Starkenburg: Hier gibt’s schon im Erdgeschoss Aussicht

Die Moselorte im Tal sind recht bekannt, aber noch lange nicht jeder hat das kleine Bergdorf Starkenburg auf dem Schirm. Die meisten, die hinfahren, steuern die „Schöne Aussicht” an. Doch es gibt auch ein Welterbe zu bewundern.

Starkenburg, Mosel, Traben

Starkenburg liegt auf dem Berg über Traben-Trarbach.

Der Platz auf dem Berg gibt dem Ort das gewisse Etwas. Perfekt für eine Auszeit fernab vom Trubel anderer Moselorte. Keine Hektik, keine Ausflugsdampfer, keine Touristenmassen.

Starkenburg liegt zwar nicht mehr ganz im Hunsrück, aber auch noch nicht an der Mosel. Von Trarbach oder Enkirch leiten Serpentinenstraßen hinauf zu dem Nest, das sich wie ein Adlerhorst auf einem schmalen Höhenzug 250 Meter über dem Fluss erstreckt. Die meisten Fußgänger schleppen sich über die 13. Etappe des Moselsteigs oder den Mosel-Camino in die hübsche Ortschaft auf dem Berg.

Auf der einen Seite des Dorfs fallen die Weinberge schwindelerregend steil in Richtung Mosel hinab. Auf der anderen Seite zieht sich der bewaldete Hang hinab ins Ahringsbachtal, wo die 200 Jahre alte Starkenburger Mühle bis heute ihr Werk verrichtet. Zumindest ab und an. Etwa beim traditionellen Mühlenfest am Pfingstmontag. Dann wird auch Brot wie in alten Zeiten gebacken.

Keine Burg in Starkenburg?

Starkenburg, Mosel, Ruine

Durch den Torbogen geht es zur Ruine.

231 Menschen leben in dem Dorf, darunter aber nur noch wenige Winzer. Deshalb kümmern sich nun rund 30 verfressene Ziegen darum, dass die brachliegenden Parzellen in der Lage mit dem schönen Namen Rosengarten nicht verbuschen.

Kurz hinter dem Ortausgangsschild Richtung Enkirch erhebt sich der Felssockel, der den Namensgeber der kleinen Gemeinde trägt. Oder besser gesagt: dessen klägliche Reste. Denn man braucht schon sehr viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass hier im Mittelalter tatsächlich eine Burg mit mächtigem Bergfried, Kapelle, Graben und Brücke stand. Nur noch kleinere Schiefermauern sind zu erkennen, teils romantisch von Efeu umschlungen. Der Grundriss der Burg lässt sich gerade noch erahnen.

Loretta machte die Starkenburg berühmt

Als die Starkenburg noch heile war, residierten darin die Damen und Herren von Sponheim. 300 Jahre beherrschten die Bauherren ihre Grafschaft, zu der die Moselorte Enkirch, Traben, Trarbach und Wolf gehörten.

Starkenburg, Ruine, Efeu

Das war mal eine Burg.

Berühmtheit erlangte die Burg vor allem im 14. Jahrhundert: Damals sperrte die Gräfin Loretta (*1300; +1346) den Kurfürsten Balduin von Trier monatelang in ihrer Feste ein. Denn nach dem Tod ihres Ehemanns Heinrich II. hatte der Rivale eine günstige Gelegenheit gewittert, sich ihren Besitz einzuverleiben, um sein Territorium auszuweiten.

Aber der mächtige Mann hatte die Rechnung ohne die Wirtin gemacht: Loretta kidnappte den Widersacher bei einer Schiffsfahrt und nötigte ihn zu einem neunmonatigen Aufenthalt auf ihrer Burg. Erst als er ein stattliches Lösegeld zahlte und wichtige politische Zugeständnisse machte, ließ die resolute Gräfin den unfreiwilligen Gast wieder gehen. Das gab der Bevölkerung gleich einen neuen Anlass für Spekulationen über dessen Aufenthalt auf der Burg.

Mosel mit der Schleuse in Enkirch

Aussicht von der Starkenburg auf Enkirch.

Umzug von der Starkenburg auf die Grevenburg

Heute sind Wanderwege, Häuser und sogar eine Hollywoodschaukel nach der berühmten Gräfin benannt. Nur von Lorettas Burg ist leider fast gar nichts übrig geblieben. Denn Lorettas Sohn verlegte den Stammsitz in die im Jahr 1338 wehrtechnisch auf neustem Stand gebaute Grevenburg in Trarbach.

Knapp 100 Jahre darauf starb das Geschlecht der Starkenburg-Sponheimer aus und keiner der Erben interessierte sich für die Feste in Starkenburg. Von dem baufälligen Gemäuer blieb bald nur noch ein überschaubarer Steinhaufen übrig. Auch der hübsche Torbogen am Aufgang ist nur scheinbar ein mittelalterliches Überbleibsel: Er gehörte nie zur Burg, sondern war der Eingang zur Grundschule Traben. Als das ansehnliche Gebäude abgerissen wurde, trug man die nummerierten Sandsteine ab, um sie am ehemaligen Burgaufgang wieder zusammen zu puzzeln.

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Grevenburg, Traben-Trarbach
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Burgschänke mit Superausblick»

 


Aber die kilometerweite Fernsicht von dem 17 Meter schmalen und 125 Meter langen Felsplateau ist bis heute grandios: Bis nach Wittlich, Wolf und Kröv, sogar bis zum Prinzenkopf kann man von dort aus sehen. Gut zu erkennen ist das frühere Verwaltungsgebäude der Bundeswehr auf dem gegenüberliegenden Mont Royal. Früher war auf dem Gelände das Amt für Wehrgeophysik untergebracht. Unter der Erde befindet sich ein alter Nato-Bunker – inzwischen besser bekannt als Cyberbunker, der als Immobilie mit krimineller Geschichte für Schlagzeilen sorgte. 

Loretta-Schaukel als neue Attraktion

Wegen der speziellen Lage auf dem Felsgrat wimmelt es in Starkenburg nur so vor schönen Panoramapunkten. An einigen Stellen ist das Dorf so schmal, dass von Bergrand zu Bergrand nur wenige Schritte genügen. Auf der einen Seite schweift der Blick über die Hunsrück-Wälder, auf der anderen über die Mosel mit der Staustufe im Nachbarort Enkirch und Traben-Trarbach.

Achtung, Geheimtipp: Aussichtssüchtige versammeln sich gern am Starkenburger Pavillon im Trabener Bann, der sich im Neubaugebiet „Auf’m Rech” befindet. Dort kann man sogar liegend übers Moseltal bis weit in die Eifel blicken, denn eine fleißige Bürgerinitiative hat den herrlichen Aussichtspunkt mit einer gemütliche Hollywoodschaukel aufgemöbelt: Der nach der Gräfin benannten Loretta-Schaukel.

Starkenburg, Mosel, Schlossstraße

Straßenschild mit Starkenburg

Hauptschlagader Schlossstraße

In der Schlossstraße, die ganz Starkenburg durchzieht, reihen sich Häuser aus den vergangenen Jahrhunderten aneinander. Bruchstein, Fachwerk und Schieferbauten aus der Gründerzeit säumen den Weg. Einige davon haben Kellergewölbe, die vermutlich Nebenbauten einer Vorburg und damit mittelalterlichen Ursprungs sind.

Da es früher üblich war, verfallene Gebäude zu recyceln, kann es durchaus sein, dass beim Bau der Häuser Steine der Burg zum Einsatz kamen. Tatsächlich diente die verfallene Starkenburg gegen Ende des 17. Jahrhundert der Dorfbevölkerung als Steinbruch. 

Starkenburg, Mosel, Schlossstraße

Alte Bausubstanz in der Schlossstraße.

Die Starkenburger nannten ihre Feste Schloss, daher der Name der Straße. In der Nummer 17 lebte einst die Lehrerwitwe Emilie Caroline Schuch mit ihrer kleinen Tochter, verrät eine Tafel an der Fassade. Gemeinsam mit der Mutter führte sie darin ein Lebensmittelgeschäft nebst kleiner Wirtschaft. 1907 ließ die inzwischen erwachsene Tochter genau gegenüber, an markanter Stelle im Dorf, das Weinhaus „Schöne Aussicht“ bauen.

100 Jahre Gastronomie mit starker Aussicht

Bis heute treffen sich Einheimische und Ausflügler in der „Schönen Aussicht”. Die beliebtesten die Plätze im Lokal sind sicherlich die Sofas und Sesselchen am Fenster. Denn wer dort sitzt, wenn sich die Mosel dampfend aus ihrem Bett erhebt, kann seinen Kaffee gefühlt über den Wolken genießen.  

Starkenburg, Mosel, Weinhaus Schöne Aussicht

Die Schöne Aussicht“ am Bergrand in Starkenburg . Foto: David Krämer/Moselsteig Lodge

Schöne Aussicht, Starkenburg

Die Schöne Aussicht mit ihrer schönen Aussicht. Foto: David Krämer/Moselsteig Lodge

Der Name hält zwar immer noch, was er verspricht. Doch die neuen Besitzer Anja Häckel und David Krämer hatten das in die Jahre gekommene Traditionshaus mit viel Fingerspitzengefühl in eine moderne Café-Lounge verwandelt, Ferienwohnungen und das Haus Hilde eingerichtet und danach die neu entstandene Moselsteig Lodge samt Lokal in neue Hände gegeben.

Ohne vorherige Reservierung kann es nun schwierig werden, Hunger oder Durst zu stillen. Doch zum Glück gibt es inzwischen ein weiteres gastronomisches Angebot im kleinen Starkenburg: die charmante „Pilger Tränke” am Trengweg 1, unmittelbar am Mosel-Camino gelegen. An schönen Tagen stehen dort Getränke zur Selbstbedienung bereit.

Welterbe in winziger Kirche

Es wäre allerdings schade wieder zu fahren, ohne einen Blick in das bezaubernde evangelische Kirchlein nebenan geworfen zu haben. Seit 1765 steht es da. Die hölzerne Kanzel könnte sogar noch aus Vorgängerkirche stammen. Malereien an der Empore zeigen die zwölf Aposteln und die Propheten. 

Starkenburg, Mosel, Kirche, Kanzel

Die etwa 300 Jahre alte Kanzel.

Doch das wertvollste Kunstwerk ist die 200 Jahre alte Orgel aus der Werkstatt der Hunsrücker Familie Stumm, hierzulande eine der berühmtesten Orgelbauerdynastien.

Die Unesco hat Orgelbau und Orgelmusik, in Deutschland so präsent wie sonst kaum irgendwo, zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt. Denn der Klangreichtum der Instrumente ist gekennzeichnet von jahrhundertealter Tradition. Erlebbar machen ihn Orgeln wie jene, die in diesem winzigen Bergdorf über der Mosel steht.

 

Wandern rund um Starkenburg

Zur Oberen Starkenburger Mühle: Eine gut 30 Minuten lange Wanderung führt von Starkenburg ins Ahringsbachtal, wo eine der letzten aktiven Genossenschaftsmühlen beim Mühlenfest am Pfingstmontag ihr Werk verrichtet. Dafür sorgt die Mühlengesellschaft, der Mitglieder aus Starkenburg und Enkirch angehören. Das 200 Jahre alte Schätzchen liebt unterhalb der Grube Gondenau und ist nur zu Fuß von Starkenburg oder Enkirch aus zu erreichen. Die Wanderwege sind ausgeschildert.

Loretta-Weg: Angeblich nutzte Gräfin Loretta diesen Pfad, um den Kurfürsten Balduin im Jahr 1328 bei einer Schifffahrt gefangen zu nehmen und auf die Starkenburg zu bringen.

Der 6,5 Kilometer lange Loretta-Weg beginnt in Trarbach hinter dem Brückentor. Von dort geht es über steile Serpentinen hinauf zur Grevenburg. Ab hier weisen die Markierungsschilder mit der Krone durch den Wald in Richtung Starkenburg. Der Scheitelpunkt liegt an der Schutzhütte Starkenburger Pavillon. An Feldern und Wiesen vorbei, geht es wieder Richtung Trarbach zum Aussichtspunkt Himmelspforte mit Blick auf die Grevenburg. Ein Serpentinenweg führt zum Ausgangspunkt an der Moselbrücke.

Rundweg Leiermannspfad: Der knapp 11 Kilometer lange Moselsteig-Seitensprung namens Leiermannspfad verbindet Enkirch und Starkenburg miteinander. Der Name des Wanderwegs geht auf eine Sage zurück, die von einem Mann berichtet, der aus Furcht vor einem Bären die ganze Nacht auf einem Baum verbrachte. Um das Tier bei Laune zu halten, spielte er ununterbrochen auf seiner Leier. In Wahrheit ist die Begegnung mit wilden Tieren unterwegs eher nicht zu befürchten.

Die Route startet an der katholischen Pfarrkirche St. Franziskus. Dort liegt der Einstieg ins Ahringsbachtal. Der Weg führt zunächst leicht bergan durch das Tal an der Ahringsmühle vorbei zur Starkenburger Mühle. Nun geht es steil bergauf nach Starkenburg, wo man am Ortsrand den Aussichtspunkt in der Straße Auf’m Rech erreicht. Nun geht es weiter auf dem Moselsteig über felsige Wege zurück nach Enkirch.