schöne Schulgebäude abgerissen wurde, trug man die nummerierten Sandsteine ab, um sie am ehemaligen Burgaufgang wieder zusammen zu puzzeln.
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Grevenburg
Burgschänke mit Superausblick»
Aber die kilometerweite Fernsicht von dem Plateau ist bis heute grandios: Bis nach Wittlich, Wolf und Kröv und zum Prinzenkopf kann man von dort aus sehen.
Wegen seiner speziellen Lage auf dem Felsgrat wimmelt es in Starkenburg nur so vor schönen Panoramapunkten. An einigen Stellen ist das Dorf so schmal, dass von Bergrand zu Bergrand nur wenige Schritte genügen. Auf der einen Seite schweift der Blick über die Hunsrück-Wälder, auf der anderen über die Mosel mit der Staustufe im Nachbarort Enkirch und Traben-Trarbach.
Gut zu erkennen ist das frühere Verwaltungsgebäude der Bundeswehr auf dem gegenüberliegenden Mont Royal. Auf dem Gelände war das Amt für Wehrgeophysik untergebracht. Unter der Erde befindet sich ein alter Nato-Bunker, inzwischen besser bekannt als Cyberbunker.
Achtung, Geheimtipp: Aussichtssüchtige versammeln sich gern am Starkenburger Pavillon im Neubaugebiet Auf’m Rech.
In der Schlossstraße, die das ganze Dorf durchzieht, reihen sich Häuser aus den vergangenen Jahrhunderten aneinander. Bruchstein, Fachwerk, Schieferbauten aus der Gründerzeit. Einige davon haben Kellergewölbe, die vermutlich mittelalterlichen Ursprungs sind. Da es früher üblich war, verfallene Gebäude zu recyceln, kann es durchaus sein, dass beim Bau Steine der Burg zum Einsatz kamen.
Die Starkenburger nannten ihre Feste Schloss, daher der Name der Straße.
In der Nummer 17 lebte einst die Lehrerwitwe Emilie Caroline Schuch mit ihrer kleinen Tochter, verrät eine Tafel an der Fassade. Gemeinsam mit der Mutter führte sie darin ein Lebensmittelgeschäft nebst kleiner Wirtschaft. 1907 ließ die inzwischen erwachsene Tochter genau gegenüber, an markanter Stelle im Dorf, das Weinhaus „Schöne Aussicht“ bauen.
100 Jahre Gastronomie mit starker Aussicht
Bis heute treffen sich Einheimische und Ausflügler in der „Schönen Aussicht”. Der Name hält noch immer, was er verspricht. Doch Anja Häckel und David Krämer haben das in die Jahre gekommene Traditionshaus mit viel Fingerspitzengefühl eine moderne Café-Lounge verwandelt.
Auf der Karte stehen Kaffee und Kuchen, aber auch Herzhaftes und Wein von Winzern aus Starkenburg und Enkirch.
Die beliebtesten die Plätze im Lokal sind sicherlich die Sofas und Sesselchen am Fenster. Wer dort sitzt, wenn sich die Mosel dampfend aus ihrem Bett erhebt, kann seinen Kaffee gefühlt über den Wolken genießen. Wer länger bleiben möchte, mietet sich in einem der fünf Apartments der zugehörigen Moselsteig Lodge oder im rührigen Ferienhaus Hilde ein.
Welterbe in winziger Kirche
Es wäre schade wieder zu fahren, ohne einen Blick in das bezaubernde evangelische Kirchlein nebenan geworfen zu haben. Seit 1765 steht es da. Die hölzerne Kanzel könnte sogar noch aus Vorgängerkirche stammen. Malereien an der Empore zeigen die zwölf Aposteln.
Doch das wertvollste Kunstwerk ist die 200 Jahre alte Orgel aus der Werkstatt der Hunsrücker Familie Stumm, hierzulande eine der berühmtesten Orgelbauerdynastien.
Die Unesco hat Orgelbau und Orgelmusik, in Deutschland so präsent wie sonst kaum irgendwo, zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt. Denn der Klangreichtum der Instrumente ist gekennzeichnet von jahrhundertealter Tradition. Erlebbar machen ihn Orgeln wie jene, die in diesem winzigen Bergdorf über der Mosel steht.